Als junge Ärztin kam Dr. med. Margret Albring 1944 ans Haller Krankenhaus — sie war kriegbedingt dienstverpflichtet. Für die 25jährige Großstädterin war die Ankunft im ländlichen Halle ein gewisser Kulturschock, aber dafür war es bombensicher! Schon nach wenigen Tagen stand sie im OP, half bei Geburten und Amputationen, behandelte Zwangsarbeiter ebenso wie Bäuerinnen. Gemeinsam mit dem Chefarzt Dr. Diering hörte sie den britischen „Feindsender“ BBC, und ihre kleine Tochter Ursula verbrachte ihre ersten Lebensjahre auf der Station…
Lesen Sie hier Margret Albring – Erinnerungen – Ärztin am Haller Krankenhaus 1944-1950 (PDF, 104 Seiten, gesetzt mit Titelbild), hören Sie die Erkennungsmelodie des BBC und erfahren Sie
Jedes Exponat hat eine eigene Seite.
Kehren Sie zurück zu
Ausstellung, Themenwand Der Krieg, ZeitRaum 3 Nationalsozialismus und finden Sie weitere interessante Ausstellungsstücke.
Stöbern Sie mit Hilfe des Zeitstrahls weiter durch die Sammlung oder entdecken Sie weiter unten Informationen, die einen Bezug zum gewählten Exponat haben.
Dies war für fünf Jahre die Lebenswelt von Dr Margret Albring und ihrer Tochter, das Haller Krankenhaus von 1876. Detailliert beschreibt sie in ihren Erinnerungen Patienten- und Behandlungszimmer, die Veranda und die Baracken. Erfahren Sie hier auch mehr über den Eiskeller…
Zu den Patienten gehörten auch Kriegsgefangene wie der Franzose Georges Daôut und der Pole Antony Borecki, an den sich Erwin Ellerbrake erinnert. Auch ins Zwangsarbeiterlager der Dürkoppwerke in Künsebeck begleitete Margret Albring ihre Kollegin Dr. M. Oing.
Am 2. April 1945 fragt die Krankenhausküche: „Wann sollen wir das Essen servieren, bevor die Amis kommen oder danach?“ – Wie ein Haller Hitlerjunge den Einmarsch der US-Truppen erlebte, hören Sie hier….
Die Autorin des Tagebuches, Frau Dr. Margret Albring, eine gebürtige Bochumerin, stammt aus der großbürgerlichen Unternehmerfamilie Koppers. Geboren im Jahr 1919, unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges, verbrachte Frau Dr. Albring als junge Ärztin sechs Jahre in der kleinen Kreisstadt Halle in Westfalen. Ihr Chefarzt und Vertrauter war Dr. Gustav Diering, den Sie in ihrem Tagebuch anonymisiert Dr. Harting nennt.[1] Es waren durchaus turbulente Jahre, geprägt von Krieg, Besatzung und Nachkriegszeit in der Provinz, aber auch von ersten beruflichen Erfahrungen und den schwierigen Lebensumständen als junge Mutter im vierten Kriegsjahr. Ihr Ehemann war in Russland, zunächst im Kriegseinsatz, dann in Gefangenschaft. Aus genau dieser bewegten Zeit liegt uns das nachfolgende autobiographische Fragment vor, das die Ärztin 1997 für ihre Kinder und Enkelkinder verfasste. Auf verschlungenen Wegen hat es den Weg zurück nach Halle gefunden. Die Veröffentlichung der 104 Seiten, die sich mit den Ereignissen in Halle befassen, wurde uns freundlicherweise von der Tochter, Frau Ursula Seiler-Albring, und ihren Geschwistern gestattet.
Es war ein trüber, nasskalter Februar-Tag, an dem ich wieder einmal unterwegs war mit Kind, Kinderwagen und mehreren Koffern, diesmal begleitet von meiner Schwiegermutter, die mich liebenswürdiger- und hilfreicherweise begleitete, wohl auch um zu sehen, wohin es nun Schwiegertochter und Enkelin verschlagen würde. In Bielefeld stiegen wir in den „Haller Wilhelm“, den Vorortzug, der auf der Strecke zwischen Bielefeld und Osnabrück verkehrte und seine Ankunft in den kleinen ländlichen Bahnhöfen mit lautem Gebimmel ankündigte. Ich las nun schon zum zweiten Mal die Namen der kleinen Orte wie Quelle oder Amshausen, die mir bis dahin unbekannt gewesen waren. Anders Steinhagen, denn der Name des berühmten Steinhägers in der dicken Tonflasche, war mir allerdings bekannt. Ich wußte nur nicht, daß er aus dieser Gegend stammte. Der letzte Ort vor Halle war Künsebeck, ein nicht gerade schöner Name, der ähnlich wie Kölkebeck, das ich später noch kennenlernen sollte, förmlich nach Landwirtschaft roch.
Ich betrachtete interessiert die Gegend, die jetzt irgendwie meine Heimat werden sollte, zumindest mein Aufenthaltsort. Einmal sah ich vom Abteil-fenster aus eine junge Frau, die gemächlich einen Kinderwagen vor sich her schob. Ich verspürte ein seltsames Neidgefühl. Diese junge Frau war wahr-scheinlich hier zu Hause, hatte hier ihre Heimat, während ich auf dem Weg in eine fremde Welt und in eine Zukunft war, die allerlei Ungewissheiten in sich barg. Welcher Art würde die ärztliche Tätigkeit sein? Wie würde ich mit den Ärzten und den Diakonissen zurechtkommen? Wie mit den Patienten? Ich hatte ja keinerlei praktische Erfahrung. Und daß das Zuhause für mein Kind ein Krankenhaus sein würde, war ja auch nichts Alltägliches. Aber ich war dankbar, daß es diese Möglichkeit überhaupt gab, Beruf und Mutterschaft zu verbinden.
Am Bahnhof Halle mußten wir erst eine Weile warten, bis die Schranken geöffnet wurden, alles geschah mit ländlicher Behäbigkeit. Dann ging es über die Gleise hinweg einige hundert Meter bis zum Krankenhaus. Die Straße war breit, an beiden Seiten standen hohe, offenbar schon sehr alte Laubbäume. Die Straße hieß früher auch Alleestraße, aber jetzt auf höhere Anordnung hin „Straße der SA“…
Zum Weiterlesen öffnen Sie bitte das PDF Margret Albring – Erinnerungen – Ärztin am Haller Krankenhaus 1944-1950 (104 Seiten, gesetzt mit Titelbild. Tipp: Wenn Sie das PDF heruntergeladen haben und von dort aus neu öffnen, können Sie auch nach Stichworten suchen).
[1] Dr. med Gustav Diering wurde am 11. März 1889 in Suttdorf (Kreis Melle) als Bauernsohn geboren. Er besuchte das Gymnasium in Osnabrück und legte dort das Abitur ab. Nach dem Medizinstudium in Kiel und Tübingen arbeitete er bereits mit 23 Jahren als Assistenzarzt in Osnabrück. Hier lernte er nach dem Ersten Weltkrieg den Landrat des Kreises Halle (Westf.) kennen, Dr. Siegfried Roehrig, der den jungen Chirurgen zum 1. Dezember 1921 an das kleine Krankenhaus in Halle holte. So wie Roehrig lebte auch Diering mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern zunächst in einer der Wohnungen im geräumigen Schloss Steinhausen. Die Familie zog 1939 in einen Neubau in Halle-Oldendorf, Am Laibach 30. In der Villa Diering diente das Parterre als Praxis, die erste Etage als Wohnung. Mittlerweile Chefarzt und Leiter des Krankenhauses sorgte Diering für wichtige Neuanschafftungen, wie etwa ein Röntgengerät. Er war nun auch Amtsarzt. Während des Zweiten Weltkrieges fehlte es an Personal, so dass Diering zusätzlich die Abteilung für Innere Medizin betreuen musste. Die junge Assitenzärztin Dr. Margret Albring unterstützte ihn ab 1944. Dem Nationalsozialismus stand Diering ablehnend gegenüber. Gemeinsam mit Dr. Albring hörte er den englischen Sender BBC – ein gefährliches Unterfangen, denn die Gynäkologin des Krankenhauses, Dr. M. Oing, war überzeugte Nationalsozialistin, sie leitete in Halle die NS-Frauenschaft, und auf das Hören des „Feindsenders“ stand die Todesstrafe. Dr. Diering operierte, während ihn sie Sorge um seinen Sohn, der an der Front stand, umtrieb und während Bomberverbände über das Haller Krankenhaus hinwegdröhnten. Als die amerikanischen Truppen Halle im April 1945 erreicht hatten, leistete er auch den Besatzungssoldaten medizinische Hilfe. Dr. Gustav Diering war als stiller, bescheidener und pflichtbewusster Mensch bekannt, die Verleihung des Titels „Kreismedizinalrat“ änderte nichts an dieser Haltung. Er leitete das Haller Krankenhaus 36 Jahre lang. Erst mit 69 Jahren ging er in den Ruhestand und starb bereits vier Jahre darauf. Die Trauerfeier fand auf seinen Wunsch hin im kleinen Kreis statt, Nachrufe erschienen einige Tage später, am 13. Oktober 1962 in der Freien Presse sowie im Haller Kreisblatt.