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Ausstellung ZeitRaum 3 Nationalsozialismus

Nationalsozialismus

1933 – 1945

Als Hochburg der Demokratie galt Halle/Westfalen bis zur Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe im Oktober 1931. Bei der Reichstagswahl 1933 erhielt Adolf Hitler hier jedoch schon 53% der Stimmen. Dieser Ausstellungsraum zeigt die Verstrickung von Haller Gesellschaft und NS-Regime, die Vereinnahmung des Alltags durch den Nationalsozialismus, das Schicksal derjenigen, die unter Zwang nach Halle kamen oder aber aus Halle deportiert wurden, sowie die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges.

Zahlreiche Zeitzeuginnen und Zeitzeugen haben durch ihr Vertrauen und ihre Offenheit zur Vorbereitung des Themas beigetragen.

Informieren Sie sich über den Nationalsozialismus in Halle/Westfalen.

Eine Übersicht der Ereignisse finden Sie unten ...

Der „ZeitRaum“

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Details und Hintergründe

Hintergründe zu ZeitRaum 3 Nationalsozialismus

Nationalsozialismus in Halle/Westfalen

Chronologie

1930

  • Die NSDAP hält am Freitag, den 14. März, um 20.30 Uhr beim Wirt Gerhold in Hörste ihre erste Versammlung ab. Im Amt Halle kommt es im Vorfeld der Reichstagswahlen zu insgesamt 9 NSDAP-Vorträgen und „Sprechabenden“, dicht gefolgt von der SPD mit 8 Wahlveranstaltungen.

1931

  • Am 31. Oktober tritt die NSDAP mit einem Propagandavortrag im Saal Hollmann in Erscheinung. Es spricht der Bielefelder NSDAP-Stadtrat Emil Irrgang. Im Beisein Irrgangs wird im Gasthof Schürmann am Lindenplatz die NSDAP-Ortsgruppe Halle gegründet.
  • Der Stahlhelm – Bund der Frontkämpfer hält am 1. November mit 500 Kriegsveteranen einen Fahnenmarsch durch Halle ab. Zeitgleich veranstaltet die evangelische Gemeinde im Martin-Luther-Haus ein Wohltätigkeitskonzert für die Winterhilfe.

1932

  • Erneut gibt es Pläne, den Kreis Halle aufzulösen. Werther soll Herford zugeschlagen werden, Versmold, Warendorf und Halle dem Nachbarkreis Wiedenbrück. Heftiger Protest der heimischen Bevölkerung führte am 2. Februar 1932 zur Aufhebung des Beschlusses.
  • Im Wahlkampf zur Reichspräsidentenwahl am 13. März organisiert die NSDAP im Amt Halle 40 Veranstaltungen, mehr als alle anderen Parteien zusammen. Durch ihre massive Propagandaarbeit profiliert sich die NSDAP als „Partei der Tat“.
  • Bei der Reichstagswahl am 31. Juli erreicht die NSDAP in Halle die absolute Mehrheit und wird damit die nationalsozialistische Hochburg in Ostwestfalen.[1]
  • Gegen Jahresende wird Ernst Mierig Kreisleiter der NSDAP (Kreis Halle).
Antrag auf Genehmigung einer Veranstaltung: Erste NSDAP-Versammlung 1930 in Hörste bei Halle/Westfalen am 14. März 1930

Antrag auf Genehmigung einer Veranstaltung: Erste NSDAP-Versammlung 1930 in Hörste bei Halle/Westfalen am 14. März 1930. Stadtarchiv Halle (Westf.), Akte C 187 "Vereine und Versammlungen, Umzüge".

1933

  • Im Januar legt eine Grippewelle das öffentliche Leben teilweise lahm.
  • Am 31. Januar berichtet das Haller Kreisblatt: „Reichspräsident Hindenburg ernennt das Kabinett Hitler“. Zum ersten Mal wehen drei Hakenkreuzflaggen über Halle (Amtsgericht, Amtshaus, Krankenkasse).
  • Der Stadtrat debattiert hitzig über die Notwendigkeit einer Abwasserkanalisation.
  • Bei der Reichtagswahl am 5. März erhält Adolf Hitler in Halle 53% der Stimmen.
  • Am 1. April ruft die NSDAP zum Boykott jüdischer Geschäfte in Halle auf.[2]
  • Halle bekommt sein erstes Kino, die „Ravensberger Lichtspiele“ (Rali), mit 200 Plätzen.
  • Im so genannten evangelischen „Kirchenkampf“ stehen die Haller Pastoren Emil Nase (Bekennende Kirche) und Johannes Hoensch (Deutsche Christen) gegeneinander, was die Gemeinde sehr bewegt. Nase und der Steinhagener Pastor Maschke geraten ins Visier der Gestapo. Pastor Nase geht 1935 in den Ruhestand.

1934

  • Über Rassefragen, insbesondere über die „Judenfrage“ referieren im Januar zwei Lehrer der Haller Volks- und Mittelschule. Damit beginnt in Halle eine Vortragsreihe zu spezifischen Themen des Nationalsozialismus.
Ida Herzberg Damenmoden. Foto und Inserat um 1928. Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933.

Schon im April 1933 boykottierte die NSDAP jüdische Geschäfte in Halle. Eines davon war Ida Herzbergs Hutsalon an der Langen Straße 63. Das Foto zeigt Ida Herzberg, daneben eine Werbeanzeige für ihr Geschäft. Foto: Familie Schürmann, Anzeige: Haller Kreisblatt um 1928.

  • In Hesseln wird im Frühjahr das Reichsarbeitsdienstlager „Ravensberg“ (Nr. 5/202) eingerichtet. Die „Arbeitsmänner“ werden unter anderem zur Bepflanzung der „Kahlen Egge“ mit Fichten und zur Entwässerung der Masch eingesetzt. Sie gehören bald zum öffentlichen Leben in Halle.
  • Der Kirchplatz, vormals ein „Tummelplatz für Kinder“, wird unter Mithilfe des Reichsarbeitsdienstes (RAD) als öffentliche Grünanlage gestaltet.
  • Im Haus „Kiskers Bogen“ wird ein HJ-Heim eingerichtet, der BDM bezieht ein Gebäude neben dem Amtsgericht. Der Kirchplatz dient der Hitlerjugend als Exerzierplatz, auch sonntags während des Gottesdienstes. Am Schützenberg werden Geländespiele und -kämpfe ausgetragen.
  • Eine nationalsozialistische Sonnenwendfeier findet am 21. Juni auf dem Schützenberg statt.[3]
Reichsarbeitsdienst Lager Nr. 5/202 Ravensberg Hesseln bei Halle in Westfalen Foto: Privatbesitz

Das Reichsarbeitsdienst-Lager Nr. 5/202 "Ravensberg" in Hesseln nahe der Bahnlinie. Fotos aus Privatbesitz.

  • Am Schützenberg veranstaltet das NS-Jungvolk am 10. November, dem 20. Jahrestag der „Schlacht von Langemarck“, eine Feier zu Ehren der 1914 gefallenen jungen Kriegsfreiwilligen. Trommeln und Fackelschein begleitet die Niederlegung eines Findlings mit der Inschrift „Langemarck“.[4]
  • In Halle wird an den Haustüren für das Winterhilfswerk der NS-Volkswohlfahrt gesammelt. Nach der Spende erfolgt das Anbringen einer gut sichtbaren Plakette an der Haustür.
  • Am zweiten Weihnachtstag kommt es zum Eklat in der Johanniskirche: Dem jungen hitlertreuen Pfarrer Sauer, der gerade die Kanzel betritt, wird von der Empore aus eine Schlinge um den Hals geworfen. Der Werfende ist ein ehemaliger Kriegsteilnehmer, seine Familie steht der „Bekennenden Kirche“ nahe. Er wird von drei Männern abgeführt.[5]
Zehnjährige in HJ-Uniform gruppiert um einen Wimpel mit „Sig“-Rune.

Die "Pimpfe" der Hitlerjugend in Eggeberg. Das HJ-Heim war im Haus "Kiskers Bogen" am Kirchplatz untergebracht.

1935

  • Der Kreis Halle errichtet an der Kättkenstraße eine Kreisberufschule. Als Gründer gilt der Gewerbeoberlehrer und Kunstmaler Hermann Goerke. Der damalige Landrat Emil Leweke verwehrt Goerke die offizielle Leitung der Schule.
  • Im August beschließt der Haller Rat, keine Gemeindegrundstücke an Juden zu verkaufen und keine Aufträge an jüdische Geschäftsleute zu vergeben. Damit entsprach er einem Antrag der NSDAP-Ortsgruppe.[6]
  • In den Schulen wird der „Deutsche Gruß“ zu Unterrichtsbeginn zur Pflicht.
  • Laut „Reichsflaggengesetz“ vom 15. September wird die Hakenkreuzfahne zur alleinigen Reichs- und Nationalflagge.

1936

  • Am 2. April wird die Kreiswohnstättengenossenschaft (KWG) gegründet. Die Baugenossenschaft soll Arbeitsplätze schaffen und politisch „geeigneten“ Arbeitern die Möglichkeit geben, ein Siedlungshaus zu bauen.
  • Die Lange Straße wird am 20. April in Adolf-Hitler-Straße umbenannt. Hitler schickt ein persönlich unterzeichnetes Dankschreiben. Die Kättkenstraße erhält den Namen Hermann-Göring-Straße, die Alleestraße wird zur Straße-der-S.A. Die neu gebaute Lettow-Vorbeck-Straße – Namensgeber ist ein deutscher Afrika-General – soll das „koloniale Wollen“ des Nationalsozialismus bezeugen (Haller Kreisblatt, Juni 1936)
  • In Halle findet am 21. Juni (Sommersonnenwende) der Kreisparteitag der NSDAP statt.

Volksschule und Mittelschule in Halle. Auch hier begann der Unterricht ab 1935 mit dem "Deutschen Gruß" (Hitlergruß). Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.)

  • Verleumdung und aggressive Hetze gegen den jüdischen Schlachtermeister Moritz Isenberg zwingt diesen, am 15. August sein Geschäft mangels Kundschaft aufzugeben. Auch seine Schwägerin, die Modistin Ida Herzberg, muss ihr Hutgeschäft an der Langen Straße schließen. Die Familie ist damit ohne Einkommen.
  • Im November emigriert der junge Hans Isenberg nach Südafrika.

1937

  • Am 13. Januar wird der Künsebecker Kommunist Wilhelm Runde der Bielefelder Gestapo ausgeliefert. Hier verliert sich seine Spur.
  • Der vierte Jahrestag der „Machtergreifung“ wird am 30. Januar mit Aufmärschen und öffentlichen Rundfunkübertragungen begangen.
  • Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Dr. Georg Krause fordert im Stadtrat, das Hagedorn-Denkmal am Fuß der Kaffeemühle wegen vermeintlich freimaurerischer Texte und Symbolik abzubrechen.
  • Die Ausstellung Erbgut und Rasse im deutschen Volk wird in Halle gezeigt. Höhere Schulen, Betriebe, und Reichsarbeitsdienst besuchen diese nach engem Zeitplan. HJ und BDM erhalten eine Sonderführung.[7]
  • Die Firma Stern wird an die Johann Borgers KG in Bocholt verkauft. Die jüdische Familie Stern wandert in die USA aus.
Kontoristin Klara Isenber und ihr Vater Schlachter Moritz Isenberg um 1932 jüdische Familie Halle Westfalen

Die junge Kontoristin Klara Isenberg und ihr Vater, der Schlachtermeister Moritz Isenberg neben ihrem Haus an der Langen Straße. Foto: Leihgabe von Familie Rieke.

  • Partei und Gesellschaftsleben vermischen sich: Beim 100. Schützenfest wird NSDAP-Kreisleiter Hermann Eiter Haller Schützenkönig.

1938

  • Am 10. April begeht das nationalsozialistische Halle mit großem Propaganda-Aufwand die „Wahl“ zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Im Kreis Halle stimmen 98,9 % der Bürger für Großdeutschland und bestätigen damit die Politik Adolf Hitlers. Im Hause Adolf-Hitler-Straße 37 eröffnet die NSDAP am 1. Mai ein Parteibüro.
  • Die Bauerschaft Oldendorf im Haller Westen wird eingemeindet. Halle zählt jetzt 3.250 Einwohner.
  • Der seit 1929 amtierende Haller Bürgermeister Eduard Meyer zu Hoberge, der bisher kein NSDAP-Mitglied war, tritt in die Partei ein. Er wird Halle auch durch die kommende Kriegs- und Nachkriegszeit begleiten.
Hermann Eiter (NSDAP) als Schützenkönig.

Hermann Eiter, Kreisleiter der NSDAP, als Schützenkönig vor dem Haus des Bürgermeisters Meyer zu Hoberge. Standbild eines Films aus Privatbesitz.

  • Die Kreissparkasse bezieht an der Hermann-Göring-Straße (Kättkenstraße) erstmals ein eigenes Gebäude. Direktor ist Parteigenosse Georg Wefelmeier (bis 1969).
  • An der Mönchstraße entsteht die erste Kleinsiedlung nach nationalsozialistischem Muster. Es ist das erste Bauprojekt der Kreiswohnstättengenossenschaft (KWG).
  • Weihnachten 1938 erstellt die NSDAP in Halle eine Liste aller Metallanteile (Kreuze, Zäune) auf den Erbbegräbnissen des alten Friedhofs an der Bahnhofstraße.

1939

  • Der Kreisparteitag der NSDAP Bielefeld-Halle findet am 14. Mai in Halle statt. Durch die geschmückte Innenstadt ziehen mehrere tausend Menschen zum Sport- und Festplatz an der Masch (heute Hartmanns Wäldchen). Das Motto ist „Kampf der Landentvölkerung“. Bauern und Heuerlinge, deren Familien seit mehr als 200 Jahren einen Hof bewirtschaften, bekommen einen Platz auf der Ehrentribüne.
Die 1938 gebaute Kreissparkasse an der Kättkenstraße (Hermann-Göring-Straße) in Halle.

Das neue Gebäude der Kreissparkasse an der Hermann-Göring-Straße (Kättkenstraße). Foto: Stadtarchiv Halle (Westf.).

  • Die „Alte Garde“ der NSDAP besucht Halle auf einer Westfalenfahrt im Juni 1939. Reichsorganisationsleiter Robert Ley trägt sich in der Gaststätte Grünenwalde ins goldene Buch der Stadt ein. Abends findet auf dem Lindenplatz die Taufe eines Segelflugzeuges für die Haller Flieger-HJ statt. Es wird nach dem verstorbenen „Alten Kämpfer“ Fritz Homann (NSDAP-Stadtverordneter Bielefeld) benannt.
  • Am Laibach entsteht ein Sportstadion, das im Sprachstil des Nationalsozialismus Osning-Kampfbahn genannt wird.

1940

  • Am 5. April wird der ehemalige Rektor der Höheren Privatschule Christian Frederking 80 Jahre alt und erhält für seine Verdienste eine Ehrenurkunde, die zeitweilig als Ehrenbürgerschaft missdeutet wurde. Von Frederking stammt das Lied „Halle, mein Städtchen…“
Westfalenfahrt der Alten Garde der NSDAP Juni 1939

Kurz vor Kriegsbeginn - Die Haller Flieger HJ erhält ein Segelflugzeug. Foto: Schenkung von Elfriede Wienstrath.

  • Ein deutscher Jagdflieger des Typs Me 109 zerschellt am 18. April in dichtem Nebel an der Egge.
  • Die erste Bombe fällt in Halle am 14. Juli auf ein Gerstenstoppelfeld in Eggeberg. Der Blindgänger wird auf einem Viehanhänger zum Fliegerhorst Gütersloh gebracht.
  • Am 12. Juli wird Christian Schalck aus Künsebeck wegen „Wehrkraftzersetzung“ in Berlin hingerichtet. Als überzeugter Christ und „Bibelforscher“ (Zeugen Jehovas), achtete er das 5. Gebot „Du sollst nicht töten“ und verweigerte den Kriegsdienst.
Christian Schalk, Mitglied der Zeugen Jehovas aus Künsebeck bei Halle/Westfalen.

"Du sollst nicht töten". Christian Schalk weigerte sich, Soldat zu werden. Foto aus Privatbesitz.

  • Im Steinbruch am Künsebecker Hellberg entsteht im Sommer 1940 eine Scheinanlage (Volksmund: „Die Tarnung“), die Feindflugzeuge von der Ruhrstahl AG in Brackwede ablenken soll. Die Anlage wird nachts schwach beleuchtet, um als Angriffsziel zu dienen.

1941

  • In Künsebeck beginnt die Firma Dürkopp mit dem Bau eines Zweigwerkes für 3,7 cm Flugabwehrkanonen (FLAK), finanziert durch das Deutsche Reich. Es wird der reichsweit größte Rüstungsbetrieb für diesen Waffentyp. In der Produktion werden 2000 Arbeitskräfte eingesetzt, darunter Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, die im Waldlager Künsebeck untergebracht sind. Das Testgelände für die fertigen Geschütze ist ein Künsebecker Steinbruch.
  • Die NSDAP-Ortsgruppe Halle hat 306 Mitglieder, ein großer Teil von ihnen prägt das öffentliche Leben in Halle (Bäcker, Kaufleute, Post- & Bahnbeamte, Ärzte, Juristen, Verleger…). Unter den Parteigenossen sind 42 Frauen.
  • Haller Schulkinder sammeln Heilkräuter, Bücher, Flaschen und Altmetall für die Wehrmacht.
  • Im Winter fallen die Temperaturen in Halle auf -27˚C.
FLAK-Stellung im Steinbruch Künsebeck bei Halle Westfalen um 1944

Flak-Stellung auf dem Künsebecker Hellberg, unweit der Scheinanlage und der Rüstungsfabrik Dürkoppwerke. Foto: Haller ZeitRäume.

1942

  • Am 2. Januar stürzt ein deutscher Bomber He 111 auf der Grenze zwischen Hesseln und Eggeberg ab. Vier Besatzungsmitglieder sterben.
  • Am 30. März erhält die Ortspolizeibehörde die Deportationsanordnung für Moritz, Thekla und Klara Isenberg. Die in Halle alteingesessene jüdische Familie gerät über Bielefeld ins Warschauer Ghetto. Am 31. Juli werden die Haller Hutmacherin Ida Herzberg und Leopold Weinberg nach Theresienstadt deportiert. Niemand von ihnen hat überlebt.
  • Der Geburtsjahrgang 1924 wird vom 15. Mai an für den weiblichen Arbeitsdienst rekrutiert.
  • Im Kindergarten der NS-Volkswohlfahrt lernen ab Herbst 1942 schon die Kleinsten Disziplin und Kameradschaft. Im Haus Adolf-Hitler-Straße 37 (Lange Straße 37) werden Kinder ab 4 Jahren betreut. Die Einrichtung soll Müttern ermöglichen, „ihren Aufgaben und ihrem Beruf nachzugehen“, während ihre Männer an der Front stehen.
  • Die Firma Faust (Herrenoberbekleidung) an der Alleestraße näht Uniformen für die Wehrmacht.
Familie Isenberg aus Halle Westfalen

Familie Isenberg aus Halle in Westfalen: die Geschwister Klärchen und Hans, die Eltern Moritz und Thekla.

1943

  • Erste bombengefährdete und ausgebombte Familien aus den Großstädten finden Zuflucht in Halle. Im Haller Gerichtsgebäude werden die Strafregister der Staatsanwaltschaften von Bielefeld, Duisburg, Krefeld und Düsseldorf eingelagert.
  • Am 29. Dezember stürzt ein britischer Halifax-Bomber mit dem Ziel Berlin nahe der Kaffeemühle ab. Die siebenköpfige Besatzung rettet sich mit Fallschirmen. Die jungen Männer vereinzeln sich, werden aber in den folgenden Stunden entdeckt, gefangen genommen und in Halle verhört.

 

1944

  • Am 23. März muss in Hörste ein Flugzeug der Alliierten notlanden. Der leichtverletzte Pilot wird von Anwohnern verpflegt und anschließend zum Fliegerstützpunkt Güterloh gebracht.
  • Bei einem unübersichtlichen Abwehreinsatz gegen ein amerikanisches Bombergeschwader am 27. November über Ascheloh schießen sich zwei deutsche Jagdflieger versehentlich gegenseitig ab. Beide ME 109-Piloten können sich mit ihren Fallschirmen retten.
  • Im Gasthof Tatenhausen hat das Luftwaffenbekleidungsamt ein Materiallager – die Bielefelder Hauptstelle ist bombengefährdet.
  • Zwangsarbeiterinnen des Waldlagers ziehen durch Künsebeck und bitten um Arbeit, Essen und Kleidung.[1]
Trümmer des britischen Halifax-Bombers. Foto: Albert Buck.

Die Trümmer des Halifax-Bombers unweit der "Kaffeemühle". Foto: Albert Buck.

1945

  • In Hesseln stürzt am 5. Januar ein alliierter Halifax-Bomber in ein Waldgrundstück. Ein Besatzungsmitglied wird tot aufgefunden.[2]
  • Am 26. März lässt die Gestapo Bielefeld sieben Russen ins Waldlager Künsebeck bringen und dort nacheinander in Anwesenheit von Haller Polizeibeamten erhängen. Die Leichen werden ohne Wissen der örtlichen Behörden in einem Massengrab auf dem Haller Friedhof II beigesetzt.[3]
  • SS-Truppen lagern kurz vor Kriegsende in Ascheloh, im Steinhausener Wald und in der Turnhalle der Volksschule.
  • Zwei elfjährige „Pimpfe“ werden gezwungen, im Keller des NSDAP-Kreisleiters Mierig Akten zu verbrennen.[4]
  • Am 2. April 1945 (Ostermontag) rücken amerikanische Panzer von Versmold auf Halle zu. An der Panzersperre in Tatenhausen kommen zwei Wehrmachtshelferinnen ums Leben. In Halle fällt der Steinhauermeister Wilhelm Schmidt den vereinzelt abgegebenen Schüssen der Amerikaner zum Opfer. Das Haus der Kreishandwerkerschaft geht in Flammen auf.
  • Unter den Gefangenen im Waldlager Künsebeck befinden sich gegen Kriegsende im März auch 221 Kinder, 41 waren hier bereits gestorben.
  • Nach der Befreiung des Waldlagers kommt es am 16. April zu Racheakten: Sieben Künsebecker und Brockhagener werden von ehemaligen Gefangenen (zum Teil gezielt) aufgesucht und erschlagen. Bauernhöfe in Ascheloh werden nach Brauchbarem durchsucht.
US-Truppen nehmen in der Rosenstraße deutsche Soldaten gefangen. Foto: van der Veer.

Ein US-Soldat filmt die Gefangennahme deutscher Soldaten in der Rosenstraße in Halle/Westfalen. Foto: von der Veer.

  • Das RAD-Materiallager auf dem Schützenberg wird von der Haller Bevölkerung geplündert.
  • Ein kleiner Junge kommt in der Nähe des Schlammpatts durch die Explosion herumliegender Munition ums Leben.
  • Am 4. November 1945 stürzt ein kanadisch-britisches Transportflugzeug in Eggeberg ab. Es handelt sich um eine Hilfslieferung von Penicillin und Verbandsmaterial nach Warschau. Die kanadische Crew, die sich freiwillig zu diesem humanitären Einsatz gemeldet hatte, stirbt in den Flammen.

1946

  • Es durchlaufen 75 NSDAP-Mitglieder aus Halle das Entnazifizierungsverfahren, meist um eine abhängige Beschäftigung aufnehmen zu können.
  • Im ehemaligen RAD-Materiallager auf dem Schützenberg sind vorübergehend ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen einquartiert.

1949

  • Durch die Explosion einer gefundenen Handgranate stirbt in Bokel Fritzchen Poggenwisch im Alter von sieben Jahren.

1950

  • Am 17. November wird die Familie Isenberg offiziell für tot erklärt.[5]

1951

  • Die Stadt Halle beteiligt sich finanziell an einem Mahnmal für die ermordeten Juden aus Halle und Werther, das auf dem Jüdischen Friedhof in Werther aufgestellt wird.

1953

  • Der Kalte Krieg hält Einzug in Halle. Im Oktober werden in alle Passstraßen über den Teutoburger Wald Sprengschächte (siehe Foto) eingelassen. Im Kriegsfall soll ihre Detonation tiefe Trichter reißen und feindliche Truppen aufhalten.

1960

  • Auf dem Haller Friedhof I (Alter Friedhof) wird ein Mahnmal der Künstlerin und Kriegerwitwe Hilde Schürk-Frisch eingeweiht. Bruchstücke ehemaliger Kriegerdenkmale werden ins Fundament eingebettet. Zu dem Mahnmal gehören Namensstelen für die Haller Opfer beider Weltkriege.

2011

  • Ein Mahnmal für die Haller Opfer des Nationalsozialismus, gestaltet von der Bildhauerin Angela Große, wird am 12. November feierlich enthüllt. Ehrengast ist Eve Isaakson, die Enkeltochter der jüdischen Haller Familie Isenberg. Schwiegertochter Ayala Isaacson spricht am Mahnmal das Kaddisch.

2019

  • Vor den ehemaligen Wohnhäusern der jüdischen Familien Sachs und Isenberg werden Stolpersteine verlegt. Eve Isaakson ist aus diesem Anlass aus Israel nach Halle gekommen. In ihrem Beisein wird der „von-Kluck-Platz“ an der oberen Rosenstraße in „Familie-Isenberg-Platz“ umbenannt.

Stand 12. Januar 2021

 

Dr. Katja Kosubek

Wolfgang Kosubek (Recherche Stadtarchiv Halle/Westfalen)

Martin Wiegand (Recherche Archiv Haller Kreisblatt)

 

 

Die Schützenhalle auf dem Schützenberg in Halle/Westfalen

Die Schützenhalle diente als Materiallager des Reichsarbeitsdienstes, als Versteck für Tabak und ein Auto. Foto von 1950: Stadtarchiv Halle (Westf.).

[1] Zeitzeugengespräch mit einer Augenzeugin (*1926) im April 2015.

[2] Stadtarchiv Halle/Westfalen, Akte CS 109, Todesanzeige.

[3] Stadtarchiv Halle/Westfalen, Akte CS 132, Aktenvermerk Bürgermeister Eduard Meyer zu Hoberge vom 4. Mai 1945 sowie Bericht Wachtmeister Maßmann vom 18. November 1946.

[4] Zeitzeugengespräch mit einem damaligen Haller Hitlerjungen im September 2011.

[5] Vgl. Heckert, S. 119.