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AusstellungZeitRaum 4 Erster Weltkrieg & Weimarer RepublikThemenwand Krieg! Familie Baumann

Familie Baumann

Foto auf Karton | 1910
Leihgabe von Christiane Vietmeyer

Ein Kriegstagebuch schrieb Hermann Baumann, der schon am 2. August 1914 am Haller Bahnhof von seiner Familie Abschied nehmen musste. Der Getreidehändler aus der Wertherstraße wurde unmittelbar hinter der Front als Bäcker eingesetzt. Baumann beschreibt Eisenbahnfahrten, Schlafplätze, Essen und Alkoholfunde im besetzen Gebiet. Er schildert Beschuss und Erschießungen und sorgt sich um seine Ehefrau Paula, die im Februar 1915 ihr viertes Kind erwartet. Baumanns Aufzeichnungen sind heute verschollen.

Lesen Sie sein Kriegstagebuch in einer Abschrift unter…

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Details und Hintergründe

Das Tagebuch meines Opas

Hermann Baumann geb. 1. April 1877

 

Übersetzt [aus der deutschen Schrift] von meiner Mutter Martha Grieswelle geb. Baumann geb. 26. Februar 1904

Christiane Vietmeyer geb. Grieswelle

 

Oberbäcker Baumann, Reservebäckerkolonne Nr.9 – 7. Reservekorps im Felde

 

Sollte dieses Büchlein jemand finden, den bitte ich dringend, es an meine Frau zu senden. Im voraus vielen Dank. Adresse: Frau H.Baumann, Getreideh., Halle/ Westf. [Deckblatteintrag]

Dies vordere geschrieben am Neujahrstag, den 1. Januar 1915 in Mirillig etwa 18 km hinter Laon, kurz vor dem Schießplatz von … bei wütendem Kanonendonner. 

Am 1. August [1914] erfolgte die Mobilmachung der deutschen Armee. Den zweiten war der erste Mobilmachungstag. Am dritten August mußte ich mich stellen. Nachdem ich von der Familie Abschied genommen hatte, ging ich zum Bahnhof, dort waren viele Bekannte. Nach einem Händedruck rollte der Zug nach Bielefeld. Dort erfolgte Einteilung, gegen 2 Uhr Abfahrt nach Münster. Gegen 8 Uhr abends trafen wir in der Kaserne ein, wurden dort in einem Stall untergebracht. Münster glich schon einem Heerlager, immer neue Transporte liefen ein und fuhren nach der Grenze ab. Wir blieben etwa 4 Tage in Münster, mit Ausrüstung und Einkleidung beschäftigt. Ab und zu abends getrunken.

Verschiedene Spione wurden festgenommen und auch irrtümlich. Am 7. August abends 1 Uhr rückten wir unter dem Jubel der Bevölkerung zum Bahnhof, „die Wacht am Rhein“ singend.

Nachdem wir unsere 50 Wagen verladen hatten, werden wir selbst in Viehwagen verstaut. Gegen 2 Uhr 30 Nachts erfolgte die Abfahrt nach Westen, „ Auf Wiedersehen“. Unsere Fahrt ging Hamm – Düsseldorf. Nachdem wir in Köln im Freien geschissen hatten, ging es weiter nach Düren. Auf der Fahrt sahen wir Tausende und abertausende Soldaten zu Wagen, zu Fuß, zu Pferde und lange, lange Militärzüge, alle drängten nach Westen. Auch begegneten uns viele Züge nach Osten. Der Eindruck der Soldaten war ein gewaltiger, auch von Humor begleitet – die Wagen waren geschmückt mit Eichen- und Birkenlaub und mit bunten Bändern geschmückt. An jedem Wagen konnte man lesen: „Auf nach Paris!“ „ Jeder Stoß ein Franzos!“ und so weiter.

Noch immer hatten wir keine Ahnung wohin es ging. Beim Auszug aus Münster waren sämtliche Namen von den Wagen überklebt, damit kein Spion verraten konnte, zu welcher Kolonne wir gehören und wohin unsere Reise ging. Einen tüchtigen Schnupfen hatte ich mir geholt.

  1. August

Mittags gegen 3 Uhr hielt unser Zug in Düren etwa 30 km von der Belgischen Grenze. Hier mußten wir unsere sämtlichen Wagen abladen, dann ging es im geschlossenen Zug durch die Stadt zum Schlachthof, hier wurden unsere Wagen in Reih und Glied aufgefahren, dann Wache bestimmt und Bürgerquartier bezogen.

  1. August

Morgens wurde mit Aufstellen der Backöfen und Heizen begonnen und Zelte aufgebaut. Dieses nahm, weil alle nicht geübt waren, den ganzen Vormittag in Anspruch. Unser Platz wurde an diesem Tag sehr viel von Zivil besucht. Abends kräftig getrunken.

Montag, 9. August

Nun begann unsere eigentliche Tätigkeit, es wurde richtiges Comisbrot  gebacken. Auch gab dieser oder jener Herr mal etliche M. zum besten dafür wurde Bier gekauft und kräftig getrunken, abends Fortsetzung.

  1. August

Morgens 7 Uhr antreten zum Backen, an diesem Tag war die Hitze unerträglich, da ich stets draußen vor meinem Ofen sein mußte, war die ganze Haut vollständig rot geworden, nur durch fortgesetztes trinken konnte man den Schweißverlust ersetzten.

  1. August

Wieder früh um 7 Uhr auf zum Backplatz, nachmittags war Felddienstübung und Marschieren in unserem neuen Verband, auch damit wir uns an den neuen Kommandanten gewöhnten und die Herren Offiziere sich von ihrer Tüchtigkeit überzeugen konnten. Abends wurde es gewöhnlich spät, beim Bier.

  1. August

Antreten wie früher. 7 Uhr morgens wurde wieder Brot gemacht. Immer mehr Soldaten drängten sich zur Grenze. In einer Nacht passierten 122 Züge den Bahnhof Düren, teils Infanterie, Artillerie und Kavallerie. Nun trafen auch schon große Lastzüge, Autos mit Anhänger ein, alles Proviant für die Truppen.

  1. August

7 Uhr früh antreten, backen wie gewöhnlich, nachmittags Felddienstübung. Zwischendurch löst sich von der fürchterlichen Hitze von Kopf und Armen die Haut ab, habe mein Haupt kahl scheren lassen. Mit Sehnsucht erwartet man schon Nachricht von zu Haus, aber vergeblich.

[…]

Sonntag, 16. August

Antreten 9 Uhr feldmarschmäßig. Dann alles fertig: „ Stillgestanden“. Oberstleutnant:„ Wir rücken jetzt in Feindesland, ich hoffe, daß jeder seine Pflicht tut und mit Hurra“, dann geht es mit strammem Schritt zum Bahnhof mit Gesang, Tücher schwenken , Hurrarufe begleiten uns. Es geht über Aachen. Hier zum letzten Mal bewirtet, dann nach Herbestal. In Welkenrat – Belgien – sehen wir die ersten Verwüstungen, abgebrannte Häuser, zerschlagene Fenster, ganze Dörfer verwüstet. Die Soldaten „Eisenbahner“ führen den Zug ganz langsam, in der Lokomotive steht rechts und links ein Soldat auf dem Trittbrett und hält scharf Auslug. Die Gegend ist furchtbar gebirgig, sehr viel Tunnels. In langen Windungen marschieren die Soldaten. Es dunkelt, langgezogene Signale ertönen. Unser Zug hält in einem Tunnel. Vor uns wieder ein Tunnel, hier hat der Feind 17 Maschinen aufeinander fahren lassen. Tunnel gesperrt. Die Nacht verbringen wir im Waggon, in der dunklen Höhle sieht man nicht die Hand vor Augen. Essen gibt es nicht. Gegen 2 Uhr hört man an allen Ecken Flintenschüsse. Schon kommt Befehl: „ Aus jedem Wagen 8 Mann“.  21 Mann auf Patrouille, auch ich war dabei, in der Dunkelheit hastet man aus dem Tunnel. Unwillkürlich überläuft einen ein Zittern, es wird geladen und los geht’s, grausig hallen die Schüsse in der Nacht. Auf 10 Schritt unterscheidet man nicht ob Mensch oder Tier, doch hat keiner Schaden genommen, der Morgen bricht an, links an der Bahn sehen wir ein zerstörtes Schloß, wir untersuchen und finden Wein und Sekt, nun wird der Erste in Feindesland getrunken. Hier liegen große Haufen Waffen und Kleidungsstücke, zerstreut im Hof viel Munition, es zeugt von der Eile des Abzugs. Ich nehme einen großen Kupferkessel mit zum Kaffee kochen, bald ist jedoch der Weg frei und fort geht es auf Lüttich zu. Gegen 10 Uhr erreichen wir dieses. Man muß dieses gesehen haben, um sich dieses Chaos vorstellen zu können, im Stationsgebäude war alles entzwei geschlagen: Fahrkarten, Stempel, Weinflaschen, Bekleidungsstücke, Landkarten, Stroh. Auf dem Parkettfußboden kochen munter etliche Infanteristen.  Wir sehen die ersten feindlichen Flieger, beschießen diese vom Perron aus. Große Vorräte lagern hier, die ganzen Rangiergeleise stehen voll. Belgische Waggons beladen mit Lebensmitteln aller Art. In den Waggons sieht es zum Teil wüst aus, dort liegen Haufen Speck, von dicken Fliegen und Maden besät, dort liegt ein Heringsfaß entzwei, dazwischen fließt in Bächen friedlich die Butter vermischt mit Öl. Große Gefangenentransporte treffen ein, hier sah ich die ersten Rothosen mit den Zuaven vermischt in langen Zügen. Aus Mitleid habe ich etliche Krüge Wasser geholt, denn die Hitze ist furchtbar.

31.10. – keine Post, bin zum Sterben elend

Nachdem die Nacht gewaltig gefeuert wurde, sollen unsere Truppen in die Französische Linie einen Keil getrieben haben. Nachmittags 4 Uhr wurde bei Soissons ein franz. Flieger herunter geschossen, fiel direkt zwischen beide Schützenlinien. Hierum entspann sich abend ein furchtbarer Kampf auf der ganzen Linie. Seit 30 Stunden liegen wir nun im Waggon und Bahnhof Lüttich und kein Mensch liefert Essen. Vor dem Bahnhof ist das reinste Heerlager. Da kommt der Befehl: „Fertigmachen“ und nun geht es durch Lüttich, durch die herrlichen Straßen mit den großartigen Villen. Im Zentrum vor dem Generalkommando machen wir Halt, um näheren Befehl abzuwarten. Gegen 9 Uhr kam der Befehl. Wieder Abrücken zum Bahnhof. Nun werden die Waggons entladen. Dieses dauert den ganzen Tag bis 9 Uhr abends. Dann wurde abgerückt in die Garnisonsbäckerei. Nun hieß es, wir kommen in eine dunkle gefährliche Gegend. In voller Dunkelheit überschreiten wir die Maas, dann den Kanal. Hunderte Gespanne begegnen uns und auch marschierende Kolonnen. Gegen 4 Uhr langten wir vor der Bäckerei an. Es glich mehr einem Trümmerhaufen. Zeppelin hatte hier Bomben geworfen. Wüst sah es hier aus. In der Dunkelheit tappten wir herum, um eine Lagerstätte für die Nacht zu suchen. Natürlich immer auf Stroh. Das Essen viel wieder sehr schmal aus, trockenes Brot, Wasser durften wir nicht trinken. Es mußte erst untersucht werden. Vereinzeltes Schießen.

Frühmorgens 7 Uhr antreten zum Aufräumen und Backen. Solch eine Schweinerei habe ich im ganzen Leben nicht gesehen. Das läßt sich nicht beschreiben. Ein menschlicher Pestgeruch liegt in der Luft. Man meint ersticken zu müssen. Wenn dies nur keine Krankheit gibt. Hier waren „Patentöfen“. Ich habe diese 5 beaufsichtigt.

19.8.

In letzter Nacht werden wir von Zivilisten in der großen Dunkelheit beschossen. Die Kugeln flogen klatschend an die Mauer ohne Schaden anzurichten. Dagegen ging es an der Maas entgegengesetzt von uns wüst her. Maschinengewehre waren in Tätigkeit. Hier wurde Stundenlang gefeuert, bis die …   die Häuser zusammenschossen, aus sämtlichen Häusern, woraus geschossen war oder jemand mit Waffen angetroffen wurde, wurden nun in Brand gesteckt. Mächtig wehten die Flammen  zum Himmel, so wurden ganze Straßen reichlich 5o Häuser vernichtet, die Universität blieb verschont.

20.8.

Früh deckten ungefähr 50 Leichen den Platz Belgier und Russen. Hunderte von Verhaftungen wurden vorgenommen, diese wurden alle in den Museumshof geschafft, nun setzte das Standgerichte ein. Hier sah man junge Burschen nebst alten Leuten auch Pfaffen. Resultat war, das Nachmittags über 30 Personen erschossen wurden. Herzzerreißende Szenen.

21.8.

Es wurde eine Proklamation erlassen, bis Nachmittags 6 Uhr sämtliche Waffen und Munition abzuliefern. Wer nachdem noch mit Waffen angetroffen wurde, wurde sofort erschossen, dies half, große Posten W. wurden herbei geschleppt

22.8.

Nun hatte ich ständig Tagschicht, morgens wollte ich austreten, da man den Abort vor Schmutz nicht betreten konnte, die ich hinter die Bäckerei, kam an eine alte Ziegelei, kaum hingesetzt, pfiff mir aus den alten Hütten eine Kugel dicht am Ohr vorbei, unwillkürlich hebt man den Kopf zur Seite, kriechend erreichte ich die Bäckerei. Nun wurde alles abgesucht, fanden einen Mann mit Flinte, verhört und erschossen.

23,8.

Gebacken, die Hitze kolossal, jede Nacht auf Stroh schlafen.

[…]

  1. 26. Aug.

Nichts neues, noch immer gibt es keine Post.

[…]

28.8.

Sieben Uhr Abmarsch ohne Brot und Kaffee, geht es immer fort, erst gegen 1 Uhr wird abgekocht, 1 ½ Stunde Ruhe, dann setzen wir uns wieder in Marsch, das Aufstehen fällt schon schwer. 6 Uhr noch sind wir 10 km von Namur. Die ersten Vororte sind in Sicht. Hier sind schon viel Gräber , Schützengräben, Artellerie-Stellungen alles zeugt vom Kampf. Bald erreichen wir das erste Fort, die Deutschfahne flattert, es steigt tüchtig. Hier ein wüstes Durcheinander, nun kommen gefällte Bäume, Drahtzäune, alles zeugt vom Nahkampf, vorm Dorf liegen Tornister, fortgeworfene Gewehre, Munition, Rote Hosen usw. Noch sind die Leute am Beerdigen, Pferdeleiber aufgeblasen im Graben. Das Dorf ist fürchterlich verwüstet, schon fängt es zu Dunkeln, man stolpert so dahin, bei jedem Schritt möchte man aufschreien, zwei große Blasen unter dem Fuß schmerzen fürchterlich, noch sind es 1 ½  Stunden, liegenbleiben kann man nicht, um nicht abgemurkst zu werden, der Wagen ist schon voll Kranker, dann stolpert man wieder in ein Loch, das eine Granate schlug. Nun kommt Pflaster, dann geht es über die Maas, immer tapsen wir im Dunkeln, dann wird in den Anlagen Halt gemacht, eine ¼ Stunde Pause, dann geht es weiter. Jeder zieht sich an seinem Nebenmann hoch. Fast in Knien humpelt man weiter, bis die Beine wieder etwas geschmeidig werden. Dann machen wir Rast in einer Kaserne auf Stroh, Essen nichts, man könnte auch. Das waren bisher die schwersten Tage.

29.8.

Nun sind wir in Namur, um 7 Uhr früh aufgestanden. Man sieht sich nach Kaffee um, trockenes Brot. Dann geht’s zur Bäckerei, wird aufgestellt und angefangen. Ich verdrücke mich in die Stadt, um etwas Eßbares zu kaufen, nichts weiter wie etwas Gehacktes. Dann besichtige ich die zerstörten Häuser, verschiedene brennen noch, Leichen werden vorgezogen, halb verkohlt. Das schönste Gebäude der Stadt, das Museum, liegt auch in Trümmern. Noch ist eine Kelleröffnung vorhanden, daraus holen deutsche Soldaten Wein und Sekt, auch werden Wertgegenstände eingesteckt, ich habe nichts genommen. Abends um 7 Uhr muß ich arbeiten bis früh 7.

3o.8.

Man muß schlafen, vor Hitze und Fliegen ist es kaum möglich. Ein Pestgeruch.

31.8.

Nachmittags Befehl zum Backen, Schluß 11 Uhr abends.

Sept. 1.

Morgens 8 Uhr antreten, dann wird abmarschiert, Richtung unbekannt. Nach dem Übergang über die Maas geht es S.-westlich. Heute wird ein heißer Tag, immer wieder bergan, in Strömen fließt der Schweiß. Gegen Mittag in ………. in einem Dorf. Überall sieht man ….. des Krieges, zerschossene Häuser und Gräber und hungernde Menschen. Ich lag auf meinem Tornister vor einem ärmlichen Hause, der Hunger sah der Frau mit den fünf Kindern aus den Augen, ich gebe der Frau mein Butterbrot, sie teilt es weinend unter die Kinder. Fort ging es wieder. Gegen 8 Uhr abends erreichen wir Charleroi. Hier übernachten wir in der Husarenkaserne auf Stroh. Charleroi ist mit den Vororten etwa 8 km lang. Hauptsächlich Umgegend Bergwerke, es hat auch sehr viel gelitten. Im Zentrum weniger.

[…]

6.9.

Immer heftiger wird die Kanonade, der Himmel Richtung Maubeuge ganz rot, es muß dort furchtbar brennen.

7.9.

Der Brand war auch diese Nacht noch zu sehen.

8.9.

Soeben kommt Nachricht: Maubeuge gefallen, auf unserer Seite 10000 Tote und Verwundete, 40000 Feinde gefangen. Es wurde noch ein Keller mit 15000 Fl. Wein entdeckt, viele Fahrer sind betrunken.

9.9.

Bis 4 Uhr gebacken, Befehl zum Abbrechen.

10.9.

Früh 7 Uhr Abmarsch. Ansprache von Oberleutnant: Heute überschreiten wir zum ersten mal die französische Grenze usw. Hurra, H. H. Dann Abmarsch 8.20 Uhr. Dann sind wir über die franz. Grenze geschritten. Gegen 10 Uhr ziehen wir in Maubeuge ein. An den Straßen liegen haufenweise Gewehre, Patronen, Ausrüstungsgegenstände. Wir arbeiten uns durch dieses Chaos, überall zerschossene Häuser, teils noch in Flammen. Große Kolonnen Gefangener ziehen an uns vorbei, ein Bild des Jammers. Aufgepustete Pferdeleiber liegen noch in den Festungsgräben. Die Backöfen sind noch warm. Soeben hat der Feind aufgehört. Hier ist wieder der Pestgeruch, doch wie eine Erlösung kommt der Befehl: „vor die Stadt rücken!“

[…]

12.9.

Früh 7 1/2 Uhr ist Abmarsch in südlicher Richtung, gegen 5 Uhr erreichen wir Segevilles. In einem herrlichen Schloß werden wir einquartiert. Der Regen fließt in Strömen. Ich habe ein Stück Fleisch aufgegabelt, das wurde am offenen Kamin im Empfangssalon gebraten. Auch finden wir ein Faß Bier vor, schmeckt aber nicht, besonders aus unseren Trinkbechern nicht.

[…]

17.9.

Früh 7 Uhr Abmarsch, es ging nun wieder auf ebene Straße zu kommen immer bergan. Hier hatte ein großes Gefecht stattgefunden. Überall Gräber. Hier ein Kreuzchen, dort ein alter in die Erde gesteckter Säbel, darauf ein Helm, dort sieht man sogar noch eine halbe Hand, ob die von den Krähen wieder frei gescharrt ist, es sieht bald so aus. Am Mittag 1 Uhr kamen wir in „Zwezig“ an, es regnete in Strömen, Hier mußten wir Befehl abwarten, gegen 6 Uhr Befehl: „Aufbauen“. Man watet im Schlamm. Wir suchen uns Quartier. Neben der Sewellbrücke, die von franz. Seite in die Luft gesprengt ist, finden wir ein Haus frei, leider waren alle Fenster entzwei. Da wir Nachtschicht hatten, konnte man am Tage vor Radau nicht schlafen.

[…]

1.10.

Wir führen hier ein schlechtes Leben, ein Hungerleben, das Essen ist kaum noch zu genießen, wenn eben möglich machen wir Bratkartoffeln mit Talg, man muß sich nach dem Essen das geronnene Zeug von den Lippen waschen, ein ekliges Zeug. Als einzige Labsal machen wir Kompott von Äpfeln, diese legen wir auf Brot. Der Magen kommt gleich ganz aus der Ordnung. Schnaps ist nicht zu haben, Bier schon lange nicht gehabt, Tabak kann man gar nicht mehr haben, man bettelt immer wieder die Brot empfangenen Kameraden an, aber nichts zu haben, man verzweifelt bald. Rauchen schon seit Tagen getrocknetes Kartoffellaub, wie lange wird dies Elend noch dauern? Das Wetter ist sehr schön.

10.10.1914

Heute Fliegerbomben geworfen, gingen etwas weit. Glücklich, niemand verletzt. Wühlten große Löcher in die Erde, alles war voll Staub und Dreck. Der … hatte sogar an seiner Maschine deutsche Abzeichen, zwei Kreuze, leider konnten wir, da es zu weit war, nicht mehr herunter schießen.

  1. 10.14

Wie öfter abends lege ich mich hin und denke an die Lieben zu Haus. Wie gut könnte man es haben. Knapp essen, nichts zu rauchen, nichts zu trinken, man sollte wirr werden.

  1. 10.

Heute bekam ich einen Brief von Paula. Das ist die einzige Freude, die uns hier beschieden ist. Eine Zeitung bekommt man nie zur Hand.

14.10.

Der Kanonendonner ist manchmal ohrenbetäubend. Die Fenster klirren, das Haus zittert, man denkt manchmal, es stürzte ein. Dazwischen knattern die Maschinengewehre.

15.10.

Heute war die Luft wieder voll Flieger. Manchmal 3 auch manchmal 4 in der Luft. Die Feindlichen werden immer stark beschossen, ohne zu treffen, … wenigstens nicht.

[…]

19.10.

Auf den Kanonendonner achtet man nicht mehr. Haben diese Woche Nachtschicht, gegen 12 Uhr gehen wir gewöhnlich mit einem Eimer und Spaten los, Flinten auf der Schulter und holen Kartoffeln, unser einziges Labsal.

20.10.

Heute alles ruhig, eine herrliche Mondnacht, schon zum Schwärmen. Brief Paula, schon ein Trost, wie lange noch?

21.10.

Alles beim alten, nur immer hat man Hunger, Kommisbrot trocken schmeckt doch nicht, wir kochen Äpfel und streichen dies auf Brot.

22.10.

Alles ruhig, wie wir nach hier kamen , dachte man, bald sind wir in Paris, aber die Stellungen sind zu fest, ist nichts zu wollen.

23.10.

Heute Brief von Paula, auch eine Zeitung, das ist doch mal was neues. Herrliches Wetter.

[…].

Sonntag, 25.10.

Ruhetag, sehr viel Briefe geschrieben, ab und zu Kanonendonner, um 7 Uhr abends dieser Kappes! W. …  geschrieben über Verbleib der 10 T.  Gerste p. Juli an J. Windmöller, Bielefeld.

26.Oktober

Heute früh 6 Uhr fing unsere Arbeit an bis 8 Uhr abends. Dieser Tag ist von besonderer Bedeutung. Da viel Typhuskranke in Laon liegen, soll vorgebeugt werden. Gegen 6 Uhr wird ¼ l Cognac unter 10 Mann verteilt …hut voll. Seit 6 Wochen der erste Alkohol, keine Post, 11 zu Bett.

[…].

28.10.

Nichts Neues passiert, nur anhaltender Regen, keine Post. Denke sehr viel an zu Haus, an meine Frau. Heute kamen verschiedene Transporte Zivil vorbei. Diese wurden unter Bedeckung in ihre Häuser, woraus sie geflohen waren, geführt, um Kleidung und Nahrung zu holen. Ob wohl noch was da war?

29.10.

Alles beim alten. Am Tage anhaltender Kanonendonner, auch Infanteriefeuer bis zum späten Abend. Heute für unser Zelt 10 Mann einen schweren H… erbeutet, für 3 Tage Fleisch genug, keinen Brief von meiner Paula. Heftiges Geschützfeuer.

30.10.

Außer einer furchtbaren Kanonade 24 Stunden anhaltend mit starkem Infanteriefeuer nichts neues passiert. Auf Jagd ein Eichhörnchen erlegt. Abends Brief von Paula erhalten. Zahnschmerzen!

[…]

4.11.

Nacht gearbeitet. Da verschiedene Fälle Typhus vorgekommen sind, sollen wir gegen 8 Uhr geimpft werden. Es erfolgt eine Einspritzung auf die linke Brust. Gegen 2 Uhr treten Seiten –  stiche nebst heftigem Kopfschmerz ein, diese halten den ganzen Tag an. 5 Uhr 37,8 Temperatur, folgende Nacht kann man nicht arbeiten vor Schmerzen.

5.11.

Nachts unruhiger Schlaf, Temperatur normal 36,3, nur noch anhaltender Kopfschmerz, die nächste arbeite ich noch nicht. Von Paula Brief und Paket mit 27 Zigarren, 1 ½  P. mit 5 Zigarren, nach der Frau 120 M gesandt. 11 R.

[…]

9.11.

Nichts neues. Paket 55 …… Himmel bedeckt. 8 ½ R.

10.11.

Nichts passiert – Brief Paula. Himmel bedeckt 5 ½ R.

11.11.

Nichts neues – Brief Paula – Karte Wehmeyer, Sonnenschein, früh 6/ abend 6.

13.11.

Alles beim Alten – keine Post, Regen, 6 Grad R.

14.11.

Heute zum zweiten mal geimpft, tüchtig Kopfschmerzen, danach 7 Pakete erhalten. 5 Grad R.

15.11.

Noch immer vom Impfen Kopfschmerzen, Brief von Paula, die Erdbeeren blühen im Garten.  5 ½ Grad.

16.11.

Heute nichts neues, nur Regen, man watet den ganzen Tag im Schlamm. Heute 1 Pfund Butter gekauft kostet 2,70 M. 10 G. R.

17.11.

Nacht gearbeitet, es hatte geregnet, man watet im Schmutz, früh kalt, nichts neues, schlechten Traum. 0 G.

[…]

20.11.

Ab und zu knattert es im Wald, Gerüchte sind im Umlauf über einen nächtlichen Angriff der …, es ist schon empfindlich kalt, man muß sich am laufen halten, das man warm bleibt, leichter Schnee, 6 Grad unter 0.

21.11.

Nichts neues, Löhnung 6.30, 35,50 M zu Haus gesandt, 5  unter 0.

22.11.

Sonntag, bin furchtbar erkältet, andauernd Husten, konnte heute nicht arbeiten, Brief Paula, 4. Unter 0.

23.11.

Alles beim Alten geblieben, Post erhalten: L. Müller/ Willi

[…]

3o. 11.

Früh 8 Uhr antreten.  Abmarsch mit Sack und Pack. Wir zogen durch 4 zerstörte und fast ganz verlassene Dörfer. Nach 2 Stunden Marsch machten wir an einem leeren Schloß halt und bezogen Quartier. Leider war nichts mehr heil, die Fenster wurden mit Brettern vernagelt. Auf Stroh schlafen, sehr gefroren.

1.12.

In einer alten Ziegelei wurde unsere Bäckerei eingerichtet. Am Tage mußten die Zelte gewaschen werden. Brief Paula, S. Weinhöfer, Löhnung 6,3o. Wäsche mit Grafenkrone, Kopfkissen mit Heu ausgestopft.

2.12.

Haben uns nett eingerichtet, Tisch von Brettern, alte Kisten als Stühle, schlecht geschlagen, auf dem Haferstroh, Wetter gelinde.

3.12.

Nichts neues, kein Brief.

4.12.

Nichts neues, schlecht geschlafen, sehr unter Rheumatismus zu leiden. Regen.

5.12.

Im neuen Schloß im Spiegelsaale die Bachstube eingerichtet, schade um den schönen Parkettfußboden, sehr mild.

[…]

12.12.

Geht mir heute gut, wieder keine Post, wenn doch einmal dieses Elend vorbei wäre. Sehr milde 15 Gr. über 0.

13.12.14

Ab und zu Artilleriefeuer, sonst nichts neues. Wetter sehr milde. Brief von Paula.

14.12.14

Alles beim alten, nur andauernd schlechter Schlaf auf dem alten Stroh, sehr viel Regen, Wetter gelinde. Handschuhe gebraucht man bis jetzt nicht.

15.12.14

Heute nichts neues, kein Brief von Paula, wie mag es dort wohl aussehen? Ang. … geschrieben, möchte Porto für Paula bezahlen. Mildes Wetter – Regen.

  1. bis 24.

Wenig neues.

Heiligabend 24.12.

Befehl 5.30 Uhr antreten, Feldmarschmäßig, ohne Tornister. Nachdem wir uns in Linie zu zwei Gliedern aufgestellt hatten (Alarmplatz) verliest unser Rittmeister den Tagesbefehl vom Kommandierenden General des 7. Reservekorps. „ An meine tapferen Krieger: Wir feiern heute das Weihnachtsfest wie vor 44 Jahren unsere Väter in Feindesland. Der Feind weiß, wie wir Deutschen an diesem Fest hängen und glaubt, uns an diesem Tage Vielleicht weniger achtsam, darin soll er sich aber getäuscht sehen. Die Schützengräben sind alle verstärkt worden, die Reservetruppen in verstärkten Alarmzustand versetzt. Ich erwarte, daß an diesem Tage jeder seine Pflicht tut wie bisher usw.“ Dann Ansprache durch unseren Rittmeister. Auf die Bedeutung des Tages, es werde der Lieben in Heimat gedacht, der vielen trauernden Witwen und Waisen, der vielen gefallenden Kameraden. Dann noch eine strenge Ermahnung im Fall eines Alarms müßte alles in wenigen Minuten marschbereit sein, dann links um, es geht etliche 100 m weiter zu einer Waldkapelle, dort brennt schon ein fein geschmückter Weihnachtsbaum. Die Kapelle ist zu klein, um uns 180 Mann aufzunehmen, daher stellen wir uns zu vier Gliedern auf im Halbkreis vor der Kapelle, drinnen spielt ein Harmonium „Stille Nacht, heilige Nacht“ und 180 bärtige Männer stimmen ein, dann wird noch „O du fröhliche, o du selige“ gesungen, etliche Solo vorgetragen, dazwischen läuten die Glocken, natürlich nicht die wie Daheim, sondern die schwere Artillerie besorgt dieses mit 15 cm Haubitzen und 21 cm Mörser – dann Kommando: „Stillgestanden, Helm ab zum Gebet“, laut wird „das Vater unser“ gebetet. Man zerdrückt eine Träne im Auge, dann Rückmarsch zum Quartier. Nun werden wir reich beschert. Jeder bekommt ein Paket – Liebesgabe, ich bekam eines aus Löhne, Strümpfe, Gebäck, Zigarren, dann bekam ich fünf Pakete von meiner Frau mit allen guten Sachen, da wird uns aber munden.

25.12.

In der heiligen Nacht wurde hier schwer gekämpft, wir wurden nicht gestört. Ersten Tag frei – bei herrlichem Wetter unternahm Ritzenhof und ich einen Bummel zur Schützenlinie, die Kameraden hatten auch kleine Bäumchen im Schützengraben. Sehr viel Korn stand noch in … auf dem Felde dazwischen Tausende Gräber immer Gräber. Da gegen Abend verschiedene Schrapnells in etwa 50 m Nähe einschlugen, die die Erde aufwühlten und den Schmutz in Haushöhe aufspritzten, zogen wir uns zurück.

Der Speisezettel für Weihnachten:

erstens: Erbsen mit Speck

zweitens: Reis mit Kartoffeln durcheinander

drittens: grünen halb erfrorenen Kappes

das unser Weihnachten – eingereicht zum Eisern Kreuz

Nun ist das Weihnachten 1914 herum, trotzdem wir immer hofften bald zu Haus zu kommen, scheint es noch sehr lange zu dauern, man sollte manchmal verzweifeln. Man hofft leider, leider vergebens. Das Jahr neigt seinem Ende zu. Mit welcher Spannung habe ich sonst der ersten Tage im Neuen Jahr entgegen gesehen, um zu sehen, wie das Geschäft abgeschnitten hatte, in diesem Jahr aber nicht. Heute haben wir sogar für den General Berliner Pfannkuchen gemacht 250 Stück. Natürlich haben wir auch mitgegessen. Leider ohne … und mit Wasser, schmeckten gut.

Überall in der Nähe schießen.

31.12.1914

Der letzte Tag im Jahr. Von dem Rittmeister jeder 1 ltr. Bier erhalten. Dann haben wir noch mit 6 Mann einen schönen Grog gebraut und bis 2 Uhr gefeiert. Leider wurde ein Kamerad verhaftet. Posten …. „ Achten Sie auf den Arrestanten“, Antwort: „ Das ist ja ein Bäcker“, war ihm komisch.

  1. Januar 1915

Heute arbeiten. Der Krieg kennt keine Ruhe. Das Artilleriefeuer ist heute unheimlich, das Jahr fängt gut an. Hoffen wir, daß wir bald zu Hause gehen. Löhnung 6.30 M

6.1.1915

Vorläufig nichts neues, alles geht seinen gewohnten Gang. Ich gebe jeden Tag etliche 1000 Brote aus. Ab uns wird heftig geschossen, aber man hört es kaum mehr. Ich habe öfter eine Sehnsucht nach Paula, aber sehen kann ich sie nicht. Wenn Gustav Wehmeyer nur wieder gesund wird.

Warten auf einen Brief von Paula.

Leider ist die Nachricht gekommen, daß Gustav Wehmyer gestorben ist, wie traurig, so jung an Jahren, so gesund und frisch. Aber der Tod kennt kein Erbarmen. Was will Ricken nun in ihrem Schmerz anfangen. Wer weiß, wann für uns die Stunde schlägt. Wenn ich nur erst Nachricht von Paula habe, das ist zum verzweifeln.

27.1.15

Kaisers Geburtstag. Morgens 10 Uhr antreten. Ordonanzanzug mit Gewehr. Ansprache vom Rittmeister auf die Bedeutung des Tages. Unter dem Salut der schweren Batterien bringen wir ein dreimaliges Hurra auf unseren Obersten Kriegsherren aus. Nachmittags frei.

Zulage 4.90 M.

Am 1. Februar rücken wir von Mailly ab. Marschieren etwa 2o km links auf Reims zu – noch Festung. Sehr viel Truppen sind im Marsch, teils mit uns, teils begegnen sie uns, auch viel Landstürmer mit ihren Tschakos, sieht originell aus, alles Leute mit langen Bärten.

Ist gut, daß wir nicht länger zu dritt im Walde bei 18ooo Brote wachen brauchten, die Bevölkerung ist hungrig. Nachts lagern wir das geladene Gewehr neben uns, das Tor verrammelt, ist jedoch nichts passiert. In … ist es uns gelungen, eine Matratze mit Bettstelle aufzutreiben, da habe ich mal eine Nacht wieder vernünftig geschlafen. Wir fuhren unsere Backöfen in einem Garten auf, mit Weinstöcken bepflanzt, leider mußten diese alle ausgerissen werden.

  1. 2.

Leider kein Brief von Paula. Diese Qual wie es mit ihr geworden ist. Hält man bald nicht aus.

18.2.

Heute endlich Nachricht, daß ein kleines Mädchen angekommen ist, nun ist alles gut, wenn Paula nur nicht zu sehr litt.

21.2.

Heute machte unser Rittmeister beim Appell bekannt, daß ich hiermit zum Oberbäcker befördert bin. Sehr viele Feinde habe ich dadurch bekommen. Viel möchten diesen Posten gern haben. Faß Bier ausgegeben.

28.2.

Alles beim alten. Bin nun schon 7 Monate im Krieg. Hört denn dies Elend nicht bald auf?

17.3.15

Heute am 17. März ein herrlicher Tag. Ein Tag wie unser Hochzeitstag, warm, schön, so richtig zum Schwärmen. Unser Hochzeitstag war sehr eintönig, die … Hochzeit hat mir nicht gefallen, hoffentlich feiere ich mit meiner Paula die Silberhochzeit besser, wie die  … und grüne.[…]

10.2.16

Lange habe ich nicht eingetragen. Der Krieg dauert eben zu lange. Man hat keine Lust mehr. Seit etlichen Wochen liegen wir vor Verdun in Becheville, etwa 12 km  vor uns liegt Fort Duamont. Der erste feindliche Graben ist 6 km vor uns Flaba-Morell. Diese Festung soll unser Kommandeur vom 7. Korps bezwingen, obs gelingt? Der Angriff ist auf morgen früh 8 Uhr angesetzt. Seit langen Wochen ist hier ein großes Heerlager. Durch die vielen Geschütze und Munitionskolonnen sind die Wege fast nicht mehr passierbar, der Schlamm reicht fast bis an die Knie. Stroh zum Schlafen ist nicht aufzutreiben. Ich liege in einer alten Scheune, habe noch etliches Zeitungspapier gefunden, darauf dusele ich die ganze Nacht. Ab und zu huschen die Ratten über mich, dazu tropft es von oben, dieser verdammte Krieg. Der festgesetzte Sturm ist wegen Schneetreiben nicht erfolgt. Die Infanterie ist mißmutig, tagelang auf den sicheren Tod zu warten ist schlimm.

21.2.16

Heute früh 8.10 setzte diese fürchterliche Kanonade ein, die die Welt je gesehen und nie gehört hat, es sollen 10 000 Geschütze beteiligt sein. Neben uns und hinter uns stehen die 42 ….

Man glaubt, die Welt ginge in Stücke.

Familie Baumann 1910. Leihgabe von Christiane Vietmeyer.

Familie Baumann 1910. In der Mitte die sechsjährige Martha, die später das Kriegstagebuch ihres Vaters übersetzte.Leihgabe von Christiane Vietmeyer.