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Geschichtspfad Alter Friedhof

Im weiten Umkreis hat der Alte Friedhof in Halle besondere Bedeutung: Es ist eine wenigen, fast unverändert erhaltenen „modernen“ Friedhofsanlagen, die um 1820 überall in Preußen eingerichtet wurden.
Der Geschichtspfad erzählt die Schicksale der Menschen, die hier bestattet sind, ihre Verwobenheit mit der Geschichte ihrer Stadt und ihrer Zeit. Begegnen Sie „Oma Pahde“ und Pastor von Cölln oder den vielen „namenlosen“ Kindern, die hier zur letzten Ruhe gebettet wurden.

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Station 1

Das „Feld der Namenlosen“

In der Mitte des Friedhofs liegt ein „Feld der Namenlosen“ – unmarkierte Reihengräber unter der Rasenfläche. Hier wurden all jene beerdigt, die sich kein Erbbegräbnis leisten konnten. Die Menschen starben am „Schlagfluss“, „im Kindbette“ und an Infektionskrankheiten wie der Tuberkulose. Auch die Trunksucht und Unfälle forderten ihren Tribut. Die Totenfürsorge übernahmen die Familie und die Nachbarn.
Während der Belegungszeit des Friedhofes wurden hier über 2.000 Menschen bestattet.

Station 2

Familie Simon – Gastwirte

Großartige Feste feierte man in Halle im Saal des Hotels „Deutsches Haus“. Hochzeiten, Konzerte und das Festessen zum Kaisergeburtstag fanden hier statt. Der Gastwirt Johann Heinrich Simon eröffnete 1831 den ersten Schankbetrieb am Haller Lindenplatz. Hier führte die Chaussee Osnabrück-Brackwede entlang – eine gute Lage. Zuvor waren Johann Heinrich und seine Ehefrau Dorette auf Schloß Steinhausen beschäftigt gewesen: er als Diener und sie als Köchin. „Sommerfrischler“ und Geschäftsreisende zählten zu den Gästen.

Station 3

Bäuerliche Erbbegräbnisse

Wer Wohlstand und Ansehen genoss, erwarb ein Erbbegräbnis für seine Familie. Dazu gehörten auch die Besitzer der alten, großen Höfe in den Bauerschaften rund um Halle. Ihre Grabstätten liegen nahe beieinander. So blieben die Eggeberger Familien auch im Tode Nachbarn, nicht anders die Familien aus Ascheloh, Hesseln oder Bokel. Das Foto zeigt Familie Wesselmann um 1912 vor ihrem Hof in Eggeberg. Die Töchter Minna und Marie haben sich ausgesprochen gut gekleidet, Sohn Willy zeigt sich durch Schülermütze und Fahrrad als Eleve der Höheren Privatschule in Halle.

Station 4

Heinrich Strakerjahn

Mit großem sozialen Einsatz unterrichtete Rektor Heinrich Strakerjahn (1856-1943) in Lübeck behinderte Jungen und Mädchen. Er forderte die Einführung der Schulpflicht auch für diese Kinder und gilt damit als Pionier der Sonderpädagogik. Im Ruhestand kehrte Strakerjahn nach Halle zurück.
Als die Haller NSDAP 1937 unterstellte, das Hagedorn-Denkmal am Bergkamp trage freimaurerische Symbole, und mit der Zerstörung drohte, widerlegte der ehemalige Schuldirektor in einem mutigen Brief die nationalsozialistische Deutung und rettete damit das Erinnerungszeichen.

Station 5

Anneliese Schwabedissen

„Infolge Feindeinwirkung“ starb die Lehrerin Anneliese Schwabedissen, geb. Stute, am 10. April 1944. Was war geschehen?
Anneliese hatte 1937 den jungen Lehrer Schwabedissen aus Werther geheiratet und beide lebten zunächst in Wilhelmshaven. Da durch den Kriegsbeginn die Lage in den Hafenstädten zunehmend bedrohlich wurde, fand sie Aufnahme bei den Schwiegereltern in Werther. Hier wurde ihr Sohn Harald geboren. Kurz nach der Geburt ihres zweiten Sohnes Enno im März 1944 musste sich die junge Mutter nochmals in das Haller Krankenhaus begeben. Plötzlich dröhnte ein britischer Bomber im Tiefflug über das Gebäude. Anneliese versuchte in Panik, sich in Sicherheit zu bringen. In der Folge erlitt sie eine Embolie, an der sie starb.

Station 6

Mathilde Böckmann

Eine Stiftung für Kinder, die an Tuberkulose oder Skrofulose erkrankt waren richtete Ernst Böckmann 1911 im Namen seiner Mutter Mathilde Böckmann, geborene Graebe (1839-1910) ein. Aus den Zinsen konnte den kleinen Kranken ein Kuraufenthalt ermöglicht werden, beispielsweise im Kinderheim Rothenfelde (Foto). Mathilde Böckmann war eine jüngere Schwester zu August und Ernst Graebe, die das Haller Krankenhaus und die Höhere Privatschule in den Jahren 1903 und 1906 mit großzügig unterstützten. Durch die „Graebestraße“ erinnert die Stadt Halle an die Geschwister.

Station 7

Carl Heinrich Brune

Als Kaufleute, Bäcker, Pastoren oder Beamte lebten die Brunes schon vor 400 Jahren in Halle. Mehrmals stellten sie den Bürgermeister.
Der Kaufmann C. H. Brune (1856-1936) führte ein Kolonialwarengeschäft. Dinge aus Übersee waren hier zu bekommen, aber auch Wäsche, Feuerlöscher und kleine Mengen Dynamit… Die Werbung für MiniMax Feuerloscher prangte an seiner Kutzsche. Das Dynamit fürte er den Kunden in seinem eigenen Garten vor, indem er damit Pflanzlöcher für Bäume sprengte.

Daneben regte Brune an, eine höhere Schule in Halle einzurichten und sorgte als Mitgründer des „Verschönerungs-Vereins“ dafür, dass der Bergkamp rund um die Kaffeemühle wieder einem Park ähnlich wurde. Die Kinder machte er durch eine Rodelbahn im Wald glücklich …

Station 8

Familie Kisker

Familie Kisker ist seit 1732 in Halle ansässig. Die Generationen betätigten sich zunächst als Kaufleute, später als Unternehmer in der Tabak-, Spirituosen und Lederbranche.
Anton Daniel Kisker erbte 1803 die Lohgerberei und begründete die Haller Lederindustrie (Foto: Lederfabrik Bergenthal).
Er ließ diese Ruhestätte einrichten und liegt hier mit seiner Frau begraben. Seine Söhne Julius und Florenz, die ebenfalls hier beigesetzt sind, erhielten als Erbteil den sogenannten Bergkamp mit drei Wohnhäusern und dem Aussichtspavillon Kaffeemühle. Sie vermachten den gesamten Besitz schon zu Lebzeiten (1860) der Stadt Halle. Anton Daniels Firmennachfolger, Sohn Carl, und dessen Ehefrau Bertha sind auf einem Grabfeld in der Nähe bestattet. Eine Schwester Anton Daniels, Franziska Kisker, wurde die Ehefrau von Carl-Heinrich Brune. Es war eine der zahlreichen Verbindungen zwischen den historisch bedeutendsten Familie der Stadt. Franziska fand ihre letzte Ruhe auf der nebenliegenden Erbgrabstätte der Familie Brune.

Station 9

Hildegard Henrichsen

„Fräulein Henrichsen“ hatte viele Kinder: Mädchen und Jungen, die sie ins Zeltlager begleitete, mit denen sie sang, Krippenspiele einübte oder den Katechismus paukte. Als Jugendpflegerin des evangelischen Kirchenkreises bildete Hildegard Henrichsen (1904-1990) auch Nachwuchskräfte aus, gerade nach dem Ende der NS-Jugendorganisationen 1945 war dies eine verantwortungsvolle Aufgabe.
Die Familie Henrichsen lebte seit mehreren Generationen im Ackerbürgerhaus Bahnhofstraße 2 in Halle. Hildegards Vater war Kaufmann, ihr Großvater war Böttchermeister. Als letztes Familienmitglied wurde Hildegard Henrichsen bei ihren Angehörigen auf dem Alten Friedhof beigesetzt.

Station 10

Marie Pahde

Die Prinzipalin und Seele der Bäckerei Pahde, Marie Pahde (1848-1951), feierte ihren 100. Geburtstag im Jahr 1948. An diesem besonderen Tag wurde sie mit einen Festgottesdienst in der St. Johanniskirche geehrt, und sogar der Rundfunk berichtete aus Halle. Maries Ehemann war bereits 1882 als werdender Vater verstorben. Daraufhin führte Marie Pahde die Bäckerei allein weiter. Sie engagierte sich im Vaterländischen Frauenverein, der im Ersten Weltkrieg… …mit dem Roten Kreuz zusammenarbeitete. Ihr Selbstbewusstsein und ihr Mutterwitz waren stadtbekannt.
Mit 103 Jahren fand Marie Pahde an der Seite ihres Ehemannes die letzte Ruhe. Auf dem Nachbargrundstück des Friedhofes (ehemals Steinmetzbetrieb Schmidt) entstanden im Jahr 2002 mehrere Wohnhäuser. Um in der Sichtachse der Balkons eine parkähnliche Kulisse zu schaffen, wurden etwa 50 historische Gräber abgeräumt, auch das von Marie Pahde. Ein wesentlicher Teil des bis dahin fast vollständig erhaltenen, kulturgeschichtlich bedeutsamen Friedhofes ist seitdem zerstört.

Station 11

Wilhelm Schmidt

Beim Einmarsch amerikanischer Truppen am Ostermontag 1945 starb Steinmetz Wilhelm Schmidt (geb. 1885) durch eine Gewehrkugel. Als die von Süden heranrollende US-Militärkolonne den Haller Bahnhof erreicht hatte, eröffnete sie heftiges Maschinengewehrfeuer. In Schmidts Garten befand sich ein Erdbunker, den die Familie bei Gefahr stets aufsuchte. Vater Wilhelm geriet in den tödlichen Kugelhagel. Diese Begräbnisanlage mit zwölf Lagern hatte der Firmengründer Heinrich Schmidt 1932 gekauft. Im Jahr 1933 wurde er dort als Erster bestattet. Das Erbbegräbnis hatte vorher zum Besitz der Adelsfamilie von dem Bussche-Streithorst gehört, die in Halle auf Schloß Steinhausen wohnte.

Station 12

Familie Wichmann

Eine alte Haller Glaser- und Malerfamilie waren die Wichmanns, denen zwei Fachwerkhäuser an der Langen Straße (Ecke Bismarckstraße) gehörte. Im Jahre 1894 wurde der Kunstmaler Julius Wichmann geboren. Er verlebte seine Jugend in Halle und kehrte nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Hier portraitierte er Haller Bürger, wie etwa 1924 den jungen Karl Elsner. Als der Kreis Halle 1925 ein neues Kreishaus einweihte (heute Rathaus I), schmückten einige Werke Wichmanns die Innenräume. Während des Zweiten Krieges wohnten er und seine Frau, die Künstlerin Renate Geisbert, mit ihren beiden Söhnen in Borgloh, wo Wichmann Ölgemälde der hügeligen Landschaft unter weitem Himmel schuf. Seinen Lebensabend verbrachte der Künstler in Berlin, wo er auch 1965 starb. So wurde er dort und nicht im Erbbegräbnis seiner Familie beigesetzt.

Station 13

Pastorengräber

Der aus Werther stammende Pastor Ludolph Hörmann (1757-1828) studierte in Halle/Saale und war zunächst Schulrektor in Halle/Westfalen. Nachdem er 1795 das Amt des Pastors erhalten hatte, ließ er sich 1815 ein großzügiges Pfarrhaus in Gartnisch erbauen, in der heutigen Straße „Beckers Garten“. Ludolph Hörmann war zweimal verheiratet und Vater von acht Töchtern. Zwei von ihnen waren nacheinander mit dem Pastor Theodor Schrader in Hörste verheiratet. Aus der zweiten Ehe stammt die plattdeutsche Dichterin Minna Schrader (1850 – 1902). Hörmann hatte sein Pfarrstelle mehr als 30 Jahre inne. Entschieden trat Hörmann für die Beibehaltung des alten Friedhofes auf dem Kirchplatz ein – vergeblich. Als er im September 1828 starb, fand er hier auf dem „modernen“ Friedhof als einer der ersten seine letzte Ruhe. Auf den benachbarten Erbbegräbnissen sind weitere Haller Pastoren bestattet: Pastor Johann Theodor von Cölln und sein Schwager Pastor Wilhelm Passavant aus Bremen. A ußerdem Pastor Karl Gustav Steller sowie Pastor Heinrich Heidsiek.

Station 13b

Pastorengräber

Karl Gustav Steller
Pastor Steller wurde 1804 in Enger geboren. Wie viele Pastoren hatte er an etlichen Orten gelebt, bevor er eine Pfarrstelle erhielt: da waren der Internatsbesuch in Halle/Saale, sein Studium in Berlin und Münster und die Zeit als Hauslehrer in Letmathe. Steller kam 1833 nach Halle. Hier war er Pfarrer und Superintendent bis zu seinem Tod im Jahre 1870. Verheiratet war der Pastor mit Luise Buddeberg, der Tochter des hiesigen Schulrektors. Familie Buddeberg besaß ein Waldbegräbnis am Lotteberg.Johann Theodor von Cölln
Als junger Mann kämpfte er in Waterloo gegen Napoleon, später wurde er Pastor in Halle: Theodor von Cölln (1793-1871). Die von Cöllns waren eine regelrechte „Pastorendynastie“ aus Oerlinghausen. Der 1793 geborene Theodor stand bis zu seinem 25. Lebensjahr als Leutnant in Fürstlich Lippischen Diensten. Anschließend begann er sein Theologiestudium. Als Pfarrer in Halle wurde er 1842 eingeführt. Theodor von Cölln und seiner Ehefrau Charlotte Evers, auch sie stammte aus Bremen, wurden vier Kinder geboren, bevor Charlotte 1840 starb. Sara, die einzige Tochter, blieb unverheiratet. Sie ist an der Seite ihres 1871 verstorbenen Vaters beigesetzt.

Station 14

Hermann Poggenwisch

Der junge Soldat Hermann Poggenwisch starb im Ersten Weltkrieg auf französischem Boden in der Stellung „Toter Mann – Höhe 304“. Dieser Höhenzug liegt an der Maas, nahe Verdun. Er war strategisch wichtig als Beobachtungs- und Artilleriestützpunkt. Im Frühjahr 1916 fand hier eine der brutalsten und blutigsten Schlachten statt. Hermann gehörte einem Regiment an, welches hangaufwärts die „Höhe 304“ erobern sollte. Das Artilleriefeuer riss tiefe Krater und trug die Kuppe des Höhenzuges um mehrere Meter ab, die sterblichen Überreste der Soldaten wurden nach Kriegsende tief aus dem Boden geborgen. Der 20-jährige Hermann Poggenwisch vom Hof Bokel Nr. 2 starb am 21. Mai 1916 durch einen Kopfschuss.

Station 14b

Fritzchen Poggenwisch

Einen weiteren Schicksalsschlag erlebte Familie Poggenwisch eine Generation später. Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Mai 1949, wurde die Scheune des Bokeler Hofes aufgeräumt, um dort Turnierpferde unterzubringen. Dabei kam unter dem Stroh in einer Futterkrippe auch ein verrostetes Rohr zu Tage. Niemand bemerkte, dass es sich um ein geladenes Panzerfaustrohr handelte, zurückgelassen von deutschen Soldaten bei Kriegsende. Der einzige Sohn des Bauern, der siebenjährige Fritz, entdeckte den Gegenstand und untersuchte ihn neugierig – die Treibladung zündete und zerriss das Kind. Die Familie beerdigte „Fritzchen“ auf dem Begräbnis der Großeltern auf dem Alten Friedhof in Halle. Der Name Poggenwisch ging mit dem kleinen Hoferben verloren.

Station 15

Familie Hollmann

An „ihrem“ Schlagbaum hat sich die Familie des Gastwirts Hollmann für ein Erinnerungsfoto aufgestellt. Die Schranken, an denen vormals Chausseegeld bezahlt werden musste, wurden ab März 1922 an abgeschafft, so hatte es der Kreistag beschlossen. Fünf Schlagbäume gab es an den Einfallstraßen nach Halle, jeweils mit einer Gastwirtschaft, in der man sich aufwärmen oder erfrischen konnte. Auch für die Pferde wurde natürlich gesorgt. Das Gasthaus Hollmann lag an der damals noch dicht mit Linden bestandenen Alleestraße. Dies war die wichtige, alte Poststrecke von Halle über Versmold und Warendorf nach Münster.