Zur „Deutschen Frauenhaar-Sammlung“ rief das Deutsche Rote Kreuz im März 1917 auf: „Sammelstelle bei Frl. Landwehr am Kirchplatz“. Die Wirtschaftsblockade der Alliierten zeigte Wirkung: Kamelhaar etwa war kaum mehr zu bekommen. Für kriegswichtige Zwecke wie den U-Boot-Bau bewährte sich Frauenhaar als Ersatz. Es wurde von Fräulein Landwehr in speziellen Säckchen an die DRK-Sammelstelle in Magdeburg geschickt. Vor allem Schulmädchen sammelten und opferten auch selbst ihre Zöpfe dem Vaterland – solche wie diesen aus einer späteren Zeit.
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Durch Schiffe und Minen hatte die britische Flotte im November 1914 eine Seeblockade errichtet. Deutschland war von allen Rohstofflieferungen über die Nordsee abgeschnitten.
Dies betraf unter anderem Baumwolle, Düngemittel, Kautschuk und Metalle. Für diese Rohstoffe wurden in Deutschland verzweifelt Ersatzstoffe gesucht und in der Bevölkerung gesammelt. Unter anderem fehlte es an Kamelhaar, aus dem Filzplatten, Treibriemen und Dichtungsmaterial für den U-Boot-Bau gefertigt wurden. Als Ersatz nutzte die deutsche Industrie Menschenhaar, das über das Deutsche Rote Kreuz gesammelt wurde. Mit Hilfe von Plakaten und Zeitungen bat das DRK um Spenden. So rief auch das Haller Kreisblatt am 6. März 1917 Haller Frauen und Mädchen dazu auf, sich an der „Deutschen Frauenhaarsammlung“ zu beteiligen.[1]
Ausgekämmtes und abgeschnittenes Haar konnte im Geschäft Landwehr am Kirchplatz abgegeben werden. Fräulein Landwehr verpackte das Haar in speziell angefertigte Säckchen und schickte diese an die Sammelstelle des Roten Kreuzes in Magdeburg.[2] Mädchen und junge Frauen waren sogar bereit, als patriotische Tat ihre langen Zöpfe abzuschneiden. Da dies verhindert werden sollte, nahm das Rote Kreuz nur Ausgekämmtes von ihnen an.
So kamen hunderttausende Kilo Haar für die Kriegsindustrie zusammen. Ab 1917 setzte Deutschland verstärkt auf U-Boot-Bau und U-Boot-Krieg, um die Seeblockade zu brechen. Denn die deutsche Bevölkerung hatte im zurückliegenden „Steckrübenwinter“ 1916/17 lebensgefährdenden Hunger erlebt – eine „psychische Grenzerfahrung“, die viele nie mehr vergessen sollten. Die Regierung fürchtete zu Recht Hungeraufstände und sah die Lösung im Seekrieg gegen England. Genau in diese Zeit fiel der Aufruf zur „Sammlung von Frauenhaar als Kriegsrohstoff“ im Haller Kreisblatt.
Dr. Katja Kosubek
[1] Haller Kreisblatt vom 6. März 1917.
[2] Deutsches Rotes Kreuz, 150 Jahre DRK, 1917 Grundsätze vs. Patriotismus; URL:http://www.150jahre.drk.de/event/
Grundsaetze_vs_Patriotismus [online am 22. März 2014]. Andernorts organisierten die Vaterländischen Frauenvereine die Sammlungen und gaben Sammelbeutel aus, so etwa in Dithmarschen. Vgl. Kanal-Zeitung vom 10. Mai 1918.