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ZeitRaum 7 Aufklärung & RomantikThemenwand Leben in Halle Leinenstoff

Leinenstoff

Leinenstoff, handgewebt | um 1870
Leihgabe von Hermann Bußmeyer

Eine städtische Leinenbleiche gab es spätestens ab 1818 in Halle. Hier wurde der von Natur aus graubraune Leinenstoff 6-8 Wochen lang unter freiem Himmel durch das Tageslicht gebleicht. Erst weißes Leinen konnte weiter verarbeitet werden. Auf die Bleiche kam außerdem Leinenwäsche, wie Servietten oder Tafeldecken, die wieder strahlend weiß werden sollten. Leinen wurde in vielen Arbeitsschritten sehr aufwändig hergestellt und war entsprechend kostbar. Wie man dieses weiße Gold in Halle anfertigte und schützte, erfahren Sie unter

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Details und Hintergründe

Leinenstädtchen Halle

Anbau – Legge – Bleiche

Tipp: Über das Haller Leinen wissen Sie schon Bescheid? Dann springen Sie bitte direkt zum letzten Absatz „Die Haller Bleichen“.

 

Leinen – im Haller Norden aus Flachs, im Süden aus Hanf

Leinen ist ein gewebter Stoff, der aus Flachs oder Hanf hergestellt wird. In Halle wurde wohl schon im 12. Jahrhundert Leinengarn gesponnen und Leinwand gewebt.[1]

Flachs: Aus den Fasern in den Halmen der Flachspflanze kann sehr feines Leinengarn gesponnen werden, aus dem hochwertige Stoffe entstehen. Aus diesen Stoffen wurde bis ins 20. Jahrhundert „Weißwäsche“ genäht, beispielsweise feine Unterwäsche, Nachthemden, Bettwäsche und die kostbaren Tischdecken und Servietten aus Leinendamast. Flachs wurde um 1800 auf den höher am Teutoburger Wald gelegenen guten Böden angebaut, in Eggeberg, Ascheloh, Amshausen und nördlich davon im ganzen Ravensberger Hügelland. Das daraus hergestellte Bielefelder Leinen hatte einen ausgezeichneten Ruf und war sehr gefragt.

Hanf: Aus den Fasern der Hanfpflanze kann festes, haltbares Garn gesponnen werden, aus dem das robuste Löwent (auch Löwentlinnen, Hanfleinen) gewebt wurde. Löwent war das Leinen für den kleineren Geldbeutel. In Halle wurde aus Hanfgarn Segeltuch und Sackleinen hergestellt. Dies war Halles „Spezialität“ und wichtigstes Handelsprodukt. Hanf wurde um 1800 auf den sandigeren Böden im südlichen Umkreis von Halle angebaut, gesponnen und gewebt, so in Künsebeck, Gartnisch, Bokel und Hesseln, vor allem aber in Hörste, das ein regelrechtes „Hanfdorf“ war. In Halle fand im Frühjahr und Herbst ein Hanfmarkt statt, auf dem Saatgut und Leinenprodukte verkauft oder gegen Waren aller Art eingetauscht werden konnten.[2] Das Spinnen und Weben von Leinen war ein notwendiger Nebenverdienst für Kleinbauern und Heuerlinge, die von der Landwirtschaft allein nicht leben konnten.

 

Leinen – Handelsware aus Halle

Leinen war das wichtigste Handelsgut der Haller Kaufleute, wie etwa Abeke, Brune, Hagedorn, Kisker, Potthoff und Upmann. Ihm verdankten sie ihren Wohlstand und Halle einige seiner ansehnlichen Fachwerkhäuser. Zwei dieser Familien, Hagedorn und Abeke, unterhielten Handelskontore in Bremen, die von je einem Sohn geführt wurden.

Die Kaufleute ließen sich von den Webern die ungebleichten Leinenstoffe vorlegen. Wenn die Qualität stimmte, schickten sie die Weber zur Legge, um das Leinen von amtlicher Seite prüfen zu lassen.

 

Legge – Leinen unter der Lupe

Um gleichbleibend hochwertiges Leinen in den Verkauf zu bringen, gab es eine staatliche Prüfstelle für Leinen, die Legge, und ein Gütesiegel, den Leggestempel.[3] Ungestempeltes Leinen durfte nicht verkauft werden! Die Haller Legge befand sich zentral am Lindenlatz, im Haus Bahnhofstraße 4. Sie war dreimal wöchentlich geöffnet. Hier wurde ausschließlich Löwent begutachtet. Das feine Flachsleinen wurde auf der Legge zu Bielefeld geprüft. Der Leggemeister rollte den 60 Ellen langen Stoffballen auseinander, prüfte auf schadhafte Stellen, vermaß ihn genau und zählte stichprobenartig die Fäden mit einer besonderen Lupe, dem Fadenzähler. Je mehr, also je feiner und dichter die Fäden waren, um so höher beurteilte der Leggemeister die Qualität, was sich auf den Verkaufspreis auswirkte. Die Leinwand wurde nun an beiden Enden gestempelt. Dieses Qualitätssiegel erlaubte erst den Verkauf des Leinens. Der Weber kehrte zu seinem Kaufmann zurück und bekam jetzt von ihm die vereinbarte Summe. Das Leinen war noch immer graubraun wie die Pflanzenfasern. Der Kaufmann sorgte nun für die notwendige Bleiche.

 

Die Haller Bleichen

Der Bleichvorgang dauerte bei ungebleichtem Leinen 6-8 Wochen. Dazu wurde das Leinen auf Rasenflächen ausgelegt, beziehungsweise aufgepflockt. Durch das UV-Licht bleicht das Leinen aus und wird vollständig weiß. Um den Bleichprozess zu beschleunigen, wurde das Leinen immer wieder gewässert und gewaschen. Auch Leinenwäsche, wie Unterhosen, Nachthemden und Schürzen wurden nach der Wäsche auf der Rasenbleiche wieder aufgehellt. Aus den Unterlagen im Stadtarchiv Halle wird nicht klar, welcher Art die städtische Bleiche war, ob für die genannten ungebleichten Leinenstoffe oder aber für private Leinenwäsche.

Bekannt ist, dass die Kaufleute Kisker „am Wege nach Tatenhausen“ eine eigene Bleiche für Flachs- und Hanfleinen betrieben.[4] Was über die städtische Bleiche aktenkundig geworden ist, wird im Folgenden zusammengefasst:[5]

Die Bleiche befand sich an einem Bach, auf dessen gegenüberliegender Seite der Fabrikant Carl Kisker seine betrieb.[6] Die Bleiche muss also zwischen der heutigen Bahnlinie und der Masch gelegen haben. Einem Protokoll vom 29. Juni 1818 zufolge wurde sie für sechs Jahre bis 1824 an drei Erbpächter verpachtet und die Bedingungen genannt. Ein Pächter, Johan Vorderbrügge, wird namentlich genannt. Es gab sechs Einzelstücke, deren Pachtgebühren zwischen 2-3 Thaler jährlich lagen. Die Miete war regelmäßig zu Michaeli (29. September, der übliche Zahltag für Steuern, Pacht und sonstige Abgaben) an den Polizeidiener Eickmeyer zu entrichten, bis etwas anderes gesagt werde.

Auf der Bleiche befand sich eine Hütte für einen Wärter. Dieser hatte zum einen wohl die Aufgabe, die wertvollen Stoffe vor Diebstahl zu schützen, und zum anderen musste er das Leinen regelmäßig mit Wasser besprengen. Dazu verwendete man, der mündlichen Überlieferung zufolge, eine Schöpfkelle mit einem langen Holzstiel, um eine möglichst große Reichweite zu erzielen.

Die Bilanzen der Bleiche sind heute nicht zweifelsfrei zu deuten, sollen hier aber dennoch wiedergegeben werden. Unter „Einnahmen der hiesigen Bleiche“ wird von Polizeidiener Eickmeyer ausgeführt: „pro 1819 Michaeli zahlte der Küster Schaade 3 Thaler, 12 Sgr., desgleichen für die Jahre bis 1824.“ Es gab aber auch „Ausgaben der städtischen Bleiche“: „Pro 1819 an ärgster Noth 5 Thaler, pro 1821 an Vorsteher Witte 1.24, pro 1822 desgleichen 6.19, pro 1824 an J. Vorderbrügge 1.30.“

Im Protokoll vom 9. März 1834 wird Pastor Holste als Pächter genannt. Er hatte beantragt, die Pacht der Bleiche für 1834,1835 und 1836 zum vorherigen Mietpreis zu behalten. Zuvor war vergebens versucht worden, die Bleiche zu einem höheren Pachtquanto (Festpreis) zu verpachten.

Als Nutzer der Bleiche werden in diesen Jahren viele der alten Haller Namen aufgeführt, darunter einige wohlhabende Beamtenfamilien wie Tiemann oder Heidsiek. Dies legt die Vermutung nahe, dass es sich bei der städtischen doch um eine Wäschebleiche gehandelt haben muss. Stellt man sich hier unter freiem Himmel ausgebreitete Tischtücher und Servietten aus Damast vor, wird die Beschäftigung eines Wärters dringend notwendig gewesen sein…

 

Ärger um die Bleiche

Ein anschauliches Zeugnis für das Alltagsleben in Halle um 1860 ist eine Eingabe zur Pflege des Baches an der Bleiche.[7] Am 28. März 1859 schrieb der Gerbereibesitzer Carl Kisker an Amtmann Eggers, hochwohlgeboren hierselbst:

Schon vor längerer Zeit habe ich zur Sprache gebracht, daß der auf der hiesigen Bleiche befindliche Wassergraben, welcher meine Besitzung von der Bleiche trennt, durch das häufige Aufwerfen von Erde und durch Unterspülen, meiner Hecke so nahe gekommen ist, daß Letztere umzufallen droht. Die Sache scheint aber in Vergessenheit gerathen zu seyn und erlaube ich mir daher ganz gehorsamst neuerdings anzutragen, daß in dem fraglichen Graben die erforderliche Schutzwehr durch Einrammen von Pfählen und durch Flechtwerk auf Kosten der Stadt hergestellt werden. Es muß dies aber bald geschehen, da die besagte Hecke nicht nur bereits aus der geraden Linie gewichen, sondern sogar schon der diesseitige Ackergrund nachgehauken [d.h. abgesackt, d.V.] ist.
Euer Hochwohlgeboren ersuche ich hierdurch ganz ergebenst das Erforderliche zu veranlassen…

Wolfgang Kosubek & das Museumsteam

Wenn Sie mehr zur städtischen Bleiche oder zum Haller Leinenhandel wissen, melden Sie sich gern! Kontakt…

Handgewebtes Leinen im Ballen vom Hof Banze in Hörste bei Halle Westfalen um 1870

Handgewebtes Leinen im Ballen vom Hof Banze in Hörste bei Halle Westfalen um 1870. Leihgabe von Hermann Bußmeyer.

[1] Heinrich Meise: Die Stadt Halle in Westfalen – Beiträge und Bilder zu ihrer Geschichte, Halle/Westfalen 1969, S. 84.

[2] Ebd. S. 85.

[3] Um die Leinenherstellung im Ravensberger Land zu fördern, war bereits um 1650 ein Edikt vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg erlassen worden, das die Legge obligatorisch machte. Auf dessen Umgehung waren Strafen ausgesetzt.

[4] Hermann Rothert, […] 1906.

[5] Stadtarchiv Halle/Westfalen, Akte A 156: Die Städtische Bleiche, deren Verpachtung, Instandhaltung pp.

[6] Als Lohe bezeichnet man zerkleinerte Baumrinde, in der Regel Eichenrinde, die besonders reich an Gerbstoffen ist. Die Lohgerberei Kisker lag am heutigen Maschweg, südlich des Kreisgymnasiums. Später befand sich auf diesem Gelände die Bekleidungsfirma Bösebeck.

[7] Stadtarchiv Halle/Westfalen, Akte A 156: Die Städtische Bleiche, deren Verpachtung, Instandhaltung pp.