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AusstellungZeitRaum 3 NationalsozialismusThemenwand Der Krieg Stanniolstreifen

Stanniolstreifen

Papierstreifen, metallisch bedampft | 1943
Haller ZeitRäume

Das Wrack des nahe der „Kaffeemühle“ abgestürzten Halifax-Bombers war im Winter 1943/44 geborgen worden, doch der Boden blieb übersät mit kleineren Trümmerteilen und Stanniolstreifen. Genauer gesagt handelte es sich um metallisch glänzenden Papierflitter, zu Bündeln gepackt. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Silberstreifen im Volksmund „Lametta“ genannt. Was es mit dieser „Geheimwaffe“ des Luftkriegs auf sich hatte, beschreiben wir unter

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Details und Hintergründe

Das Lametta des Krieges

Geheimnisvolle Funde am Knüll bei Halle/Westfalen

Hintergrundwissen zum Halifax-Absturz 

Lametta ― jedes Jahr zur Weihnachtszeit ist es wieder ein Thema: glitzernde Fäden am Weihnachtsbaum, verbunden mit Gedanken an Familie, Kerzenschein und Geborgenheit. Aber die deutsche Sprache ist bei genauem Hinsehen voller Doppeldeutigkeiten. So beschrieb der Begriff „Lametta“  beispielsweise auch die glänzenden Orden an der Brust eines Kriegshelden oder Stanniolstreifen, die aus Militärflugzeugen abgeworfen wurden. Um letzteres, das „Lametta“ des Krieges soll es im Folgenden gehen.

Der zehnjährige Mats aus Hörste hat an der Absturzstelle des britischen Halifax-Bombers, der im Dezember 1943 am Knüll nahe der „Kaffeemühle“ einschlug, immer wieder kleinere Wrackteile gefunden. Zuletzt waren darunter auch einige schon stark verwitterte Stanniolstreifen, oder genauer metallbedampfte Papierstreifen, die bei genauerem Hinsehen noch matt glänzen. Worum handelt es sich bei diesen merkwürdigen, so harmlos aussehenden Streifen?

Erstaunlich gut erhalten: Metallisch bedampfte Papierstreifen. Fund an der Absturzstelle des Halifax-Bombers in Halle/Westfalen. Foto: Haller ZeitRäume.

In der Endphase des Zweiten Weltkrieges hatten die Alliierten (hier Großbritannien und USA) die Strategie entwickelt, durch große Flächenbombardements insbesondere die „Moral“, also den Durchhaltewillen, der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen. Eine deutsche Großstadt nach der anderen versank im Bombenhagel aus teils mehr als tausend Flugzeugen in Schutt und Asche. Zehntausende Menschen kamen noch in den letzten Kriegsmonaten ums Leben. Die Deutschen wehrten sich mit Flakgeschützen, Tag- und Nachtjägern gegen die einfliegenden Bomber. Um die angreifenden Flugzeuge aufzuspüren, half ihnen eine neue Technologie: Radar ― von den Deutschen damals „Funkmess“ genannt.

Schon früh erkannten alle Kriegsparteien, dass man die sensible Ortungstechnik stören konnte. Da diese auf der Reflexion von Funkwellen beruht, konnte man die Systeme – wenn auch mit hohem Aufwand – mit teils Millionen von freigesetzten Metallstreifen quasi blenden, anfliegende Bomber konnten dann nicht mehr geortet werden. Große Mengen solcher Streifen reflektieren elektromagnetische Impulse. Wenn ein Radarstrahl das Material trifft, wirken die Fäden als Reflektoren und senden einen Teil der Strahlung zurück. Am effektivsten ist diese Reflexion, wenn die Fäden halb so lang sind wie die verwendete Wellenlänge des Radargeräts.

So beschaffenes Papier war perfekt, um die gegnerische Aufklärung zu stören: Die Streifen erzeugten einen Radarreflex wie ein schwerer Bomber. Ein Teil des britischen Militärs lehnte den Einsatz jedoch lange Zeit ab. Man wollte dem Feind diese leicht zu kopierende Störtechnik, im Englischen als „Windows“ bezeichnet, nicht zu früh verraten. Dabei war den Deutschen diese Geheimwaffe unter dem Tarnnamen „Düppel“ schon seit 1942 bekannt. Auch sie setzten die Störtechnik jedoch noch nicht ein, aus Angst, der Gegner könne sie gegen das eigene Land verwenden.

Erst nachdem gefährlich viele britische Bomber von den Deutschen abgeschossen wurden, befahl der britische Premierminister Winston Churchill 1943 die Verwendung – zu einem Zeitpunkt, als „Windows“, eigentlich schon ein Jahr lang einsatzbereit war. Erstes Opfer dieser sehr erfolgreichen Radarstörung war die Stadt Hamburg. Im Rahmen der „Operation Gomorrha“, am 24. Juli 1943, entfachten die Alliierten einen Feuersturm. Mehr als 40.000 Hamburgerinnen und Hamburger wurden von Trümmern erschlagen oder verbrannten.

 

Ein halbes Jahr später, am 29. Dezember 1943 dann, starteten mehrere hundert Bomber vom englischen Snaith, um Berlin zu bombardieren. Unter den Flugzeugen war auch die Halifax-Maschine vom 51. Schwadron, welche an diesem Abend am Knüll in Halle/Westfalen abstürzte. Aber das ist eine eigene Geschichte. Es blieben von dem Flugzeug nur Trümmer übrig. Und in diesen Trümmern fanden sich die „Windows“-Täuschmittel, die, so darf man vermuten, wohl zur Radarabwehr beim Angriff auf Berlin hätten eingesetzt werden sollen. Mats aus Hörste hat sie im Haller Stadtwald gefunden.

Vielleicht wissen Sie mehr darüber oder haben Erinnerungen an die damaligen Ereignisse. Lassen Sie es uns wissen !

 

Stefan Plogmann im Dezember 2020

Abwurf "Düppel" zur Radarstörung aus einer Lancaster-Maschine im Oktober 1944. Foto: Royal Air Force, gemeinfrei.