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AusstellungZeitRaum 3 NationalsozialismusThemenwand Das Regime Metallsammlung der NSDAP – Friedhofskreuze

Metallsammlung der NSDAP – Friedhofskreuze

Papier | 24. Dezember 1938
Leihgabe des Landeskirchenarchivs

„…ohne falsche Sentimentalitäten“ führte der NS-Staat seit 1938 großangelegte Metallsammlungen durch. Dabei streckte die Partei ihre Hand auch nach kirchlichem Besitz und privatem Eigentum aus. „Erfasst“ wurde alles – mit dem Ziel, es später „entfernen“ zu können.

In diesem Schreiben wird die evangelische Kirchengemeinde Halle aufgefordert, eine Liste aller Friedhofskreuze und -zäune aus Metall zu erstellen – und zwar am Heiligabend 1938. Hier erfahren Sie

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Exponat: Metallsammlung der NSDAP – Friedhofskreuze

NSDAP demonstriert ihre Macht

Zufallsfund im Landeskirchenarchiv zu Nationalsozialismus in Halle

Die Pogromnacht vom 9. November 1938 lag erst wenige Wochen zurück. Reichsweit hatten Nationalsozialisten Synagogen angezündet, Geschäfte zertrümmert und jüdische Männer verhaftet, so auch den Haller Moritz Isenberg, der vorübergehend ins KZ Buchenwald verschleppt wurde.

Nun ging es auf Weihnachten zu, und Halle lag unter einer dichten Schneedecke. Am Heiligabend 1938 ereignete sich eine Machtdemonstration der NSDAP gegenüber der Kirche — in aller Stille.

Wie auf diesem Bild von 1909 sah die St. Johanniskirche auch Heiligabend 1938 noch aus. Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.).

Diensteifrig - der neue NSDAP-Ortsgruppenleiter

Der gerade erst eingesetzte Ortsgruppenleiter der NSDAP, Anwalt Dr. Erich Läcke, forderte die evangelische Kirchengemeinde Halle an diesem 24. Dezember auf, alle auf den Friedhöfen befindlichen eisernen Gitterzäune und Kreuze aufzulisten. Ziel war die „Entfernung eiserner Einfriedigungen und Grabkreuze auf den Friedhöfen“. Die Liste war ihm bis zum 5. Januar des nächsten Jahres zuzusenden, einschließlich der Grabnummern und  Besitzer.

Wie er selbst bemerkte, war Geltungsbereich des NSDAP-Ortsgruppenleiters die Stadtgemeinde. Mit seiner Forderung jedoch streckte er die Hand nach den kirchlichen Friedhöfen und ihren weitgehend privaten Erbbegräbnissen aus. Die Frist war zudem denkbar kurz und nahm auf die Weihnachtszeit keinerlei Rücksicht.

 

Die Kirche parierte…

Kurz zuvor hatte der nationalsozialistische Reichsarbeitsdienst den Kirchplatz parkähnlich bepflanzt und gestaltet. Stand man in der Pflicht? Die Kirchengemeinde erstellte also ein solches Verzeichnis mit 32 Benennungen für den alten Friedhof an der Bahnhofstraße (Friedhof I) und 5 Benennungen für den Friedhof an der Alleestraße (Friedhof II). Allerdings sind nicht alle für die Erhebung in Frage kommenden Grabstellen erfasst worden. So fehlen zum Beispiel die von Pastor Steller und der Familie von Gerichtsdirektor Heidsieck auf dem alten Friedhof. Der neue Friedhof an der Bielefelder Straße (Friedhof III von 1893) wurde übrigens nicht berücksichtigt.

Was im Betreff des Briefes mit dem Wort „Entfernung“ gemeint ist, wird nicht näher ausgeführt. Auch wird kein Grund für die „Entfernung“ genannt.

Eisenkreuz auf dem Alten Friedhof an der Bahnhofstraße im Sommer 1955. Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.).

Christliche Zeichen der Trauer nur „Altmetall“?

In Halle und Umgebung lief seit dem Herbst 1938 eine großangelegte Altmetallsammlung der NSDAP — wie im Archiv des Haller Kreisblatts nachzulesen ist.[1] Seit Gründung der „Reichswerke Hermann Göring für Erzbergbau und Verhüttung“ 1937 wurden Metallsammlungen zur nationalen Aufgabe erklärt.[2] „Devisen sparen, Rohstoff erhalten, Rohstoff wiederverwerten — dieser Grund steht hinter den Sammelaktionen.“, erläuterte die Partei im Haller Kreisblatt.[3]

Haushalte und Betriebe waren aufgefordert, sämtliches Altmetall zur Verfügung zu stellen „ohne falsche Sentimentalitäten“[4]! Die SA holte den bereitgestellten Schrott ab, zum Beispiel am 25. Oktober in Kölkebeck.[5]

Der Staat „erfasste“ in allen Bereichen seine Ressourcen.   Ortsgruppenleiter Läcke „erfasste“ diensteifrig Halles Schrott — ohne Sentimentalitäten. Christliche Zeichen der Trauer gehörten dazu.

Eisengitter als Einfriedung - Das Grab des Pastors Gustav Steller auf dem Alten Friedhof. Foto: Wolfgang Kosubek

Metall für den Krieg

Sammelaktionen hat es in beiden Weltkriegen gegeben. Immer mangelte es an Rohstoffen, Kleidung, Lebensmitteln und Geld. Zunächst wurde das Volk noch zu freiwilligen Schmuck-, Gold-, und Edelmetallspenden aufgerufen. Erst 27. März 1940 erließ Göring den Aufruf zur Metallspende des deutschen Volkes. Anlass war der Geburtstag des „Führers“ am 20. April 1940. Der Aufruf richtete sich an Kommunen, Firmen, Vereine, Kirchengemeinden usw. Von Friedhöfen wurden bronzene Engel, Kreuze und andere Grabausstattungen, wie schmiedeeiserne Zäune, eingezogen. Wer sich an Spenden bereicherte, oder sie dem Verwendungszweck entzog, hatte die Todesstrafe zu erwarten.[6]

 

Wie es weiterging…

Auf Friedhof I wurden keineswegs alle erfassten eisernen Objekte entfernt. Dagegen sind die 1938 auf Friedhof II erfassten Grabanlagen vollständig beseitigt. Fraglich ist, was mit den heute nicht mehr vorhandenen Grabkreuzen und -zäunen geschehen ist und warum nicht alle „entfernt“ wurden.

Offen bleibt vor allem die Frage, ob diese Machtdemonstration der NSDAP gegenüber der Kirche — nicht zufällig am Heiligabend — eine Vorgeschichte hat.

Sollten Sie etwas darüber etwas wissen, melden Sie sich gern!

 

Wolfgang Kosubek

November 2017

 

 

 

Museum Haller ZeitRäume

Bahnhofstraße 17

33790 Halle/Westfalen

post@haller-zeitraeume.de

Museumssprechstunde samstags 10-12 Uhr

 

 

 

 

[1] Vgl. Haller Kreisblatt vom 25. Oktober 1938 sowie von 12. Januar 1939.

[2] LeMO, lebendiges Museum Online – Der Zweite Weltkrieg ‚Industrie und Wirtschaft‘; URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/industrie-und-wirtschaft.html  [online am 4. November 2017].

[3] Haller Kreisblatt vom 12. Januar 1939.

[4] Haller Kreisblatt vom 12. Januar 1939.

[5] Haller Kreisblatt vom 25. Oktober 1938.

[6] Dr. Oliver Gußmann/Wolf Stegemann [Hg.]: Rothenburg unterm Hakenkreuz und die Jahre danach; URL: http://www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de/metallspende-des-deutschen-volkes-wer-sich-privat-am-metall-bereicherte-wurde-mit-dem-tode-bestraft-kirchenglocken-von-st-jakob-blieben-der-stadt-erhalten/ [online am 4. November 2017].

 

Nicht alles wurde erfasst und entfernt. Gitter des Begräbnisses Böckmann auf dem Alten Friedhof. Foto: Wolfgang Kosubek.