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AusstellungZeitRaum 7 Aufklärung & RomantikThemenwand Aufklärung Johann Moritz Schwager

Johann Moritz Schwager

Ölfarben auf Holz | um 1800
Leihgabe aus Privatbesitz

Der Reisebericht „Über Halle, ein lachendes Städtchen in der Grafschaft Ravensberg“ geschrieben von Pastor Schwager im Jahr 1801 ist die wichtigste historische Quelle über Halle in dieser Zeit. Schwager schildert die Veränderung der Landschaft durch die Markenteilung, die Straßenverhältnisse, sowie die Kunst der Haller Handwerker und Ärzte. Zu Gast war er damals auch bei Familie Hagedorn und ließ sich den entstehenden Landschaftspark zeigen: Lustpavillon und Alleen, Haine und Grotten….

Pastor Schwager war ein Aufklärer: Er sah Naturwissenschaft als ein Verstehen und Bewundern der Schöpfung an. Wie viele Honoratioren seiner Zeit war er zudem Freimaurer.

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Details und Hintergründe

Halle, ein lachendes Städtchen in der Grafschaft Ravensberg

Reisebericht an einen Freund von Johann Moritz Schwager

  Erschienen im Westfälischen Anzeiger im Herbst 1801

Einführung

(zu einer Lesung)

Wir unternehmen eine Zeitreise nach Halle im Jahr 1801. Der Jöllenbecker Pastor Moritz Schwager hat seine Reisetruhe und seinen Schreibkasten auf der Kutsche verstauen lassen. Er wird nach Halle in der Grafschaft Ravensberg reisen, das er seit zwanzig Jahren nicht mehr besucht hat. Zwischenzeitlich hat die Markenteilung stattgefunden und die Landschaft sehr verändert. Was sich noch nicht geändert hat, ist die scharfe Trennung der Gesellschaftsschichten. Auf unserer Zeitreise werden uns freie Bürger einerseits und eigenbehörige Heuerlinge und Bauern andererseits begegnen. Pastor Schwager möchte also seine Haller Freunde besuchen und sich einige Zeit dort aufhalten. Nun steigt er selbst in die Kutsche und bittet uns auf den freien Platz an seiner Seite.

 

Unterwegs nach Halle

„Der Weg von Herford aus ist angenehm, wenn man gute Witterung und frohen Mut zu Begleitern hat. […] Die längst geschehne Markenteilung macht es dem Wanderer, der diese Gegend lange nicht bereiste, und nun mit einem Mahle wieder hierhin verschlagen wird, zweifelhaft, ob er sie jemahls sah? Überall entdeckt man Spuren des unermüdlichen Fleißes. Auf Heiden, wo das Vieh um jedes Grashälmchen stritt, wogen jetzt fette Kornsaaten; Unkenteiche und saure Moräste sind in Wiesen umgeschaffen; wohin sonst das Auge des Vorüberwallenden vor Waldung oder Gesträuche nicht reichte, ist es helle und licht geworden; nette Gebäude sind entstanden, mit kleinen und größeren Feldern, Gärten und Wiesenplätzen umgeben. Von Herford kommt man nach Jöllenbeck, wo diese Umwandlung am sichtbarsten wird, und dann nach Werther, einem stadtberechtigten Dorfe, wo viele Handlung gefunden wird. Außer der Detailhandlung, die das Zutrauen einer weitläuftigen Nachbarschaft begünstigt, wird hier eine starke Handlung mit [Leinen-]Garn und Windauschem Leinsamen betrieben; die letzte ist aber im Abnehmen. […]

Der größte Theil des absetzbaren Garns geht nach Elberfeld, nicht allein von Werther, sondern aus der ganzen Grafschaft [Ravensberg], und der Weg geht über Werther und Halle für die meisten Garnverkäufer. Zwischen beyden Oertern streicht eine Bergkette, die links bey Dornberg und rechts bey Halle Steinkohlen liefert.

 

Die schlechten Wege…[1]

Von Werther aus wird es den Kärrnern schon sehr sauer, die Berghöhe zu erklimmen; sind sie aber einmal oben, beginnt erst die rechte Noth. Eine Strecke von meist einer Viertelstunde geht der Weg in eine Schlucht herab; der lange Gebrauch und das herabstürzende Wasser bey Regengüssen haben ihn zehn bis zwanzig Fuß tief ausgehöhlt, losgespülte Steine und Felsen bleiben ruhig liegen, wie sie das zufällige Schicksal entblößt hat, die einzige Spur ist unten so enge, daß ein begegnender Hund nicht ausweichen kann, und an das Ausweichen sich begegnender Wagen oder Karren ist vollends nicht zu denken. Hat also ein von Werther kommender Fuhrmann die Berghöhe erreicht, so muß er stille halten, mit seiner Peitsche sondiren, ob sich ein Fuhrwerk oder Reuter im Wege befinde? Denn hineinsehen kann er nicht, da der Weg düster vom überhängenden Strauchwerk ist, und antwortet ihm eine Peitsche im Wege: so muß er warten, bis ihm der Begegnende vorüber ist, und dann abermals mit Peitschenknallen anfragen, ob noch Nachfolgende unterwegs sind? Wird ihm nicht geantwortet, so stürzt er sich in den Höllenweg hinein; aber oft hörte ihn ein anderer Fuhrmann unten in der Schlucht nicht, wie er ihn nicht hörte, sie begegnen sich, und der Hinauffahrende muß zurück mit halsbrechender Anstrengung, und beyde verliehren wenigstens viele Zeit. Wagt man sich mit niedrigen Vorderrädern in diesen unterirdischen Kanal: so verliert man seine Lünze [Achsnagel], oft die Räder selbst, wie mir es schon begegnet ist, und niemand kommt heraus, ohne den Weg verflucht zu haben. Und diesem Unglück wäre nicht auszuweichen? Sehr leicht, aber ich kenne die Polizeybeamten nicht, die hier helfen sollten, die Polizeybeamten scheinen das Skandal in ihrem Districte auch nicht zu kennen, und die Vermaledeyungen nie bemerkt zu haben, die wider sie ausgestoßen werden.

 

Die Ankunft in Halle

An der linken Seite des Weges, nach Halle hin, liegen steinigte Felder, die wenig Fruchtbarkeit verrathen […]. Ist man durch die Vertiefung, so steigt man wieder einen kleinen Hügel hinan, und sieht mit einem Mahle Halle in einer sandigen Pläne vor sich und am Fuße der Gebirgskette liegen, lachend und einladend.

Dies Städtchen von 120 Feuerstellen ist reinlich, hat angenehme, selbst hübsche Wohnungen; man fühlt sich in ihm behaglich, und dazu trägt der freundschaftliche, treuherzige Ton der Honoratioren viel bey. Der Umgang kann nicht ungezwungener seyn, Gelehrte und Kaufleute kommen ohne alle Gené zusammen, und am Gespräche kann jeder Theil nehmen; denn Pedanterie ist entfernt, und kaum mag es ein Paar Menschen geben, denen man lieber auf den Rücken, als ins Angesicht sieht.

 

Die Handwerker

In diesem kleinen Städtchen gab es immer genievolle, künstliche und geschickte Arbeiter und Handwerker, besonders sehr geschickte Tischler. Der verstorbene Glaser WICHMANN war zugleich ein geschickter Anstreicher, mahlte ziemlich gut, und von ihm findet man fast in der ganzen Grafschaft das immer noch so beliebte Bildniß Friedrichs II. Sein Sohn tritt in seine Fußstapfen. WALDHECKER war anfangs ein Grobschmidt, aber sein Genie rief ihn weiter; durch sich selbst ward er ein sehr geschickter Uhrmacher, er sticht geschmackvolle Pettschafte, und ist erfinderisch, wo ihn etwas auffordert, ein Kunstwerk zu erfinden, nachzumachen, oder zu vervollkommnen. Sein Sohn ist der Erbe seiner Kunst und seines Genies. Der Schmidt und Schlösser COESFELD ist gleichfalls ein erfindrischer Kopf; er macht Sparherde von gegossenen Eisenplatten so schön und zweckmäßig, als man sie nur im Bergischen machen kann, und kürzlich erfand er eine Maschine, die verdorbene Luft in dem kürzlich angelegten Steinkohlenbergwerke zu reinigen, die kein Arbeiter mehr aushalten konnte, und zwar vermittelst eines aus- und einpumpenden großen Blasebalgs ganz eigener Erfindung. Ich fand in dem Schönfärber BOHLE einen sehr geschickten Künstler, vorzüglich im Formschneiden; er ahmt nicht bloß nach, sondern erfindet selbst.  Der Wundarzt Hr. SCHMÜLLING übertrifft Tausende seiner Kunstgenossen, selbst auch manchen Arzt; seine Geschicklichkeit im Staarstechen lockt manchen Leidenden herbey, und mir ist kein Beyspiel bekannt, wo ihn seine Kunst verlassen hätte, so wie er überhaupt ein sehr guter, glücklicher Augenarzt ist. Sein menschenfreundliches Gesicht erwirbt ihm das Vertrauen des Patienten, seine Humanität ist im Tone seiner Stimme bemerkbar, und mein ganzes Zutrauen würde er haben, wenn ich seiner Hülfe bedürfte. Ich glaube es manchem Westfälinger, der seiner Hülfe etwa benöthigt seyn möchte, schuldig zu seyn, ihn mit diesem glücklichen Staaroperateur bekannt zu machen; man sucht oft Hülfe, sehr theure Hülfe in der Ferne, weil man nicht weiß, daß man sie sicherer und wohlfeiler in der Nähe haben könnte, und Fremde, die sich an ihn wenden, können in Halle ihr Unterkommen für billige Vergütung finden. Einigen 40 Kindern impfte Herr S. die Kuhpocken glücklich.[2]

An Fabriken gibt es in Halle die ansehlige Lohgerberey oder Lederfabrik der Madam KISKER, außerhalb Halle, am Postwege nach Versmold belegen, die Nägelfabrik des Kaufmann GLAAN; die Tobaks- und Sigellaksfabrik des thätigen Kaufmanns und Postverwalters F.W. GROPPE, nebst einigen Reifschlägereyen.

Die Hauptnahrungszweige der Einwohner sind Ackerbau, Handlung und Spinnen. Die Handlung beschäftigt sich vorzüglich mit Löwentleinwand und Garn; der erste Artikel geht besonders durch die Hände der Herren C.F. HAGEDORN und A.H. BRUNE, und fast allein den Garnhandel, besonders des feinsten Gespinstes, treiben die Kaufleute C.F. HAGEDORN,  F.W. GROPPE und Madam KISKER. […]

 

Das Schulhaus

Das Schulgebäude droht mit dem Einsturze, es muß also ein neues gebaut werden. In dem alten Schulgebäude ist eine Gelegenheit oder Ungelegenheit, die man gern für die Wohnung des Rectors ausgeben möchte; ich möchte aber den Rector sehen, der sich so weidlich verläugnen könnte, hier für lieb zu nehmen. Auch ist es seit Menschen Gedenken noch keinem Rector eingefallen, dies Loch zu bewohnen. […]

 

Die Holzpflanzungen nach der Markenteilung

Eine Viertelstunde von Halle liegt das adliche Gut STEINHAUSEN, dem Herrn Geheimrathe von dem Bussche-Hünnefeld gehörig, wo sich der Verwalter Hofmann ein unsterbliches Verdienst durch seine ins Große gehende Holzcultur gemacht hat. Er fand nur 5 ½ Schffs. [Scheffelsaat] mit Fichten bewachsen, besäete selbst 230 Schffs. mit Edeltannen, Lerchen und Fichten, und 22 Schffs. bepflanzte er mit Eichen und Büchen. In Alleen pflanzte er 280 Stück Eberespen, die mit ihren weitwuchernden Wurzeln den Sand zum Stehen bringen, und schon reichlichen Schatten geben, und zog manchen schönen Obstbaum. […] Wer, wie ich, Steinhausen in 20 Jahren nicht gesehen hat, kennt es in seiner neuen Gestalt nicht mehr; auf dürren Sandschollen ritt ich hier vormals, jetzt war alles dunkler Wald, oder die schönsten Wiesen.

Ich hatte viel von einer excellenten Holzanpflanzung einer Franciscanermission, STOCKKÄMPEN eine Stunde von Halle, gehört, und daß der alte Pater noch lebe, dem der Orden dies Elysium zu danken habe. […] Drey Paters und ein Bruder bewohnen diese Mission; das Haus ist schlecht, die kleine Kirche artig, der Garten schön – aber der schöne große Wald, mit hübschen Gängen durchschnitten,  übertrifft die sanguinischste Erwartung. Und in dieser schönen Holzung führte mich der alte, ehrwürdige Mönch herum, dem sie ihre Existenz verdankt, und der seine Hand noch nicht zurückgezogen hat. Dies Gehölz besteht größtentheils aus Laubholze, die abgefallenen Blätter können ruhig und ungestört verwesen, und ihren Mutterboden düngen, wie es anderwärts der Fall nicht ist,  wo die Diebe das Laub stehlen, die Plaggen mähen und das Holz rauben. […]

Auf unserer Rückreise fuhren wir über TATENHAUSEN, einen artigen Rittersitz des Herrn von Schmiesing, Hofmarschall in Münster. Gern wäre ich abgestiegen, ihm, den ich persönlich kenne, meine Aufmerksamkeit und Achtung zu bezeugen; aber der Tod des Fürstbischofs hielt ihn am Hofe. Er ist ein populärer Mann, der Verdienste schätzt, wo er sie findet, und seine Frau Gemahlin eine Dame, die Töchter zu erziehen versteht, und beyde söhnen uns mit dem Adel wieder aus, der noch nicht überall weiß, was zu seinem Frieden dient. Ich sah also nur seine Holzungen, u. die Steinhaus-Hofmannschen Anpflanzungen von einer andern Seite, und freute mich des verlebten Tages.

 

Die Haller Bergwerke

Zu allen Holzanpflanzungen kömmt nun noch das neue Bergwerk, das jetzt schon eine gute Ausbeute von Steinkohlen liefert, die bessern Gehalts sind, als die Kohlen in Dornberg, ob beyde gleich in einem und ebendemselben Gebirge gegraben werden. Das Hallische Kohlenwerk liefert, wie ich muthmaße, eine reichere Ausbeute, als abgehohlt werden dürfte, und abhohlen wird man sie nicht auf die andere Seite der Bergkette um des schrecklichen Weges willen, dem ich vorhin seine verdiente Standrede gehalten habe. Sollte es indessen, mehr als bloßes Gerücht seyn, was mir eben erzählt wird, daß von Herford aus über Jöllenbeck, Werther, Halle, Versmold, nach Münster hin ein Chausseeweg angelegt werden solle: so wird die Reihe der Verbesserung auch diesen Mordweg treffen, und dann ist für den Absatz der Steinkohlen gesorgt. In der Gegend von Halle kommen diese Kohlen und der Geist des Anlegens neuer Waldungen dem geringern Preise der Brennmaterialien sehr zu statten – und doch herrscht auch hier die Wuth der Holzdiebery eben so stark, als anderswo, betrifft aber mehr die königlichen Forsten, als das Privatgehölz. […] Ueberhaupt besitzt der König im Amte Ravensberg ansehnliche Forstreviere, über 4000 Morgen groß; schade, daß sie sich so schlecht rendiren: und warum nicht? weil das Auge des Herrn nicht bis hierhin sehen kann. […]

 

Der Landschaftspark am Bergkamp

Nördlich von Halle hat der Kaufmann, Herr Clamor Friedrich Hagedorn, einen Berg auszuputzen angefangen, der es jetzt schon sehr verdient, gesehen zu werden, und künftig, wenn alles vollendet seyn wird, Fremde genug anziehen wird. Dieser wackere Mann ist von Geburt ein Bremenser; die reiche Witwe Hagedorn, […] ernannte ihn zu ihrem Universalerben, weil er ihr naher Verwandter war, und er ist es werth, der Erbe eines großen Vermögens geworden zu seyn; – doch seine Bescheidenheit und meine Freundschaft für ihn verbieten meinem Herzen, sich ganz zu ergießen.

Sein Herr Vater, ein Kaufmann in Bremen, […] der für Natur und Kunst viel Sinn, und keinen gemeinen Schnellblick haben muß, erbat sich von Mad. Hagedorn den Bergtheil, der 15 Scheffs. enthielt, um ihn zu seinem Vergnügen in eine Lustparthie umzuschaffen, erhielt ihn, und ihn kann man als den Anleger und Angeber derselben und der weiteren Projecte ansehen. Im August desselben Jahrs [1791] schuf er schon die lange Büchen-Allee vor dem Berge, beschäftigte sich mit Anlegung der Wege im Berge und mit der großen Treppe, die steil hinauf zum Pavillon auf der Höhe führt, den man noch jenseits Marienfeld, und überhaupt sehr weit sehen kann, mit der in einen Felsen gehauenen Grotte, und mit Anlegung und Aufräumung des Fichtenhains, in welchem jetzt die Urne der verstorbenen Eheleute Hagedorn, der Wohlthäter des jetzigen dankbaren Besitzers, mit Trauerweiden umgeben, steht. […] Um der leidenden Armuth Verdienst zu geben und manchen Menschen vor dem Hungertode zu schützen, ließ nun Herr Hagedorn wieder fleißig arbeiten, um die neu erworbenen 27 Scheffs. mit dem Ganzen in Verbindung zu bringen, und umzuschaffen. Mancher Hallischer Bürger erzählte mir diese edele, zweckmäßige Wohlthätigkeit mit noch gerührtem Herzen, und ich habe keinen gefunden, der den Edeln beneidete, auch habe ich keine hämische Randglossen über die Berganlage überhaupt gehört; man kann also dem Neide entgehen, wenn man ihm mit Edelmuth begegnet, wenigstens manchem Neider; denn jedem Neidhammel und Schurken auszuweichen, ist unmöglich. In eben diesem 95sten Jahre ward auch der Brunnen an der Mitte der Höhe des Berges durch Bergleute gemacht, über welchen 1796 die Wohnung des Gärtners errichtet ward. […] In diesem 1801sten Jahre ward an die Gärtnerwohnung ein neuer Flügel gebaut, eine angenehme Wohnung für Herrn Hagedorn, wenigstens einstweilen, und irre ich nicht ganz, so wird sie heute den 7ten Octob., seinem Geburtstage, durch ein kleines Fest eingeweiht.

Schon unten am Fuße des Berges empfängt uns eine Allee von Obstbäumen, und führt zur Gärtnerwohnung, ein lebhafter Gesichtspunct mit ihrem hellrothen Ziegeldache. […]

Künftig wird Hr. Hagedorn das angefangene massive Haus ausbauen lassen; nach der Lage wird es den alten Raubschlössern ähneln, die von den Ahnen unsers Adels bewohnt wurden, und guten Reisenden so gefährlich waren; nach seinem Zwecke wird es dem Frieden, der Bruderliebe u. der Gastfreundschaft heilig seyn, und Hagedorn‘s Nachkommen werden nur geehrt werden, wenn sie seine Tugenden geerbt haben.

Im Pavillon auf der Bergspitze entsteht ein Tisch mit einer bereits gegossenen zinnernen Plate, auf welche alle Oerter nach der Richtung eingegraben werden sollen, wie man sie von dieser hohen Zinne entdecken und sehen kann. 34 Kirchthürme kann man hier unterscheiden,  die Thürme von Münster und Hamm sind die entferntsten; man sieht auch die nahgelegenen Berge bey Cassel. Hr. Hagedorn hat jetzt eben wieder ein neues Stück Land acquirirt, dies macht einige Abänderungen beym Eingange nothwendig; im künftigen Sommer wird also wieder stark gearbeitet werden, und dieser Sommer wird neue Arbeiten für die künftigen bestellen. Hoffentlich werden unsere Freunde der schönen und durch die Kunst erhöhten Natur unter die schönsten Ansichten Deutschlands künftig auch diese mitrechnen, und sie durch ihren Griffel ehren.

miscuit utile dulci.[3]

Hr. Hagedorn hat über dem Angenehmen das Nothwendige und Nützliche nicht vergessen; schon die Bergspitze verspricht ihm  künftig viel Brennholz, aber auch in der sandigen Pläne, an der andern Seite der Stadt, am Postwege nach Versmold, hat er große Holzanlagen gemacht. […]

 

Abschiedsworte

Und nun, mein bester Doktor! wissen Sie von Halle mehr, als mancher Hallenser selbst, ich habe Ihnen das Gute und Unvollkommene gesagt;  das erstere ist bey weitem das Mehreste, und mir haben die Einwohner im Ganzen eben so gut gefallen, als ihr niedliches Städtchen. Meinen Freunden danke ich herzlich für die Liebe, mit welcher sie mich aufnahmen, und erlebe ich es noch, daß Friedrich II. in seiner Nische steht, u. die geographische Tafel fertig ist, so komme ich wieder, noch einmal so selige Tage zu genießen.

 

J.M.S“

[1] Die Gliederung mit Zwischenüberschriften und die Großschreibung von Eigennamen soll dem leichteren Überblick dienen, entspricht aber ausdrücklich nicht dem Original.

[2] In dieser Zeit fanden besonders in England die ersten Versuche einer Pockenschutzimpfung statt.

[3]  Hier zitiert Pastor Schwager den römischen Dichter Horaz:Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci“ (Allen Beifall gewinnt, wer das Nützliche unter das Süße mischt).