In einer verschneiten Schlucht hinter der Kaffemühle lag die Haller Rodelbahn – „völlig windgeschützt“. Ab 1910 konnten Haller Kinder das winterliche Vergnügen genießen. Aber nur die Größeren durften mit ihrem Schlitten von ganz oben starten! Angelegt wurde die Bahn vom „Verschönerungs-Verein“. Dessen Mitbegründer, der Kaufmann C. H. Brune, zeigt sich hier mit Schal und Pudelmütze. Mit von der Partie sind seine kleinen Töchter Elli und Grete.
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Wenn die weiße Pracht an schönen Sonn- und Feiertagen in die heimatlichen Berge lockte, eilten nicht nur die hiesigen Bewohner, sondern Menschen aus der gesamten Region herbei, um die tolle lange Bahn hinab zu sausen.
Aufmerksam gemacht durch die Westfälische Zeitung aus dem Januar 1912 oder vielleicht durch „Richters Reiseführer“. In der Ausgabe von 1913/14 wurde darin für Halle als ein „anmutig gelegenes Kreisstädtchen von 1900 Einw. am Südhang des Osning“ geworben und in der Aufzählung seiner Vorzüge auch für die „vor Winden völlig geschützte Rodelbahn“.
Den Startpunkt auf der Höhe konnte man aus verschiedenen Richtungen erreichen. Oben angekommen stellte man sich zunächst an, bevor man dann über ein anfängliches Steilstück in die Tiefe raste. Sofern man alt genug war. Schüler, die jünger als Untertertianer (etwa 14) waren, durften erst weiter unten einsteigen.
Der Waldteil, in dem die Rodelbahn − ein alter Holzabfuhrweg − lag, gehörte dem Oldendorfer Gutsbesitzer Böckenförde, einem früheren Eigentümer von Beckmanns Hof. Von ihm pachteten Carl Heinrich Brune und Christian Frederking das Waldstück mit der Bahn, die nahe Wiese und den Weg zum Heraufziehen der Schlitten für die Dauer von 15 Jahren zum Preis von 10 Mark jährlich.
Weil Schlittenfahren ja nicht ungefährlich ist, wurde das Risiko ab Februar 1912 mit einer Deckung von 500.000 Mark Personen- und Vermögensschäden für zunächst fünf Jahre (Saisons) zu je 20 Mark abgesichert.
Dem Verpächter muss das Vorhaben gefallen haben, denn er ließ einige im Wege stehende Bäume vorher noch entfernen und säumte die neue Rodelbahn mit einer Allee aus jungen Tannen.
Christian Frederking, der Vorsitzende des V.-V. Halle und Initiator der Rodelbahn, war Rektor der Höheren Privatschule und galt als sehr streng. Wenn aber genug Schnee gefallen war, gab er – was die Schüler ihm hoch anrechneten – nachmittags oftmals rodelfrei. Und da Ehefrau Hermine aus dem Harz stammte, hatte der geschäftstüchtige Rektor bald auch echte Harzer Schlitten zu verkaufen.
Es wird jedoch nicht einfach gewesen sein, die Rodelbahn immer in gutem Zustand zu halten. Zumal in der Kriegszeit nach 1914. Im Haller Kreisblatt vom 16. Februar 1916 zum Beispiel beklagen Brune und Frederking:
„Bei dem Abholzen des Bergabhangs an der Rodelbahn ist das abgeschlagene Holz leider so weit auf die Bahn gebracht worden, dass das Rodeln nicht ohne Lebensgefahr betrieben werden kann.“ Man könne die „erfrischende Ausübung des Rodelns“ nicht erlauben.
Irgendwann muss die Last der Pflege und Finanzierung für den Verschönerungsverein zu drückend geworden sein, denn von 1917 an trug die Stadt die Haftpflichtkosten. Als der Bergteil mit der Bahn in den zwanziger Jahren städtischer Besitz wurde, entfielen für den V.-V. Halle auch die Pachtkosten.
Wann genau die Rodelbahn – sie hieß jetzt „Städtische Rodelbahn“ – aufgegeben wurde, ist nicht bekannt. Bürgermeister Eduard Meyer zu Hoberge hinterließ jedoch eine Notiz mit Datum vom 4. März 1931, worin geschrieben steht, die Stadtvertretung habe beschlossen, dass die Haftpflichtversicherung für die Anlage aufrecht erhalten und die Rodelbahn im Sommer instandgesetzt wird.
Schneesichere Winter gibt es hierzulande nicht mehr.
Wenn der Bergkamp aber doch einmal ein weißes Kleid trägt, finden die Haller Kinder sich stets eilig an der Kaffeemühle und dem Hagedorndenkmal ein, sausen den Hang hinab und haben – wie eh und je – großen Spaß am Schlittenfahren.
Wolfgang Kosubek
im Dezember 2015
Quellen
Stadtarchiv Halle: Akte C 1197, Nachlass Christian Frederking, Biografie Haake/Schengberg.
Richters Reiseführer, Ausgabe 1913/14.
Haller Kreisblatt vom 16. Februar 1916 und 25. Februar 1928.
Westfälische Zeitung, Bielefelder Tageblatt vom 09. Januar 1912. (https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/newspaper/item/SJMBLJGUBKXTASCYZXV4WUGLMSKNGHYA?issuepage=12, Online am 15.09.2025)
https://www.tim-oline.nrw.de, Montage: HallerZeiträume