Die Markenteilung, also den Verkauf des Gemeindelandes, verlangte Friedrich II. von den Städten in Preußen. Am 10. Mai 1784 war es in Halle so weit: Die von der Allgemeinheit als Viehhude genutzte Feldmark wurde versteigert. Ziel dieser Privatisierung war die ertragreichere Nutzung preußischen Bodens. Den Verkaufserlös kassierte der Staat. Die Markenteile wurden in Scheffeln bemessen. Ursprünglich war dies ein Kornmaß, das jedoch über die Formel „Saatgut per Fläche“ als Flächenmaß genutzt wurde.
Erfahren Sie, was am Tag der Markenteilung geschah…
Jedes Exponat hat eine eigene Seite.
Kehren Sie zurück zu
Ausstellung, Themenwand Aufklärung, ZeitRaum 7 Aufklärung & Romantik und finden Sie weitere interessante Ausstellungsstücke.
Stöbern Sie mit Hilfe des Zeitstrahls weiter durch die Sammlung oder entdecken Sie weiter unten Informationen, die einen Bezug zum gewählten Exponat haben.
Den folgenden Text als PDF herunterladen…
Vorgeschichte
Kinder, die Vieh hüteten, waren das erste, was ein Reisender um 1770 von Halle sah. Rund um die Stadt lag das Gemeindeland, Feldmark oder Almende genannt. Diese Wiesen und Heiden wurden von der Allgemeinheit als Hude, also als Weideland genutzt. Sie endeten zumeist am Dornengestrüpp der umgebenden Landwehr.
Im Jahr 1771 erging eine königliche Ordre, die Feldmark aufzuteilen und meistbietend zu versteigern. So kam einerseits neues, frisches Geld in Preußens Kassen, mit dem die Schulden der Schlesischen Kriege beglichen werden konnten, andererseits versprach eine solche Privatisierung die engagierte Erschließung, landwirtschaftliche Nutzung und Besiedlung preußischen Bodens. Das Nachsehen hatten die Gemeinden, deren „Tafelsilber“ hier unter den Hammer kam, ohne dass sie den Gewinn einstreichen konnten.
Der Tag der Markenteilung in Halle
Der Haller Magistrat nahm sich jedoch heraus, wenigstens die Versteigerung selbst durchzuführen. An der Versteigerung durften ausschließlich jene teilnehmen, die in Halle schon Haus und Grund besaßen. Am Morgen des 10. Mai 1784 trafen sich unter freiem Himmel an der Altheide: Bürgermeister Peter Gustav Wilmanns, Senator und stellvertretender Stadtkämmerer Christoph Henrich Kisker und Justizkommissar Möller sowie als Käufer Apotheker Haege, Senator Kisker, Tischler Meyer, Gastwirt Groppe, Schuster Bokamp, Gastwirt Schultze, Tabakfabrikant Uhlenbusch, Kaufmann P. Potthoff, Witwe Potthoff, S. Kisker, Hardiek, Colon Poggenwisch und Colon Höcker.[1]
Nach der Versteigerung der Altheide zog die Gruppe weiter an die Niederaltheide und Knuffheide.[2] Nachmittags ging es mit Flurstücken an den Wegen nach Bokel und Künsebeck weiter. Bauer Poggenwisch beispielsweise erwarb ein großes Gelände an der heutigen Alleestraße, wie auf der Karte von 1837 zu sehen ist. Auf dem Landstück nebenan errichtete Kaufmann Kisker eine Gerberei.
Weitere Markenteilungen fanden in den späteren Jahren per Losverfahren statt. Dabei bekam jedes Bürgerhaus seinen festgesetzten Anteil von „3 Spint 1/5 Becher“ fruchtbaren Marsch- und „2 Scheffel 2 2/5 Becher“ sandigen Heidegrundes.[3] Anschließend konnten die Markenteile untereinander getauscht oder verkauft werden.
Frisch gepflanzt – Halles neues Gesicht
Die neuen Besitzer erschlossen ihr Land vor allem durch die Anpflanzung ganzer Wälder, da der Holzmangel ein dauerndes Problem war. Hermann Hagedorn erwarb im Zuge der Markenteilung seinen Besitz am Bergkamp, den er zum Landschaftspark mit Nutz- und Versuchsgarten gestaltete.
Halles Erscheinung veränderte sich in diesen Jahren sehr. Die neuen Flurstücke hatten gerade Grenzverläufe, brachliegende oder verwilderte Flächen waren kultiviert, wie der reisende Jöllenbecker Pastor Schwager 1801 beschreibt:
„Die längst geschehene Markentheilung macht es einem Wanderer, der diese Gegend in dreißig Jahren nicht mehr bereisete, und nun mit einem Mahle wieder hierhin verschlagen wird, zweifelhaft, ob er sie jemahls sah? Auf Heiden, wo sich sonst das zu häufig aufgetriebene Vieh um jedes kärgliche Grashälmchen stritt, wogen jetzt fette Kornsaaten; Unkenteiche und saure Moräste sind in Wiesen umgeschaffen; wohin sonst das Auge des Vorüberwallenden vor Waldung oder Gesträuche nicht reichte, ist es helle und licht geworden; nette Gebäude sind entstanden, mit kleinen und größeren Feldern, Gärten und Wiesenplätzen umgeben.“[4]
Besonders beeindruckten ihn die Anpflanzungen von Bäumen verschiedener Art, deren Fläche er in Scheffel, beziehungsweise Scheffelsaat angibt.
Während die wohlhabenden Haller durch die Markenteilung ihren Besitz vermehrten und der preußische Staat seine Schulden tilgte, hatten die weniger Begüterten einmal mehr das Nachsehen. Sie hatten die Feldmark als Hude für ihr Vieh ersatzlos verloren. Für manche Kleinbauern und Heuerlinge war dies existenzbedrohend.
[1] Nach Heinrich Meise: Die Stadt Halle in Westfalen, Beiträge und Bilder zu ihrer Geschichte,
Halle/Westfalen 1968, S. 88. Bürgermeister Wilmans wird von Meise fälschlich Willmanns geschrieben.
Tatsächlich unterzeichnete dieser jedoch wie oben, vgl. Akte A 156 „Die städtische Bleiche“, Stadtarchiv
Halle/Westfalen, sowie Grabstein seiner Frau Anna Elisabeth Kottenkamp verehlichte Wilmans am Lotteberg.
[2] Zur Bezeichnung Knuffheide vgl. Unterlagen der Familie Kisker in Firmenchronik „ 275 Jahre Kisker –Geschmack
verbindet“, Halle/Westfalen 2007.
[3] 4 Becher = 1 Spint, 4 Spint = 1 Scheffel, 1 Scheffel = 120 Quadrat Ruthen = 1.702 m2
[4] Johann Moritz Schwager: Halle, ein lachendes Städtchen in der Grafschaft Ravensberg, Westfälischer Anzeiger 1801.
(Veröffentlichter Reisebericht an einen Freund)