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ZeitRaum 6 Volldampf voraus!Themenwand Neue Wege & Ämter Lindenalleen

Lindenalleen

Foto | 1908
Stadtarchiv Halle (Westf.)

Schöne neue Chausseen führten von Halle in die Welt – alle befestigt und mit Linden gesäumt, so wie die Chaussee nach Münster, die spätere Alleestraße, auf unserem Foto. Die erste Haller „Steinbahn“  konnte  am 3. August 1844 feierlich eröffnet werden. Ein Straßenbauverein unter der Führung von Fräulein Alwine Kisker hatte – unter anderem durch eine Lotterie – das nötige Geld zusammengebracht. Preußen „machte sich“ und mit ihm auch Halle. Durch die frisch gepflanzten Chausseebäume wurde das Städtchen mehr und mehr zum „Lindenflecken“. Sehen Sie sich an, wie die Wertherstraße als Allee aussah oder entdecken Sie ein Panorama des Lindenstädtchens und erfahren Sie mehr über Halles Lindenalleen unter…

 

… alle Details und Hintergründe

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Details und Hintergründe

Das Entstehen der malerischen Haller Lindenalleen hatte einen ganz profanen und vor allem wirtschaftlichen Hintergrund. Der preußische Staat wollte mit „Volldampf voraus“ und dafür bedurfte es einer funktionierenden Infrastruktur. Dazu gehörten vor allem Fernstraßen, die staatlichen Chausseen, unsere heutigen Bundestraßen. Durch ein Chausseebauprogramm sollte das Königreich erschlossen werden. In Halle fanden die ersten Vermessungen für eine Chaussee schon 1810 statt, sie sollte nach Dissen führen.[1]

Die Befestigung der Verbindungswege zwischen den großen Staatschausseen wollte die preußische Regierung jedoch möglichst nicht finanzieren, so dass hierfür Geldgeber gefunden werden mussten.[2]

Die kleineren Städte hatten ihrerseits durchaus Interesse daran, an das Netz der Staatschausseen angeschlossen zu werden. Darum bemühten sie sich, das nötige Geld für den Straßenbau aufzubringen. Zum einen sammelten Chausseebauvereine Spenden, zum anderen wurde vor Ort Chausseegeld erhoben, also eine Art Maut. Dafür vergab der preußische Staat „Hebeberechtigungen“, für Halle war die Kriegs- und Domänenkammer in Minden zuständig. Von dort kam 1824 die Erlaubnis, Schlagbäume zu errichten und Chauseegeld einzunehmen. Die Haller Chausseegeldstationen lagen an allen Ortseingängen und waren mit dem Betrieb einer Gastwirtschaft verbunden darunter:

  • Gaststätte Hollmann (Richtung Süden, Versmold/Münster)
  • Sommerfrische Grünenwalde(Richtung  Norden, Werther/Neuenkirchen)
  • Buchenkrug (Richtung Westen, Dissen/Osnabrück)
  • Zum goldenen Anker (Richtung Osten, Bielefeld)

Es mussten Anzeigetafeln für die geltenden Tarife beschafft werden und Laufzettel, nach denen später abgerechnet wurde. Außerdem erschien eine Bekanntmachung im Amtsblatt.

Die Wertherstaße um 1906. Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.)

Wie in Preußen üblich, gab es für den Chausseebau ganz genaue Bauvorschriften.[3]

Eine Chaussee hatte ab 1824 immer die gleiche Gestalt: Sie war rund acht Meter breit, bestand aus einer befestigten, leicht gewölbten „Steinbahn“, die von Alleebäumen gesäumt wurde, als Regen- und Sonnenschutz für Militär und Zivilisten. Parallel dazu verlief oft ein wenig befestigter „Sommerweg“ für alle, die es nicht so weit und nicht so eilig hatten. Meilensteine gaben die Entfernung nach Berlin an. Ein Wegemeister hatte die Chausseen in seinem Bezirk mindestens einmal wöchentlich zu inspizieren und für die Instandhaltung zu sorgen. Gras und Unkraut auf Wegen und Banketten wurde nicht geduldet!

In Halle dauerte es noch 20 Jahre bis Eröffnung der ersten Steinbahn, und ohne finanzielle Unterstützung der Familie Kisker hätte es mit der ersten Haller Chausssee wohl noch länger gedauert.

Auf maßgebliches Betreiben von Eduard Kisker wurde die Chaussee von Halle nach Brackwede schließlich 1844 fertig gestellt. Ab 1847 dampfte die Köln-Mindener Eisenbahn durch Brackwede, und nun konnten Waren über die neue Chaussee nach Halle rollen – und umgekehrt! Ab 1860 bezog die Firma Kisker auf diesem Wege die erste Steinkohle, um ihre Dampfmaschine zu befeuern.

Nachdem Brackwede 1844 erreichbar war, gründete sich im Jahr darauf ein „Verein zur Herstellung einer Chaussee zwischen Halle und Dissen“. Die Mitglieder – darunter Carl Reinhold Brune, Graf Clemens von Schmising, Justizrat Heidsiek und noch einmal Eduard Kisker – zahlten freiwillig große Beträge.

Die Chaussee nach Versmold und Münster (heute Alleestraße, Höhe Kreisgymnasium/Maschweg), folgt allen Vorgaben für den preußischen Chausseebau. Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.).

Auf einem Panorama von 1906 sieht man die Lindenallee am „Berliner Tor“ in Halle, also entlang der B 68/Bielefelder Straße mit der Einmündung Gartnischer Weg, aufgenommen im Auftrag des damailgen „Verschönerungsvereins Halle i.W.“ Ein weiteres Foto (gleiche Provenienz) zeigt die Wertherstraße um 1908, dicht bestanden mit Linden.

Auf der Übersichtskarte von März 1941  sind an der „Reichsstraße 68“ und allen weiteren ehemaligen Chausseen die lückenlosen Reihen schwarzer Punkte zu sehen – all das sind Linden!

Ab 1960 wurde Halle zur autogerechten Stadt umgebaut. Viele Zeitgenossen, beklagten damals, dass Halle damit seinen Liebreiz als ravensbergisches Landstädtchen und wesentliche Zeugnisse seiner Geschichte verlor. Im Zuge der Straßenverbreiterung wurden in den Jahren 1963 und 1964 fast sämtliche Linden gefällt. Die vier großen alten Lindenalleen existierten nicht mehr.

Allein auf dem Kirchplatz und dem Alten Friedhof sowie an vereinzelten Standorten im Stadtbild verblieben die alten Bäume und sorgten dafür, dass Halles Name „Lindenstädtchen“ oder wie die Älteren sagen „Lindenflecken“ erhalten blieb. Im Zuge des Klimawandels werden in Halle aktuell wieder mehr Linden gepflanzt, das ist vielleicht ein kleiner Trost.

 

Dr. Katja Kosubek 2021

Panorama des Lindenstädchens Halle in Westfalen 1906, rechts verläuft die Bielefelder Straße am "Berliner Tor" entlang. Berliner Tor wurde die Passage an der Einmündung des Gartnischer Weges genannt. Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.)

 

[1] Ein Situationsplan, der Gelände und Höhenprofil zeigt, ist erhalten (in Privatbesitz) und liegt dem Museum Haller ZeitRäume digital vor.

[2] Brüning, Günter: Steinpflastergeld in Halle; in: Westfälischer Heimatbund [Hg.]: Der Minden-Ravensberger, Nr. 59/1987, S. 102-103.

[3] NN: Anweisung zur Anlegung, Unterhaltung und Instandsetzung von Kunststraßen, Berlin 1924.

PDF-Datei

Halle in Westfalen um 1908. Die Wertherstraße als Lindenallee. Das Bild wurde im Auftrag des damaligen „Verschönerungsvereins Halle i. W.“ aufgenommen. Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.).

virtuelles-museum-haller-zeitraeume-linden-wertherstraße-um 1909-vv-stadtarchiv halle (westf.)

PDF-Datei

Halle in Westfalen 1906. Panorama mit „Berliner Tor“, Bielefelder Straße als Lindenallee und Aufmündung Garnischer Weg. Das Bild wurde im Auftrag des damaligen „Verschönerungsvereins Halle i. W.“ aufgenommen. Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.).

virtuelles-museum-haller-zeitraeume-panorama-halle westfalen-bielefelder straße mit lindenallee-1906-vv-stadtarchiv halle (westf.)