Den Glanz des Kaiserreichs erlebte Halle ein letztes Mal im Sommer 1918. Der Bruder des Pastors Wilhelm Kluck, der hoch dekorierte Generaloberst Alexander von Kluck, hatte im Haller Kreisblatt seinen Besuch angekündigt.
Die bürgerliche Gesellschaft in Halle erlebte diese Tage in feierlicher Stimmung. Man traf alle Vorbereitungen, um es seiner Exzellenz im Lindenstädtchen angenehm zu machen – die Straßen wurden geschmückt, Schulrektor Frederking probte Lieder und Gedichte mit seinen Schülern.
Einer der wichtigsten Plätze in Halle war schon 1916 „von-Kluck-Platz“ benannt worden – ein Geschenk zum 70. Geburtstag des Heerführers. Mehr als 100 Jahre lang – bis 2019 – sollte der Platz seinen Namen tragen.
Doch wer war dieser Alexander von Kluck und warum begeisterte er die Haller dermaßen? Mehr erfahren Sie unter…
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Der Zeitgeist ändert sich, Straßen und Plätze erhalten neue Namen. So wurde der v.- Kluck-Platz in Halle am 11. Februar 2019 in Familie-Isenberg-Platz umbenannt. Der ehemalige Namensgeber Alexander von Kluck, ein in Halle seinerzeit hoch verehrter Heerführer, verschwand dadurch aus dem öffentlichen Gedächtnis. An seine Stelle trat die Erinnerung an die jüdische Haller Familie Isenberg, deren Mitglieder fast alle während der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden. Zeitgleich waren auch elf sogenannte Stolpersteine verlegt worden.
Warum aber hatte der alte Schulplatz an der Langen Straße überhaupt den Namen von-Kluck-Platz erhalten? Die Antwort lautet: am 20. Mai 1916, als der Erste Weltkrieg noch siegreich zu verlaufen schien, hatten die damaligen Stadtverordneten dies so entschieden.
Die Ehrung galt also nicht etwa dem 1912 verstorbenen Haller Pastor Wilhelm Kluck [1], sondern dessen Bruder Alexander, der als Generaloberst des Heeres im deutschen Kaiserreich diente.
Als der Kaiser Alexander Kluck am 28. Januar 1909 in den erblichen Adelsstand erhob (deshalb heißt der Platz „von- Kluck-Platz“) war dieser schon 63 Jahre alt. Er konnte auf Kriegsteilnahmen 1866 und 1870/71 zurückblicken, hatte eine steile Karriere gemacht und zahlreiche Auszeichnungen erworben.
Im ersten Weltkrieg befehligte der inzwischen 68-jährige von Kluck die 1. Armee im Feldzug gegen Frankreich. Seine Erfolge wurden nicht nur in Halle bejubelt, sondern auch in Münster, seiner Heimatstadt, die ihn später zum Ehrenbürger wählte. Und als er im März 1915 lebensbedrohlich verletzt worden war, eilte der Kaiser persönlich an sein Krankenbett.
Runde Geburtstage waren von jeher eine willkommene Gelegenheit für Ehrerweise. In Halle befand man Alexander von Kluck, den man ja gut kannte und im Geiste jener Zeit als Person der Weltgeschichte betrachtete, 1916 für würdig, Namensgeber für den Platz nahe Kisker’s Bogen zu werden, als als Geschenk zu dessen 70. Geburtstag.
Zwei Jahre darauf, im Sommer des letzten Kriegsjahres 1918, war der Besuch seiner „Exzellenz von Kluck“ – so sprach man ihn korrekt an – bei den Haller Verwandten ein großes Ereignis für die Kreisstadt Halle: Man ehrte ihn mit Fahnenschmuck an den Häusern und Vorträgen in Lied und Text. Exzellenz hielt Audienzen und empfing Huldigungen, im Hause sowie im Garten der Familie seines verstorbenen Bruders am „Berliner Tor“ (heute Lange Straße 73).
Aus Münster reiste der Journalist und Schriftsteller Peter Werland eigens nach Halle, um ein Interview mit dem „Sohn der Stadt Münster“, wie er den Kriegsveteran nannte, zu führen.
Wie Werland die Begegnung erlebte, veröffentlichte er später unter der Überschrift „Ein Tag beim Heerführer v. Kluck“ im Münsterschen Generalanzeiger. Er beschrieb von Kluck als „Mann von glänzendsten Geistesgaben und dem unbeugsamen Willen eines echten Soldaten, auf den man mit freudigstem Stolze blicke“.
Der Haller Schulrektor Christian Frederking, gleichfalls ein großer Bewunderer des hohen Gastes, widmete dem Besuch in seiner handgeschriebenen „Kriegschronik“ ganze acht (!) Seiten der Lobpreisung. Im sommerlichen Garten der Familie Kluck brachten Frederkings Schülerinnen und Schüler dem Generaloberst ein Ständchen. Der „kleine Rolff“, Sohn des Haller Fleischfabrikanten, sagte ein Gedicht auf, das Schulrektor selbst verfasst hatte.
Halle sonnte sich im Glanz seiner ExzellenzN ichts lag darum näher, als Alexander von Kluck einen der schönsten Haller Plätze zu verehren.
Wolfgang Kosubek
24. Januar 2019
Die ganze Geschichte des Platzes können Sie hier nachlesen: Dr. Katja Kosubek: „Der von-Kluck-Platz in Halle Westfalen – Stadtleben und Erinnerungskultur, 2018 (PDF).
[1] Wilhelm Kluck, geboren 1841 im katholischen Münster, wurde evangelischer Pfarrer und wirkte 36 Jahre lang an der Johanniskirche in Halle. In seine Zeit fiel der große Kirchenumbau 1886, den er maßgeblich leitete und finanziell großzügig förderte.
Wilhelm Kluck, verheiratet mit Luise Kisker, einer Hallerin, wohnte anfangs im Hause Lange Str. 71 (steht nicht mehr). Später kaufte er das von dem ehemaligen Bürgermeister Peter Gustav Willmanns erbaute Fachwerkhaus Lange Str. 73. Die letzte Ruhe fand Pastor Kluck 1912 in einer marmornen Gruft auf Friedhof III. Alexander von Kluck starb am gleichen Tage wie sein Bruder Wilhelm: am 19. Oktober, allerdings 22 Jahre nach ihm.