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AusstellungZeitRaum 7 Aufklärung & RomantikThemenwand Leben in Halle Wundarzt Schmülling

Wundarzt Schmülling

Edward Jenner nach Ernest Board | um 1910
gemeinfrei

Mit seinem „menschenfreundlichen Gesicht“ beugte sich Wundarzt Schmülling über seine großen und kleinen Patienten. Es war wichtig, ihr Vertrauen zu gewinnen, denn viele hatten Angst vor der Behandlung. Im Haus Lange Straße 33 praktizierte Engelhard Schmülling um 1800 sehr erfolgreich: Eine ruhige, glückliche Hand bewies der 35jährige vor allem bei Augenoperationen. Weit über Halle hinaus erwarb er sich einen exzellenten Ruf als „Star-Stecher“. Zudem gelang ihm eine Pionierleistung der Seuchenbekämpfung, indem er zahlreiche Haller Kinder versuchsweise gegen Pocken impfte ― so wie auf unserem Gemälde sein britischer Kollege Edward Jenner.  Ob auch Schmüllings drei kleine Töchter unter dem Impflingen waren?

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Details und Hintergründe

"Mein ganzes Zutrauen würde er haben..."

Engelhard Schmülling und seine Zeit

Familie Schmülling, Engelhard, seine Frau und die drei gemeinsamen Töchter kamen aus Bielefeld nach Halle. Im Jahr 1799 hatten sie sich ein Fachwerkhaus an der Langen Straße errichten lassen.[1]

Hier lebten sie in bester Gesellschaft: Kaufmann Poffhoff und seine junge Frau wohnten gegenüber, ein paar Häuser weiter der belesene und humorvolle Schulrektor Buddeberg mit seiner Familie sowie Goldschmied Waldhecker, der Freimaurer und Obercontrolleur Friedrich Schultz mit seiner Gattin Petronella und Tochter Friederica, und am Kirchplatz Familie Hagedorn, die gerade den Bergkamp zu einen Landschaftspark gestaltete. Für interessante Gesprächspartner war gesorgt, und mehr noch wenn Besuch kam: Etwa Engelhard Schmüllings Bruder aus Ostindien oder der weitgereiste Pastor Moritz Schwager, ebenfalls ein Freimaurer.

Das Haus Schmülling, ein 1799 errichteter Fachwerkbau, ist derzeit mit Schiefer vertäfelt. Foto: Haller ZeitRäume (2021)

Schmüllings Arbeit und guter Ruf

Pastor Schwager beschrieb 1801 in einem Reisebericht die Lebensverhältnisse und die Menschen in Halle. Ihm ist es zu verdanken, dass wir mehr über Engelhard Schmüllings Wesen und sein segensreichens Wirken wissen:

„Der Wundarzt Hr. Schmülling übertrifft Tausende seiner Kunstgenossen, selbst auch manchen Arzt; seine Geschicklichkeit im Staarstechen lockt manchen Leidenden herbey, und mir ist kein Beyspiel bekannt, wo ihn seine Kunst verlassen hätte, so wie er überhaupt ein sehr guter, glücklicher Augenarzt ist. Sein menschenfreundliches Gesicht erwirbt ihm das Vertrauen des Patienten, seine Humanität ist im Tone seiner Stimme bemerkbar, und mein ganzes Zutrauen würde er haben, wenn ich seiner Hülfe bedürfte. Ich glaube es manchem Westfälinger, der seiner Hülfe etwa benöthigt seyn möchte, schuldig zu seyn, ihn mit diesem glücklichen Staaroperateur  bekannt zu machen; man sucht oft Hülfe, sehr theure Hülfe in der Ferne, weil man nicht weiß, daß man sie sicherer und wohlfeiler in der Nähe haben könnte, und Fremde, die sich an ihn wenden, können in Halle ihr Unterkommen für billige Vergütung finden. Einigen 40 Kindern impfte Herr S. die Kuhpocken glücklich.

Herr Schmülling hat einen Bruder, gleichfalls Wundarzt, der Ostindien größtentheils gesehen hat, auf Malakka Stabsmedicus war, und durch die Einnahme dieser Insel von den Engländern seinen Dienst und sein Vermögen verlor. Er privatisirt jetzt in Halle […].“[2]

Mehr über Familie Schmülling verrät ein kleines Buch im Haller Stadtarchiv, das noch gesichtet und beforscht werden müsste. Aktiv werden…

Hier gaben sich Patienten die Klinke in die Hand. Kastenschloss im Haus Schmülling. Foto: Haller ZeitRäume.

Engelhard Schmülling wurde nur 50 Jahre alt.  Er starb 1816, im gleichen Jahr wie seine 22jährige Tochter Franziska Wilhelmine. Bestattet wurden beide jedoch nicht wie üblich auf dem „Leichenhof“ an der Kirche, wo sich Grab an Grab drängte, sondern weit außerhalb der Stadt. Sozusagen mitten in Gottes Schöpfung richteten sich Schmüllings sich einen kleinen Begräbnisplatz ein. Damit zeigten Schmüllings eine freie Geisteshaltung, die ganz im Lichte der Aufklärung stand.

Die Gräber sind auch heute, 200 Jahre danach, noch dort zu finden, am sonnigen Bergkamp, am Rande des Hagedornschen Landschaftsparks .

Schmüllings älteste Tochter, Henriette Charlotte Amalie, heiratete den Apotheker Gottlieb Kress und begründete mit ihm eine regelrechte Apothekerdynastie. So heiratete deren Tochter zunächst den Apotheker Bernhard Reubert, der jedoch früh verstarb. Mit dem Apotheker Rudolf Eduard Schaeffer ging sie eine zweite Ehe ein.

Schmüllings Nachfahren verkauften das Haus Lange Straße Nr. 33 an Dr. Kranefuß. Mit dem Reichsimpfgesetz von 1874 wurde Kranefuß auch als Impfarzt tätig war und setzte Engelhard Schmüllings Impfungen gegen Pocken fort.

Stammtafel Schmüllung-Kress-Schaeffer, erstellt von Martin Wiegand.

Das Familienbegräbnis am Bergkamp ist heute unter dem Namen „Apothekergräber“ bekannt und gehört seit 2012 als Sehenswürdigkeit zum Geschichtspfad rund um die „Kaffeemühle“. Unweit befindet sich das Begräbnis der Familie Hagedorn-Delius.

Die Nachbarn aus der Langen Straße richteten ebenfalls kleine Privatfriedhöfe am Waldrand ein. Am Lotteberg in Halle ruhen unter anderem die Familien Potthoff, Buddeberg und Schultz. Der Geschichtspfad „Waldbegräbnisse“ verrät mehr.

Das Haus Schmülling, Lange Straße 33, wurde 2019 für denkmalwürdig erklärt und die Unterschutzstellung eingeleitet. Die Eintragung in die Denkmalliste ist noch nicht erfolgt.

 

Dr. Katja Kosubek (Idee & Text) und Martin Wiegand (Recherche)

im Juli 2021

Die Gräber der Familien Schmülling und Kress, "Apothekergräber" genannt. Foto: Wolfgang Kosubek.

[1] Vgl. Stadtarchiv Halle (Westf.), Akten historischer Häuser in Halle, erstellt auf der Basis von Katasterunterlagen durch Eberhard Wiegand.

Es hatte an der Stätte einen Vorgängerbau gegeben, der etwas zurücklag, so dass das Nachbarhaus Nr. 31 (Mönter) seine dort gelegene Toreinfahrt nutzen konnte. Mittlerweile wurde im Nachbarhaus jedoch eine Bäckerei betrieben (Heitmann) und Schmüllings konnten ihren Neubau nun direkt an der Langen Straße errichten.

[2] Johann Moritz Schwager: Halle, ein lachendes Städtchen in der Graftschaft Ravensberg, Westfälischer Anzeiger im Herbst 1801.