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Währungsreform

Verschiedene Metalle | 1948
Haller ZeitRäume

Höschen, Leibchen, Taschentücher — im Wäschegeschäft Brinkmann war ohne Kleidermarken nichts zu bekommen. Noch Anfang 1948 wurden in Deutschland fast alle Waren bewirtschaftet. Doch dann kam am 20. Juni 1948 die Währungsreform. Wo konnten sich die Haller die neue Deutsche Mark an jenem Sonntag abholen?

Frischgedruckte „Kleingeldscheine“ wanderten in die Portemonnaies, zum Beispiel zu 10 Pfennig oder einer halben Mark. Erst etwas später gab die „Bank deutscher Länder“ auch Münzen heraus.

In der Nacht zum Montag, den 21. Juni geschah dann das Wunder: „Plötzlich waren die Schaufenster wieder voll!“ erinnern sich Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. War das in Halle bei Brinkmann, im Schuhaus Gosebrink und bei Radio Witte auch so?

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Exponat: Währungsreform

"Als die Währung kam..."

Die Geburtsstunde der D-Mark in Halle

Einleitung

„Die deutsche Mark ist mehr als nur ein Zahlungsmittel. Als Symbol der Freiheit und des hoffnungsvollen Neuanfangs erlangte sie in der deutschen Geschichte identitätsstiftende Bedeutung“

Werner Meyer[1]

Auch wenn die historische Wetterchronik dem Juni 1948 geradezu „südländisches  Flair  durch seine mit 17,4 °C warmen Temperaturen“[2] bescheinigt: Die meisten Menschen hatten, wie schon in den schweren Jahren zuvor, vollauf damit zu tun, den Alltag zu bewältigen und wohl nur wenig Zeit, den Frühsommer zu genießen. Im gerade zurückliegenden Winter hatte man wieder gefroren, in Folge der Kriegsschäden herrschte Wohnungsnot, und die große Anzahl an „Ostflüchtlingen“ sorgte für zusäzliche Enge. All dies belastete und beschäftigte die Menschen.

Die Zukunft war noch ungewiss und stellte sich eher düster dar. Die Grundstimmung war vielfach pessimistisch und resignativ. Gezahlt wurde noch immer mit der Reichsmark. Daneben gab es auch eine Vielzahl an Noten der alliierten Militärbehörden. Ohne Lebensmittelmarken und Kleiderkarten war in den Läden nichts zu bekommen. Vielfach wurde aber auch getauscht, knappe Waren – und es war fast alles knapp – teilweise auch mit Naturalien bezahlt. Haller Maler, wie Hermann Goercke, sollen ihre Aquarelle von Haller Ansichten gegen Speck getauscht haben. Der Hunger und die Sorge um das tägliche Brot waren weiterhin ein großes Thema — nicht zu Unrecht, wenn man sich die Lebensmittel-Ansprüche für „Normalverbraucher“ in den Westzonen einmal anschaut.

 

Nachkriegskalorien

In der 114. Zuteilungperiode vom 8. Dezember 1947 – 4. Januar 1948, also für einen Monat, gab es beispielsweise pro Person:

  • Brot: 10000 g (Bremen 11000 g, französische Zone 9300 g Bayern 8000g Niedersachsen 7500g).
  • Nährmittel: ursprünglich 1500, davon werden 500g für Trockenfrüchte abgezogen. Kartoffeln: 9000 g.
  • Fett: 400g
  • Zucker: 1500g
  • Fleisch: 100g
  • Käse: 60 g
  • Dünne Milch: 3 Liter
  • Vollmilch: keine
  • Trockenmilch: 100g,
  • Fisch: 600g (in Bayern 300g)
  • Eier: fünf Stück
  • Trockenfrüchte: 1000 g
  • Kaffeeersatz: 130 g

So sollten Erwachsene 1593 Kalorien pro Tag erhalten (in Nordrhein-Westfalen 1433, in Bayern 1419). Die deckte kaum den Grundumsatz. [3]

Nachkriegszeit in Halle - Der Spülstein in der Küche als Badezimmer. Foto aus Privatbesitz.

Die „Währung“ kommt!

Doch dann keimte die Hoffnung auf eine bessere Zukunft: Am 16. Juni 1948 erklärten die westlichen Militärregierungen, dass sie in ihren Besatzungszonen eine Währungsreform durchführen würden. In den nächsten Tagen steigerte sich der Handel im vereinigten Wirtschaftsgebiet zu nie dagewesener Hektik. Jeder versuchte seine Reichsmark loszuwerden und Dinge zu kaufen, die auch nach der Währungsreform noch einen Wert haben würden. „Die Schwarzmarktpreise stiegen ins Ungeahnte. Für eine amerikanische Zigarette wurden 30 Reichsmark bezahlt. Münzen gab niemand mehr aus der Hand, nahm man doch an, sie würden irgendwie die Währungsreform überstehen“[4]. Am 20. Juni 1948 begann dann für die Haller, wie für alle Deutschen, tatsächlich ein neues Leben: An diesem Tag erhielten alle Bürgerinnen und Bürger die heute legendären 40 Mark in Scheinen als Startgeld, damals „Kopfgeld“ genannt.

Das neue Geld gab es allerdings nicht geschenkt, sondern im Tausch gegen die gleiche Summe in alten Scheinen. Vorzulegen waren der Personalausweis und die Lebensmittelkarten sämtlicher Mitglieder des Haushalts.

Mit dieser Währungsreform verlor die durch den Krieg und die Inflation wertlos gewordene Reichsmark ihre Gültigkeit und der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands begann. „Der Tag X war da! Am 19. Juni, einem Samstag, verkündeten die Westalliierten in einer gemeinsamen Proklamation: ‚Das erste Gesetz zur Neuordnung des deutschen Geldwesens ist von den Militärregierungen Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und Frankreichs verkündet worden und tritt am 20 Juni in Kraft. Die bisher gültige deutsche Währung wird durch das Gesetz aus dem Verkehr gezogen. Das neue Geld heißt ‚Deutsche Mark‘, jede Deutsche Mark hat 100 deutsche Pfennige. Das alte Geld, die Reichsmark, die Rentenmark und die alliierte Militärmark, ist vom 21. Juni an ungültig.“[5]

 

Schwarzhändler in der Klemme

Wie war die Stimmung an jenem Freitag und Samstag? „Was tun in den Stunden, bevor die alte Mark stirbt? Es wurden wilde Partys gefeiert. Schwarzhändler saßen in der Klemme. Mister Bennetts Worte waren unmissverständlich: jeder muss alles anmelden, was er an Geld besaß, auf dem Konto, in der Brieftasche, daheim im Sparstrumpf oder im Koffer unterm Bett. Nur angemeldetes Geld würde umgetauscht in die neue Währung. […] Die Bevölkerung ahnte schon seit Tagen, dass jetzt die Stunde Null der Mark kommen war. Die Schaufenster wurden endgültig leer. Am Samstag zogen alle los, um vielleicht doch noch irgendwo und irgendwo ihr Geld halbwegs sinnvoll loszuwerden. Die Menschen versuchten aufzukaufen, was es nur gab. Kein Trick blieb unversucht…“[6] fasst Werner Meyer Atmosphäte und Aktionismus dieser Tage zusammen.

 

Bekanntmachung in Halle

In Halle erfuhr man offiziell erst unmittelbar vorher von der Einführung der neuen Währung.

In seinen amtlichen Bekanntmachungen vom 18. Juni 1948 informierte der Landkreis Halle in Westfalen:

„Jeder Inhaber von Lebensmittelkarten (für Normalverbraucher oder Teilselbstversorger oder Vollselbstversorger) und jeder Teilnehmer an einer Gemeinschaftsversorgung erhält im Wege des Umtausches gegen Einzahlung von Reichsmark (Altgeld) einen Kopfbetrag in Deutscher Mark (Neugeld). Wer weniger als den festgesetzten Betrag einzahlt, erhält entsprechend weniger. […]

Die Auszahlung erfolgt an einem Sonntag in der Zeit von 08.00 – 18.00 Uhr. Den Empfangsberechtigten wird dringend empfohlen, den Umtausch nicht auf die letzten Stunden zu verschieben. Örtl. festgesetzte Abholzeiten sind einzuhalten. […]

Der Abholer hat mitzubringen: für seine Person den blauen Personalausweis, für alle Personen die Lebensmittelkarten und den Haushaltsausweis, eine Vollmacht,wenn der Abholer für nicht zum eigenen Haushalt gehörige Personen auftritt, das abzugebende Altgeld, abgezählt in möglichst großen Scheinen. […]

Die Abholung erfolgt bei der für den Wohnsitz des Empfangsberechtigten zuständigen Zahlstelle“.

Amtliche Bekanntmachung des Kreises Halle i.W. vom 19. Juni 1948 zur Währungsreform, Stadtarchiv Halle (Westf.).

Wie sah es aus, das neue Geld? Wo konnte man es bekommen?

Der sogenannte Rosenberg Katalog zeigt uns in der Serie von 1948 ausschließlich Papiernoten: Zunächst eine halbe Deutsche Mark, eine Deutsche Mark, des Weiteren 20er, 50er und 100-DM–Scheine. Anschließend tauchte in rascher Folge eine Vielzahl von Serien auf, die insbesondere zunehmend fälschungssicherer gemacht wurden.[7] Die ersten Scheine der Bank deutscher Länder, die mit dem Tag der Währungsreform ihre Tätigkeit als Notenbank begann, waren die Kleingeldscheine (!) zu 5 und zu 10 Pfennig.[8] Die Werte von fünf D-Mark aufwärts zeigten als Notenbild verschiedene figürliche Darstellungen, über die damals viel gewitzelt wurde. So schrieb die Westdeutsche Allgemeine: „…jene mystische Frauengestalt mit dem ondulierten Kopf einer Jungfrau und dem vollschlanken Körper einer bejahten Selbstversorgerin…[9]

Im Amt Halle konnte das neue Geld vor allem in Schulen, Gemeindebüros, Gaststätte oder Kontoren umgetauscht werden.[10] Die Stadt Halle und ihre Bauerschaften hatten ein Dutzend Ausgabestellen: Die Volksschule in Halle die Schulen in Ascheloh, Bokel, Eggeberg, Gartnisch, Kölkebeck und Künsebeck sowie Gaststätte Klack in Hörste. In Versmold war das Kontor der Viehhalle eine Ausgabestelle, in Brockhagen Gaststätte Bille, in Werther der Bankverein, im ländlichen Borgholzhausen unter anderem „Gaststätte Potthoff“ in Barnhausen, aber auch private Räume wie etwa „Wohnung Blaue“ in Hamlingdorf.

Ob es dabei besondere Vorkommnisse gab oder alles glatt lief, das wissen wir nicht. Die Tageszeitung „Haller Kreisblatt“ hatte ihren Betrieb noch nicht wieder aufgenommen. Der wöchentlich erscheinende „Haller Kreisanzeiger“, ein Anzeigenblatt, verrät uns hierzu nichts.

 

Erinnerungen von Hallerinnen und Hallern

Das Museum Haller Zeiträume hat Hallerinnen und Haller zu ihren Erinnerungen an den „Tag X“ und die Zeit danach befragt. Diese Gespräche haben gezeigt, dass es deutliche Unterschiede im Erleben gab, je nachdem, ob wir Einheimische, Ausgebombte, Flüchtlinge und Vertriebene oder eine Kriegerwitwe mit Kindern fragten. Hier einige  Auszüge aus unseren Zeitzeugengesprächen:

Gerda Malberg (geb. 1929 in Kreuzburg/Oberschlesien) lebte 1948 mit Eltern, Bruder und Schwester in Künsebeck Nr. 63. Sie erinnert sich, das von den insgesamt 200 D-Mark der Familienmitglieder ein neuer Herd, „Kochmaschine“ genannt, in Steinhagen gekauft wurde. Bis dahin gab es nur einen kleinen Kanonenofen zum Essenkochen. Die fast erwachsenen Kinder hatten zwar auch ihre Wünsche — die Schwester hätte gerne Nylonstrümpfe gehabt — aber der Herd war allen wichtiger.

Helmut Schmidt (geb. 1928) studierte im zweiten Semester an der Musikhochschule Detmold und weilte 1948 mit zwei Freunden im Urlaub auf Borkum. Er bekam dort an einer Ausgabestelle die 40 D-Mark gegen einen Stempel im Ausweis und sagte auch, man habe auf Borkum lediglich die Fünf- und Zehnpfennigscheine ausgegeben.

Friedel Hoffmann (geb. 1923 in Olau/Schlesien) war 25 und lebte nach der Vertreibung mit Ehemann, Sohn und Schwiegermutter in fremden Möbeln [„Vertriebene hatten ja nichts.“] in einer kleinen Wohnung in Bockhorst, als sie in den Besitz der 120 D-Mark kamen. Die Eheleute schliefen in einem alten Eisenrahmenbett auf einer durchgelegenen Matratze, die beide immer in die Mitte rutschen ließ. Von dem Kopfgeld verlangte der Vermieter die Bezahlung der geliehenen Altmöblierung. Das wurde nicht eingesehen, stattdessen ein neues Bett und ein Herd angeschafft. Auf den erhofften ersten Friseurbesuch wartete Friedel noch lange vergebens. Andere Dinge gingen vor.

Frau Bausch hat keinerlei Erinnerung, sagt aber, man habe 1950 gebaut und ihr Mann, der Oberförster Theodor Bausch („Pappel-Theo“) habe darauf eisern hingespart. Bestimmt auch mit Hilfe der 160 D-Mark für das Ehepaar mit zwei Töchtern.

Fritz Weßlings Vater starb 1945 krankheitsbedingt, und so musste der 13jährige als ältestes der sechs Kinder Vaters Aufgaben auf dem kleinen Hof übernehmen, so auch Transporte aller Art mit Pferd und Wagen. Geld war in den Nachkriegsjahren immer knapp und ohne Zweifel konnte die Mutter diesie sieben mal 40 D-Mark gut für den Haushalt gebrauchen. Fritz durfte die teure Mittelschule in Halle nach Vaters Tod nicht weiter besuchen.

Die Dorfschule Hörste war eine der Zahlstellen. Stadtarchiv Halle (Westf.)

„Über Nacht wurden die Kirschen reif…“

Das merkte die neue deutsche Wochenschau angesichts der Bilder von den Wochenmärkten mit seinen reich beladenen Verkaufsständen sarkastisch an. Das neue Geld brachte schon in dieser ersten D-Mark-Woche erstaunliche Wirkungen hervor. In den Schaufenstern tauchten plötzlich Waren auf, die der Normalverbraucher seit langem nicht mehr gesehen hatte. Jetzt wurden wieder Kochtöpfe, Bestecke, Zahnbürsten, Ledertaschen, Bücher und viele andere Gebrauchsartikel angeboten — ganz ohne Bezugsscheine und zu Friedenspreisen. Ein Volkswagen war gegen Zahlung von 5300 D-Mark binnen acht Tagen lieferbar. Überall kamen aus dem Verborgenen lang entbehrte Waren ans Tageslicht. Selbst die Kühe wurden offensichtlich von der Währungsreform günstig beeinflusst, denn schon in der ersten D-Mark-Woche wurde wesentlich mehr Butter angeliefert als in der Vorwoche.[11] Die Menschen drückten ihre Nase gegen die Schaufenster. Erstaunt, erschreckt, fassungslos ob der Fülle. 1948 war das Angebot im Vergleich zu heute eher dürftig— den meisten erschienen es dennoch märchenhaft. Was man sah, war nichts anderes als unbekümmert enthüllte Horterei. Woher sonst kam die Fülle der Waren, fragte man sich. Die Fabriken hatten nicht über Nacht zu produzieren begonnen, es waren auch nicht über Nacht ganze Lastwagenkolonnen eingetroffen, all diese Radioapparate konnten nicht vom Himmel gefallen sein. Aber das Wunder geschah: Die Kühe geben mehr Milch, verschwundene Schweine ließen sich zur Schlachtbank treiben, und plötzlich wuchs Gemüse, das man lange nicht gesehen hatte. [12]

 

Notizen eines Münchner Rundfunkjournalisten

Da nun fast alles wirder regulär zu kaufen war, stürzten die Preise auf den Schwarzmärkten ab. Die guten Zeiten für Schieber und Schleichhandel waren vorbei. Ein Rundfunkredakeur bereichtete aus München über den Presiverfall:

Montag, 21 Juni: grüner Bohnenkaffee sinkt auf 20 D-Mark, gebrannter auf 25 D-Mark pro Kilo. Amerikanische Zigaretten werden mit 45 D-Mark pro Stange gehandelt. Die bleiben liegen. 50 D-Mark zahlte man für 1 US-Dollar. Ein paar feine amerikanische Damenstrümpfe kosten 40 D-Mark.

Mittwoch, 23 Juni: Wein: 50 bis 100 [zahlte man] pro Liter, heute 2,50 D-Mark. 1 Liter Schnaps kostete 5 D-Mark auf dem dahinsiechenden Markt der schwarzen Geschäfte.

Donnerstag 24. Juni: Radioapparate auf dem schwarzen Markt sind billiger als im Laden. Niemand will sie.“ [13]

Einkaufsmeile - Die Bahnhofstraße in Halle mit dem Wäschegeschäft Brinkmann um 1952. Stadtarchiv Halle (Westf.)

Halle nach der Währungsreform

Der bald wieder wöchentlich erscheinende „Haller Kreisanzeiger“, zunächst nur ein Anzeigenblatt, vermittelt uns in seinen ersten Ausgaben eine Ahnung vom langsam wieder erwachenden kulturellen Leben in der Lindenstadt. Die Ravensberger Lichtspiele in Halle zeigten „Dahinten in der Heide“  mit Hilde Weissner, den Kriminalfilm „Der perfekte Mörder“ und „ Leichte Muse“ mit Willy Fritsch. Der Haller Kulturverein sorgte für Gastspiele: Im Saal Hollmann traten Musiker des Bielefelder Stadttheaters mit einem „bunten Strauß beschwingter Opernmelodien“ auf. Im Gasthaus Gerold in Hörste sowie im Hesseltal gab es öffentliche Tanzabende. Der „graue Renner“ nahm montags, mittwochs und freitags für einen Fahrpreis von 1,20 – 1,50 Mark — einschließlich Rückfahrt — den Omnibus-Betrieb zum Solbad Ravensberg auf, die Fahrt führte über Halle, Theenhausen, Barnhausen und Borgholzhausen. Noch war man sparsam: So bietet im Anzeigenblatt Hugo Wortmann aus Halle an, beschädigte Kaninfelle zu hochwertigem Hutleder aufzuarbeiten. Ab dem 1. Juli 1948 wurde dann die Bewirtschaftung einiger Waren aufgehoben, der „Haller Kreisanzeiger“ nennt hier „inländische Gartenbauerzeugnisse, Futterrüben, Ziegen – und Schafsmilch, Geflügel, Inlandshonig, Süßwasserfische“ und einiges mehr. Immerhin …

 

Wie ging es weiter?

Im Allgemeinen war, mit dem „Kopfgeld“ zunächst sehr sparsam gewirtschaftet worden. Als jedoch die ersten Löhne und Gehälter in D-Mark ausgezahlt wurden, was im Verhältnis 1:1 zur alten Währung, aber in der Regel nur in Raten geschah, da begann die erste große Kaufwelle. Weiteres „Altgeld“, vor allem Erspartes, wurde weniger günstig umgerechnet: „Erst einmal wurden alle beträchtlich ärmer. Das mit den 40 Mark Kopfgeld war nur der Anfang gewesen. Der nächste Schlag: Am 26.Juni 1948 wurde das Geld, das auf den Banken lag, im Maßstab 1:10 abgewertet. 90 Prozent des Kapitals auf der Bank — einfach gestrichen !“ [14]

 

Nun musste erst einmal wieder Geld erarbeitet werden. Und das war bei teils niedrigen Löhnen recht mühsam, wie uns ein Lehrvertrag der Haller Firma Borgers aus dem Jahr 1948 verrät. Dieser wurde im Februar 1948, kurz vor der Währungsreform, geschlossen und das Entgelt später — wie alle Löhne und Gehälter — 1:1 in D-Mark ausgezahlt.

So bekam der junge Fritz Unger im ersten Lehrjahr als Kaufmann im Großhandel gerade einmal 55 D-Mark. Es war noch ein weiter Weg zum Wohlstand von heute. Auch das Verhältnis zwischen den Generationen war nicht 1:1 sondern eher 1:10. Im Vertrag sind die „Pflichten des Lehrlings“ aufgeführt. Es war selbstverständlich „dem Lehrherren und anderen Vorgesetzten Gehorsam und Achtung zu erweisen, […] und sich innerhalb und außerhalb des Betriebes anständig und ordentlich zu betragen…“. Ein Passus, der noch vor den Vorschriften zur Unfallverhütung zu finden ist…

Ganz sicher gibt es noch viele große und kleine Geschichten, Anekdoten und Erlebnisse aus der Zeit der Währungsreform und den ersten Jahren des Aufbaus in Halle zu erzählen. Gern schreiben wir die Geschichte dieser Zeit fort, lassen Sie uns teilhaben an Ihren persönlichen Erlebissen und denen Ihrer Familie und nehmen Sie Kontakt zu uns auf. Wir freuen uns, noch mehr aus dieser spannenden Zeit zu erfahren.

Stefan Plogmann im April 2020

 

Quellen & Literatur

Quellen

  • Stadtarchiv Halle (Westf.), Akte D 335.
  • Haller Kreisblatt-Archiv, „Haller Kreisanzeiger“ vom 2., 9. sowie 16. Juli 1948.

Zeitzeugengespräche (geführt durch Wolfgang Kosubek im März 2020)

  • Gerda Malberg
  • Helmut Schmidt
  • Friedel Hoffmann
  • Frau Bausch
  • Fritz Weßling

Literatur

  • Meyer, Werner: Mythos deutsche Mark  Patmos Verlag GmbH, Berlin 1. Auflage 2001.
  • Roeper, Hans /Weimer, Wolfram: Die D-Mark. Eine deutsche. Wirtschaftsgeschichte, Frankfurt/Main 1996.
  • Rosenberg,Holger: Die deutschen Banknoten ab 1871. Gietl Verlag, Regenstauf 2005.
  • Rittmann, Herbert: deutsche Geldgeschichte seit 1914, München 1986.

Websites

  • Chronik-net, Historisches Wetter, 20. Juni 1948; URL: https://chroniknet.de/extra/wetter/?wetter-datum [online am 17. April 2020].

Das Kino "Ravensberger Lichtspiele" am Alten Markt in Halle. Stadtarchiv Halle (Westf.)

[1] Meyer, Werner: Mythos deutsche Mark, Berlin 2001.

[2] Chronik-net, Historisches Wetter, 20. Juni 1948; URL: https://chroniknet.de/extra/wetter/?wetter-datum [online am 17. April 2020].

[3] Meyer, S. 62.

[4] Rittmann, Herbert: Deutsche Geldgeschichte seit 1914, München 1986, S. 343.

[5] Roeper, Hans /Weimer, Wolfram: Die D-Mark. Eine deutsche. Wirtschaftsgeschichte, Frankfurt/Main 1996, S. 25.

[6] Meyer, S. 102. Jack Bennett und Edward A. Tenenbaum waren die Finanzberater des amerikanischen Militärgouverneurs Lucius D. Clay. Gemeinsam bereiteten sie die Währungsreform in der westlichen Besatzungszone Deutschlands vor.

[7] Rosenberg,Holger: Die deutschen Banknoten ab 1871. Gietl Verlag, Regenstauf 2005, S. 138ff.

[8] Rosenberg, S. 345.

[9] Roeper/Weimer, S. 25.

[10] Stadtarchiv Halle (Westf.), Akte D 335.

[11] Roeper/Weimer, S. 27.

[12] Vgl. Meyer, S. 109.

[13] Ebd, S. 116.

[14] Ebd, S. 148.