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Geschichtspfad Waldbegräbnisse

Die malerischen Waldbegräbnisse am Lotteberg sind in ihrer Zahl und Vielfalt einzigartig in Westfalen. Angelegt wurden sie von bürgerlichen Familien ab 1811, auf Grund der katastrophalen Überbelegung des Kirchhofes der Haller St. Johanniskirche. Nehmen Sie sich etwas Zeit. Erfahren Sie mehr. Entdecken Sie selbst…

Die letzte Ruhe fanden hier gebildete Haller Bürgerinnen und Bürger – eine Nachbarschaft, die an der Langen Straße in Halle lebte.

 

Anfahrt:

Grüner Weg – Wanderparkplatz Drachenwiese
33790 Halle/Westfalen
Übersichtstafel bei: N 52.03.678 E 008.22.478

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Station 1

Familie Potthoff „im Walde“

Erst 16 Jahre alt war Helene Charlotte Brinkmann, als sie den Kaufmann Friedrich Wilhelm Potthoff heiratete. Man schrieb das Jahr 1812 und Halle stand unter französischer Herrschaft.
Nun galt der Code Civil, der auf den liberalen Ideen der französischen Revolution gründete. Im freien Geist der Zeit entstand ein neues bürgerliches Ideal: eine familiäre Innigkeit, die aus vielen Grabinschriften spricht…
Die junge Braut hatte schon als Kind ihre Eltern verloren. Die frühe Heirat mit dem 26-jährigen Friedrich Wilhelm bot ihr ein neues Zuhause. Er war es auch, von dem die Kirchengemeinde das Grundstück „Meinders’scher Mauergarten“ kaufte, um dort 1828 den ersten außerstädtischen Friedhof anzulegen (heute Skulpturenpark – Alter Friedhof). Als Helene Charlotte wenig später starb, zog ihr Ehemann es jedoch vor, dieses private Begräbnis am Berghang einzurichten. Ein Denkmal setzte er seiner Ehefrau – und sich – mit dem Pavillon, der auch ein Mausoleum gewesen sein kann.

Station 1b

Familie Potthoff „im Felde“

Als Bäcker- und Konditormeister war eine weitere Linie der Familie Potthoff über Generationen in Halle bekannt. Ihr Erbbegräbnis von 1824 ist eines der ältesten am Lotteberg. Es liegt unweit des Waldsaums unter einer Baumgruppe im Feld. Bis heute wird der kleine Privatfriedhof genutzt und soll darum nicht betreten werden.
Einen Wettstreit im Kultivieren von Heideland lieferte sich der dort bestattete Kaufmann Franz Ludwig Potthoff (1756 -1824) mit anderen wohlhabenden Hallern. Hintergrund war die so genannte Markenteilung.
Friedrich der Große verlangte 1771 von allen preußischen Städten die Privatisierung ihres Gemeindelandes, das von allen Bürgern vor allem als Viehhude genutzt wurde. Ziel war eine ertragreichere Nutzung preußischen Bodens. Den Verkaufserlös kassierte der Staat.
Am 10. Mai 1784 wurde auch die Haller Feldmark eingeteilt und unter freiem Himmel versteigert. Die neuen Besitzer, darunter Franz Ludwig Potthoff, Hermann Hagedorn und Peter Gustav Wilmanns, erschlossen ihr Land vor allem durch die Anpflanzung ganzer Wälder, da der Holzmangel ein dauerndes Problem war. Halles Gesicht veränderte sich in diesen Jahren sehr, wie die Karte von 1837 zeigt.

Station 2

Familie Klostermann-Japing

Fleiß und Pflichterfüllung galten im frühen 19. Jahrhundert als wesentliche bürgerliche Tugenden. Diesen fühlten sich auch die Mitglieder der Familien Hülsmann, Klostermann und Japing verpflichtet. Viele von ihnen waren angesehene Persönlichkeiten in Halle.
Die Klostermanns machten sich als Juristen, als Baurat oder Sparkassenrendant einen Namen. Karl Klostermann engagierte sich mehr als 50 Jahre lang in der „milden Bürgerstiftung“ zu Halle. Der beliebte Arzt Dr. Japing  hatte in die Familie eingeheiratet. Seine Töchter Anna und Hedwig, beide Krankenschwestern, waren die letzten, die hier beerdigt wurden. Fast 150 Jahre lang wurde diese Anlage genutzt (1829-1977). Sie befindet sich noch heute in Privatbesitz.

Station 3

Familie Schultz

Der Ober-Controlleur Friedrich Schultz und seine Gemahlin Petronella kamen aus Wesel in die damalige Kreisstadt Halle. Die Versetzung von Beamten sollte dem Amtsmissbrauch durch Vetternwirtschaft und Korruption vorbeugen.
Dem Besucher des kleinen Friedhofs weist sich Schultz als weltoffener Freimaurer aus: Das Symbol auf dem Grabmonument ist ein Bijou, welches höhere Logenmitglieder an einer Halskette trugen.
Der nebenstehende Grabstein ihrer Tochter Friederica lässt ein Kindergrab vermuten: Wie Du gekommen zu uns, so bist Du von uns geschieden, rein wie die Tugend in Gott. Schlafe nun seligen Schlaf.
Doch Friederica war eine verheiratete Frau und Mutter von drei Kindern, als sie 1826, mit 33 Jahren, der Schwindsucht erlag. Ihr Jüngstes hatte sie bereits an die tödliche Krankheit verloren, und auch ihr Ehemann, der „Bürger und Bäcker“ Christian Heitmann sollte 1827 daran sterben.
Schwindsucht (Tuberkulose) war bis ins 20. Jahrhundert eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland.

Station 4

Familie Buddeberg & Einzelpersonen

Mit nur zehn Jahren starb August Buddeberg 1819 an „Kopf- und Herzwassersucht“. Sein Großvater war Pfarrer in Halle gewesen, sein Vater Schulrektor. Letzterer soll ein Bücherfreund und „lustiger Bursche“ gewesen sein. In seine Amtszeit fiel der unsägliche Streit um eine neue Schule.
Neben dem kleinen August ruhen die Juristen Johann Carl Franz Reuter und Johann Heinrich Dunker. Zur Zeit des Königreichs Westphalen, das von Napoleons Bruder Jerôme regiert wurde (1807-1813), hatte Reuter das Amt des Friedensrichtes in Schildesche inne. Nach dem Tod seiner Frau zog er 1815 nach Halle. Bemerkenswert ist das Grabmal des Haller Landrichters Dunker von 1827. Zeittypisch war die Pyramidenform des Steins, ungewöhnlich die Inschrift: Statt eines christlichen Verses wurde ein Zitat des damals beliebten Schriftstellers Jean Paul gewählt:
Das Erdenleben ist die Hülse, worin der Kern des zweiten Lebens reift.

Station 5

Familie Vogelsang

Nur ein Gastspiel gab die Familie Vogelsang in Halle. Auch hier war der Grund die Versetzung eines Beamten in die kleine Kreisstadt: Carl Dietrich Vogelsang (1796-1876) leitete nach seiner Militärlaufbahn das Amtsgericht in Halle. Als seine Frau Amalie, eine Geborene von Kessel, im Sommer 1868 starb, wurde ein würdiger, repräsentativer Bestattungsort für sie geschaffen. Die Grabanlage zeigt schon die monumentalen Formen des kommenden Kaiserreichs. Auf dem Obelisken stand ein lebensgroßer Engel, der gen Himmel wies. Neben den Eltern wurden vier ihrer Kinder in der Familiengruft beigesetzt. Darunter der Stabsarzt Dr. Conrad Vogelsang. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 starb er mit 40 Jahren nahe Metz „in Ausübung seines Berufs“. Nach dem Tod von Tochter Marie im Jahr 1900 verliert sich die Spur der Vogelsangs in Berlin.
Die Gruft wurde 1921 geplündert – die Zinksärge ließen sich zu Geld machen.

Station 6

Familie Wilmanns

„Der besten Gattin, der zärtlichsten Mutter“ ist der älteste Grabstein am Lotteberg gewidmet. Gemeint ist die Frau des damaligen Bürgermeisters: Anna Elisabeth Wilmanns geb. Kottenkamp. Sie war 1811 die erste Haller Bürgerin, die nicht auf dem überfüllten Kirchhof bestattet wurde.
Dem Preußischen Landrecht entsprechend legte ihr Ehemann ein Erbbegräbnis außerhalb der Stadt an. Damit ging der beliebte und für sein Temperament berüchtigte Peter Gustav Wilmanns seinen Bürgern mit gutem Beispiel voran. Das Grabmal Anna Elisabeths steht heute getrennt in Rumpf und Säule. Daneben finden sich die Kreuze der Tochter und der Schwiegersohnes. Insgesamt 48 Jahre lang war Wilmanns Bürgermeister in Halle. Während der französischen Besatzung (1806-1813) hatte er das Amt des Maire im Kanton Brockhagen inne. Wegen eines Trinkspruchs gegen die Franzosen saß er kurzzeitig im Gefängnis. Als die napoleonischen Truppen abrückten, wurde Wilmanns der Legende nach auf den Schultern der Bürger zurück ins Rathaus getragen und mit dreifachem „Vivat!“ in sein Amt eingesetzt worden sein.
Auch Wilmanns ist den Urkunden nach hier bestattet, doch ein Grabstein fehlt.

Station 6b

Der „offene Bereich“

Geheimnisse birgt der „offene Bereich“. Es handelt sich um eine kleine Ansammlung von Grabmalen weiterer Haller Bürgermeister und hoher Beamter. Die Geschichte dieser Steine, deren ursprünglicher Standort nicht hier gewesen sein muss, ist noch nicht abschließend geklärt. Es wird vermutet, dass sie bei der Einebnung des Kirchhofes 1828 oder beim Ausbau der St. Johanniskirche 1886 vor der Zerstörung bewahrt wurden.
Das Ehrenmal mit der lateinischen Inschrift „OSSIBUS AMICI IN OBLITI…“, stiftete der ravensbergische Präfekt Meinders 1815 seinem verstorbenen Mitarbeiter Culemanns, der ihm über die Jahre zum Freund geworden war. Darunter wurde 2012 eine weitere Grabplatte entdeckt. Sie verschloss einst die Gruft des Leinenkaufmanns und Bürgermeisters Jobst Henrich Brune (1641-1707) und seiner Ehefrau. Sie waren als bedeutende Persönlichkeiten in der Kirche bestattet. Später erfuhr die massive Sandsteinplatte hier einen Zweitnutzen als Fundament.
Auch Jobst Henrichs Sohn, Johann Lucas Brune (1691-1754), amtierte als Bürgermeister in Halle. Die Grabplatte für ihn und seine Frau Margaretha Eva Kisker (1702-1743) wurde 2008 hier geborgen. Heute steht sie an der St. Johanniskirche.
In der Nähe liegen Bruchstücke des Grabsteins von Christian Ferdinand Brune (1755-1824), der zunächst das Amt Sparrenberg leitete, bevor er als Direktor des Stadt- und Landgerichtes nach Halle zurückkehrte. Wo aber wurde er bestattet? Und gibt es weitere Gräber im offenen Bereich?
Die Forschungen sind noch nicht abgeschlossen.

Station 7

Familie Wethöner

Das jüngste der Waldbegräbnisse am Lotteberg wurde 1938 angelegt. Beantragt hatten dies Gustav und Gerda Wethöner, die mit ihrer Tochter Hanneliese seit Anfang der 1930er Jahre auf dem nahen Berghof lebten.
Seitens der Behörden gab es keine Bedenken, im Gegenteil: Entsprechend der damaligen Ideologie sah man darin eine Förderung des „Sippengedankens“ und der „festen Bindung an die Scholle“, besonders bei Bauernfamilien.
Dem Kaufmann Gustav Wethöner sollte dies recht sein. Er erhielt das kleine Refugium mit dem weiten Blick über Halle. Im September 1947 wurde er hier beigesetzt. Hanneliese Wethöner hatte nun ihr Medizinstudium abgeschlossen und arbeitete als Ärztin für Lungenheilkunde in Bad Salzuflen. Bis 1963 lebte sie zusammen mit ihrer Mutter auf dem Berghof, später allein. Mit Hannelieses Tod im Jahr 1995 endete diese Linie der Familie. Ihr Grab wird von den neuen Bewohnern des Berghofes gepflegt.