Empfindliche leibliche Züchtigung erwartete den Holzdieb, der in den strengen Wintern um 1799 durch die leergefegten Wälder zog. Durch die Markenteilung verloren die Haller ihre gemeinsame Feldmark, in der die Ärmeren sonst ihr Brennholz gesammelt hatten. Wenn bis in den März hinein Schnee lag, wurde darum gestohlen, was sich brennen ließ: Zaunlatten, Bohnenstangen…
„An den Galgen mit den Holzdieben!“ forderten daher manche. Hier erfahren Sie…
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Bitterkalte Winter mit Schnee bis in den März hinein gab es in der Grafschaft Ravensberg immer wieder. Das Frieren war allgegenwärtig. Krankheiten, die durch die Kälte bedingt waren, griffen besonders unter den armen Leuten um sich. Kinder und Ältere starben zuerst.
Warum das lebenswichtige Brennholz so knapp war, welche Formen die „Holzdieberey“ annahm und wie sie bestraft wurde, soll hier anhand von Zeitzeugenberichten erzählt werden.
Daniel Christian Francke, Pfarrer in Werther, beklagt in seinen Aufzeichnungen vom März 1754, dass wegen des Mangels an Brennholz mancher sich durch „Vergreifung an Büschen, Zäunen und Stanketten versündigt“ habe.[1] Der Grund für die Diebstähle waren viel Schnee und harter Frost in einem Monat, in dem bekanntlich der Bauer zur Feldarbeit „die Rösslein anspannt“.
Johann Moritz Schwager widmet dem Holzklau in der Grafschaft Ravensberg während der kalten Winterjahre 1798 und 1799 sogar eine längere Abhandlung.[2] Der Pfarrer aus Jöllenbeck war als Anhänger der Aufklärung ein äußerst wortgewandter Satiriker. Typisch für ihn ist die nicht ganz ernst zu nehmende Empfehlung schwerer Bestrafung und drastischer Abschreckung: „Also um Galgen bitten wir, aber nur um wenige Galgenopfer – zu viel taugt auch nicht…“. Solch harsche Forderungen sollten der moralischen Besserung der Menschen dienen, aber auch die Justiz aus ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Untätigkeit wachrütteln.
Brennmaterial aus den „Gemeinheiten“
Harte Winter trafen die armen Leute ja am empfindlichsten. Sie brauchten Holz zur Bereitung der täglichen Mahlzeiten und um die Stube zu erwärmen. Man holte das Brennmaterial gewöhnlich aus der stadtnahen Feldmark. Deren Flurstücke wurden auch „Gemeinheiten“ genannt, denn zur Nutzung dieser Wald- und Weideflächen waren alle Bürger, sprich die Allgemeinheit, berechtigt. Die gängige Praxis schwand aber, je stärker sich die 1771 eingeführte Markenteilung (eine Art Flurbereinigung) auswirkte. Durch die Teilung und den Verkauf der Feldmark kamen die öffentlichen Flächen (die Gemeinheiten) damals in Privathand. Vielfach wurde nun aus schlechtem Holzgrund neues Ackerland.
Die Holzpreise stiegen, die Bevölkerungszahlen auch und alles zusammen verschärfte die Holzknappheit. Es war deshalb durchaus im Sinne des Preußenkönigs Friedrich II. („Friedrich der Große“), dass die „Criminaljustiz“ Holzdiebe milde bestrafte oder wegen des schwierigen Tatbeweises – wer konnte dem Geäst schon ansehen, woher es stammte – lieber laufen ließ.
Erschwerend hinzu kam die neue Sitte, Pickert zu backen. Dazu wurde aus Kartoffeln, Mehl, Eiern und Schmalz ein Teig gerührt und zum Ausbacken auf die oberste Herdplatte gestrichen. „Das häßliche Gefräß ist allgemein beliebt und kostet ungeheuer viel Holz. Dabei muß der Ofen so heiß seyn, daß man auch im kalten Winter Thür und Fenster öffnen muß“, schimpft der gestrenge Pastor Schwager und verlangt diesen „Luxus“ zu verbieten.[3] Seine Anklage geht weiter: „Er [der Holzdieb, d.V.] stiehlt nachts. Und wird er ertappt, dann rettet ihn der Meineid. Die kleinste Lüge gibt ihm Schutz, der Richter muß ihn laufen lassen. Der arme Eigenthümer sucht bei der Obrigkeit vergebens nach Schutz, der Holzdieb lacht ihm in die Zähne und die Noth zwingt ihn, sein Holz abzuräumen und den Boden in Feld umzuwandeln.“
Schwager geißelt die Plünderung von Knüppeldämmen, von jungem Aufwuchs als „Gestöcke“ für Erbsen und Vietsbohnen, von Stanketten und Zäunen, die, weil schön trocken, besonders beliebt seien. Er sorgt sich, dass es bald kein Holz mehr geben werde, um Schinken zu räuchern, Webstühle und Spinnräder zu bauen.
Die große Hoffnung – Bergbau in Halle
Wie der Jöllenbecker Pastor im Jahre 1801 über einen Aufenthalt in dem „lachenden Städtchen Halle“ berichtet, herrscht auch hier „die Wuth der Holzdieberey“.[4] Sie betreffe aber mehr die königlichen als die privaten Forsten, „denn man hält den König für äußerst tolerant. Mit Privatbesitzern hingegen glaubt man nicht so gut zu stehen, weil die und ihre Leute schießen können.“
Er zeigt sich aber auch zuversichtlich und schreibt: „Bei dem Städtchen Halle hat man in die Bergkette eingeschlagen und hofft Kohlen zu finden.“ Gemeint ist der neue Schacht „Friederike Louise“, durch den Clamor Friedrich Hagedorn (der Schacht ist nach seiner Ehefrau benannt) den Haller Bergbau 1800 wieder in Gang zu bringen versuchte. Heute wissen wir, dass die Flöze für einen lohnenden Abbau zu dünn waren und der Betrieb 1804 wieder eingestellt wurde.
Torf aus den Pfützen
Lob zollt der Kirchenmann den Bewohnern des Kirchdorfs Spenge, die zum Heizen Torf verwenden: „Sie suchen ihn sorgfältig aus jeder Pfütze, aus jedem Morast,“[5] und fragt rhetorisch „warum sollte dies nicht auch im Nordosten der Grafschaft möglich sein?“ Er glaubt: „Torf und Steinkohlen müßten angeschafft werden, Zwang und Noth werden sie schon beliebt machen,“ und wettert „Diebe sind eine Pest des gemeinen Wesens, vor welchen jeder Unterthan vom Staate Sicherheit fordern darf und kann.“ Schwager ist der Ansicht, unseren „so äusserst schädlichen Holzdieben“ sei nicht anders beizukommen, „als durch Schandpfahl und Ruthenstreiche.“
So setzte Johann Moritz Schwager alle seine Hoffnung auf König Friedrich Wilhelm III, der Preußen ab 1797 regierte. Ob er seine Hoffnung bis zu seinem Lebensende – er starb 1804 – erfüllt sah, das darf bezweifelt werden.
Wolfgang Kosubek, März 2012
Lesen Sie hier den oben zitierten Zeitungsartikel über den Holzdiebstahl (PDF) erschienen im Winter 1801 im Westfälischen Anzeiger.
[1] Heinrich Büsemeyer: Die Chronik des Pfarrers Daniel Christian Francke 1749 – 1775 in den Kirchenbüchern von Werther; in : Jahrbuch des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, Nr. 96/2011, S. 7 – 82, hier S. 14. Francke war von 1749 bis 1775 Pfarrer in Werther.
[2] Johann Moritz Schwager: Über den in der Grafschaft Ravensberg eingerissenen Holzmangel, seine Ursachen, und die Mittel, ihm abzuhelfen, nebst einem Worte von den Dieben und Bettlern überhaupt; in: Westfälischer Anzeiger vom 27. Januar 1801.
[3] Ebd. wie auch die Folgenden.
[4] Johann Moritz Schwager: Halle, ein lachendes Städtchen in der Grafschaft Ravensberg, Westfälischer Anzeiger 1801. (Veröffentlichter Reisebericht an einen Freund.)
[5] Johann Moritz Schwager: Über den in der Grafschaft Ravensberg eingerissenen Holzmangel, seine Ursachen, und die Mittel, ihm abzuhelfen, nebst einem Worte von den Dieben und Bettlern überhaupt; in: Westfälischer Anzeiger vom 27. Januar 1801.