Bei Wind und Wetter musste die kleine katholische Gemeinde in Halle sonntags einen weiten Weg zurücklegen: Die Messe wurde in der Kapelle zu Stockkämpen oder in Tatenhausen gefeiert. Julia Gräfin von Schmising zu Kerssenbrock ermöglichte darum den Bau einer katholischen Kirche in der Stadt. Den Auftrag erhielt der Haller Bauunternehmer Grottendiek.
Bei mildem Wetter wurde 1908 das Richtfest gefeiert. Im November 1909 läuteten die Glocken erstmals zum Gottesdienst. Tippen Sie auf das Lautsprechersymbol, um die Glocken zu hören und lesen Sie in einem Gastbeitrag von Franz Ziesché…
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Ein Gastbeitrag von Franz Ziesché
Verborgene Schönheiten
Aufschlagidiophone – das ist die fachsprachliche Bezeichnung für die Musikinstrumente, die fester Bestandteil christlichen Lebens auf der ganzen Welt sind und die damit zu unserem täglichen gewohnten Klangumfeld gehören. Selten bekommt der Zuhörer sie zu Gesicht – die Glocken einer Kirche. Dabei sind sie oft auch optische Kunstwerke.
Heut‘ noch soll die Glocke werden…
Am 16. August 1909, knapp ein Jahr nach dem Richtfest der Herz-Jesu-Kirche, wurde der Glockengießer Franz Humpert in Brilon mit dem Guss von zwei Bronzeglocken für die neue kath. Kirche in Halle (Westf.) wie folgt beauftragt:
„Glocke 1 mit dem Ton C bei einem Gewicht von ca. 275 kg“
„Glocke 2 mit dem Ton disbei einem Gewicht von ca. 150 kg“
Die Glocken wurden am 8. November 1909 von der Firma August Thomas aus Halle in den Turm hochgezogen und am 11. November dort aufgehängt. Am 14. November 1909, dem Tag der feierlichen Benediktion der Herz-Jesu-Kirche, wurden sie wahrscheinlich zum ersten Mal geläutet.
Eingeschmolzen für das Vaterland
Die größere der beiden Glocken wurde am 30. Juni 1917 beschlagnahmt und für Kriegszwecke eingeschmolzen. Irgendwann nach dem ersten Weltkrieg muss das Geläut wohl wieder komplettiert worden sein, denn es wird Weihnachten 1924 vom Läuten zweier Glocken berichtet. Von dieser ergänzten Glocke ist leider nichts Näheres bekannt. Wahrscheinlich wurde sie im zweiten Weltkrieg ebenfalls eingeschmolzen.
Die Glocken und ihre Schutzheiligen
Bis 1960 war die kleinere Glocke von 1909 allein für das Rufen zu den Gottesdiensten in der Herz-Jesu-Kirche zuständig, denn dann wurde das Geläut durch zwei neue Glocken aus der Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher auf den Stand gebracht, der zur Zeit in der Glockenstube der Herz Jesu-Kirche besteht:
Glocke 1: 1960 von Petit & Gebr. Edelbrock (Gescher) gegossene Bronzeglocke Nominalton b‘, Gewicht ca. 370 kg, Durchmesser ca. 85 cm,
Inschrift:
+ LAUDATE DOMINUM PROPTER
+ SUMMAM MAJESTATEM EIUS. PS. 150.2
(Lobt Ihn für seine großen Taten, lobt Ihn in seiner gewaltigen Größe!)
Diese Glocke ist mit einem 10 cm hohen Bildnis des Hl. Franziskus von Assisi (mit dem Seraph, einem sechsflügeligen Engel), dem Gießjahr, der Gießereimarke usw. verziert. Vom Ton her (b‘) soll sie wahrscheinlich das Geläut der „Erstausstattung“ (c“ und dis“) nach unten hin „abrunden“.
Glocke 2: 1960 von Petit & Gebr. Edelbrock (Gescher) gegossene Bronzeglocke
Nominalton c“, Gewicht ca. 255 kg, Durchmesser ca. 75 cm,
Inschrift:
+ FILIOLI MEI, NON DILIGAMUS VERBO ET LINGUA
+ SED OPERE ET VERITATE. 1. JOH. 3,18
(Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.)
Diese Glocke zeigt ein 11,5 cm hohes Bildnis des Hl. Johannes Evangelist (mit Adler), das Gießjahr, die Gießereimarke usw. Vom Ton her (c“) ist sie wohl als Ersatz für die im Jahr 1917 für Kriegszwecke eingeschmolzene zweite Glocke der „Erstausstattung“ mit demselben Ton dimensioniert worden.
Sowohl Glocke 1 als auch Glocke 2 erinnern mit ihren Bildnissen an die Mutterpfarrei der Herz-Jesu-Kirche, die früher von Franziskanern betreute Gemeinde St. Johannes Evangelist in Stockkämpen.
Glocke 3: 1909 von Franz Humpert (Brilon) gegossene Bronzeglocke Nominalton dis“, Gewicht ca. 150 kg, Durchmesser ca. 65 cm, Inschrift:
TOTA PULCHRA ES MARIA!
ET MACULA NON EST IN TE!
(Ganz schön bist Du, Maria! Und kein Makel haftet an Dir!)
Diese älteste Glocke im Turm der Herz-Jesu-Kirche ist u. a. mit einem sehr filigranen Fries aus Weinlaub und Trauben sowie einem 13,5 cm hohen Bildnis der Maria Immaculata, auf der Mondsichel stehend, verziert.
Am 15. November 2009 wurde ihr 100-jähriges Dienstjubiläum, zusammen mit dem der Herz-Jesu-Kirche selber, mit einem Festhochamt, das von Weihbischof Matthias König aus Paderborn zelebriert wurde, gebührend gefeiert.
Der Aufstieg zur Glockenstube
Der Weg zu den Glocken von Herz-Jesu ist ein wenig abenteuerlich und nur für „bewegliche“ Menschen geeignet. Er beginnt auf dem Orgelboden, wo links neben der Orgel eine Bodentreppe herunter gefahren werden kann, auf der man den „zweiten Stock“ des Kirchturms erreicht. Dort hat der Besucher die Wahl zwischen dem Gang über das Kirchengewölbe oder der schmalen und steilen Stiege hinauf zur Glockenstube.
Von der Stiege aus öffnet man die Bodenklappe, durch die man sich in die äußerst beengte Glockenstube hoch schwingen muss.
Führungen zu den Glocken von Herz-Jesu sind in Absprache mit Franz Ziesché für kleine Gruppen bis zu vier Personen möglich – eine kleine Kletterpartie inbegriffen.
Kontakt unter Tel. 05201 16078.
Die Läuteordnung
| Glocke 1 (G1) | Glocke 2 (G2) | Glocke 3 (G3) | |
| Gießerei: | Petit & Gebr. Edelbrock (Gescher) im Jahr 1960 | Petit & Gebr. Edelbrock (Gescher) im Jahr 1960 | Franz Humpert (Brilon) im Jahr 1909 |
| Gewicht: | ca. 370 kg | ca. 255 kg | ca. 150 kg |
| Durchmesser: | ca. 85 cm | ca. 75 cm | ca. 65 cm |
| Material: | Bronze | Bronze | Bronze |
| Nominalton: | b‘ (460,9 Hz) | c‘‘ (517,3 Hz) | dis‘‘ (615,2 Hz) |
| Einstellungen der Läutemaschinen (LM) – Stand 2010 | |||
| Anschläge: | 65 / Min. | 67,5 / Min. | 69,5 / Min. |
| Läutewinkel: | 52 Grad | 60,5 Grad | 65,8 Grad |
| Alle drei Glocken verfügen auch über ein (An-)Schlagwerk (SW). | |||
| Uhrenschläge (Stunden und Viertelstunden) | Automatisch (Schaltuhr in der Sakristei) | |||
| täglich jede Stunde bzw. Viertelstunde | G1 | G2 | G3 | |
| Ausschalten (erfolgt automatisch): Täglich zwischen 22 Uhr und 6 Uhr (Nachtruhe) | Stundenschläge | SW | ||
| Viertelstundenschläge | SW | |||
| Manuelles Ausschalten: Nach dem Gloria am Gründonnerstag
Manuelles Wieder-Einschalten: Vor dem Gloria der Osternacht |
||||
| Hinweis: Die Uhrenschläge können nur an der Schaltuhr ausgeschaltet werden. | ||||
| Angelus-Geläut | Automatisch (Schaltuhr in der Sakristei) | |||
| täglich um 7.31, 12.01 und 19.01 Uhr (insgesamt ca. 4 Min.) | G1 | G2 | G3 | |
| Ausnahme(n): Nach dem Gloria am Gründonnerstag bis vor dem Gloria der Osternacht | 3 x 3 Anschläge | SW | ||
| 3-minütiges Nachläuten | LM | |||
| Hinweis: Das Angelus-Geläut kann an der Schalttafel in der Sakristei ausgeschaltet werden (Automatik-Betrieb ausschalten). | ||||
| Läuten vor Messen an Werktagen | Manuell (Schalttafel in der Sakristei) | |||
| Beginn 15 Min. vor Beginn der Messe, Ende 5 Min. vor B. d. M. | G1 | G2 | G3 | |
| Ausnahme(n): Nach dem Gloria am Gründonnerstag bis vor dem Gloria der Osternacht | 10-minütiges Läuten | LM | LM | |
| Läuten vor Messen an Sonn- und Feiertagen | Manuell (Schalttafel in der Sakristei) | |||
| Beginn 15 Min. vor Beginn der Messe, Ende 5 Min. vor B. d. M. | G1 | G2 | G3 | |
| Ausnahme(n): Nach dem Gloria am Gründonnerstag bis vor dem Gloria der Osternacht | 10-minütiges Läuten | LM | LM | LM |
| Läuten vor einem Requiem | Manuell (Schalttafel in der Sakristei) | |||
| Beginn 15 Min. vor Beginn des Requiems, Ende 5 Min. vor B. d. R. | G1 | G2 | G3 | |
| Ausnahme(n): Nach dem Gloria am Gründonnerstag bis vor dem Gloria der Osternacht | 10-minütiges Läuten | LM | ||
| Läuten vor einer Andacht | Manuell (Schalttafel in der Sakristei) | |||
| Beginn 15 Min. vor Beginn der Andacht, Ende 5 Min. vor B. d. A. | G1 | G2 | G3 | |
| Ausnahme(n): Nach dem Gloria am Gründonnerstag bis vor dem Gloria der Osternacht | 10-minütiges Läuten | LM | ||