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Sprudelkiste „Lindenbrunnen“

Sprudelkiste „Lindenbrunnen“

Holz, bedruckt | um 1950
Schenkung von Rita Lübcke

„Wir wollen Sprudel!“ riefen Haller Kinder, wenn sie durstig vom Spielen kamen. Den sollten sie haben – vielleicht nicht jeden Tag, aber zu besonderen Anlässen. Im Jahr 1947 begann in Halle die Förderung des Mineralwassers „Lindenbrunnen“. Das Wasser dafür kam aus 240 m Tiefe unter dem Gelände der Brennerei Kisker, die nach dem Krieg mit Süßmosterei und Mineralwasser einen neuen Produktionszweig eröffnete. Die Kinder mochten den „Lindenbrunnen“ lieber schön süß, als Orangen- oder Zitronensprudel.

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Details und Hintergründe

Exponat: Sprudelkiste „Lindenbrunnen“

Der Lindenbrunnen

Halle schmückt sich gern mit dem Namen „Lindenstadt“. Abgeleitet ist dies wohl von der alten Gerichtslinde, die etwa 800 Jahre lang das Ortsbild prägte. Im Jahr 1726 wurde sie zum Entsetzen der Haller Bürger gefällt. Die Linde hatte „vor dem Westtor des Kirchhofes“ gestanden, dort wo die Haller für gewöhnlich ihre Markttage abhielten.

Zur Erinnerung an die Gerichtslinde nannten die Bürger ihren  Marktplatz nun „Lindenplatz“ und pflanzten fortan viele weitere Linden: auf dem Kirchplatz, auf dem Alten Friedhof und entlang der Chausseen… Um 1930 sollte Halle „Luftkurort“ werden und machte Halle seinem Beinamen „Lindenstadt“ alle Ehre.
Bis heute wird der Name der Linde gerne verliehen. So gibt es einen Wanderweg, der „Lindenweg“ heißt, die „Lindenschule“, das „Lindenbad“ und die „Linden-Apotheke“.
Ehemals beliebte Gaststättten, die „Lindenstube“ an der oberen Bahnhofstraße und der „Lindenhof“ an der Alleestraße, haben inzwischen das Zeitliche gesegnet. Die Schankwirtschaft „Unter den Linden“ trägt heute den knappen Namen „Gasthof Hollmann“.
Das Wasser des „Lindenbrunnens“ sprudelt auch nicht mehr.
Von ihm soll im Folgenden die Rede sein.

Der "Lindenhof" an der mit Linden gesäumten Alleestraße um 1950. Das Fachwerk-Ensemble wurde um 1990 abgebrochen, um Platz für Textil-Discounter zu schaffen. Foto: Albert Buck.

Der Lindenbrunnen war keine öffentliche Erfrischungsquelle, sondern ein von der Firma Wilhelm Kisker genutzter Mineralbrunnen. Er reichte erstaunliche 240 Meter (!) tief in die Erde – vergleichbar mit der Länge der Bahnhofstraße vom Lindenplatz (Lange Straße) bis hinunter zum Rathaus I (Ravensberger Straße).

Der Tiefbrunnen lag auf dem hinteren Betriebshof  der Firma an der unteren Kiskerstraße. In der dort befindlichen Fabrik wurde nicht nur Alkohol erzeugt und in Spirituosen und Likören trinkfertig zubereitet – wie schon immer – sondern auch Fruchtsäfte und Mineralwasser abgefüllt.
Erbohrt (man sagt auch „abgeteuft“) wurde der Brunnen 1905/1906. Kommerzienrat Eduard Kisker (der II.) hatte die Brennereikapazität wesentlich erhöht und benötigte deshalb mehr Prozess- und Reinigungwasser. Für das Einmaischen des Getreides erwies sich das sonst hochwertige Mineralwasser allerdings als ungeeignet. Der Brunnen blieb danach 40 Jahre lang ungenutzt.

Da Eduard Kisker (der III.) 1938 eine Süßmosterei gegründet hatte und seitdem auch die Herstellung und Abfüllung von alkoholfreien Getränken in Flaschen möglich war, erinnerte man sich an die verborgene Quelle. Gleich nach dem Krieg installierte die Firma Kisker unter der Marke „Lindenbrunnen“ als weiteres Standbein eine Mineralwasserabfüllung. Die Räume der der ehemaligen Kisker’schen Tabakfabrikation (auch die hatte es einmal gegeben) boten zunächst ausreichend Platz.

Gelände der Firma Kisker um 1950 mit Kiskerhaus und Remise. Leihgabe: Firmenarchiv Brennerei Kisker

Einige Jahre später, 1960, wurde das alte Fabrikgebäude an der Langen Straße zu einem hochmodernen Abfüllbetrieb für Fruchtsäfte und Erfrischungsgetränke umgebaut. Statt der alten rotbraunen Backsteinfassade prangte das Gebäude nun in futuristischer Glasbausteinoptik – gleich neben den alten Fachwerkhäusern am Kirchplatz.

Die umsatzstärksten Monate der neuen Abteilung lagen naturgemäß im Sommer und im Herbst. Waren die Haller vorher vor allem die bäuerlichen Schlempewagen gewohnt, manövrierten nun immer mehr Lastzüge auf dem engen Betriebshof, um Paletten mit „Sprudel“ zu laden. An heißen Tagen bis spät in den Abend hinein.
Im Herbst wartete die Mostpresse auf ihren Einsatz und entzog den waggonweise eintreffenden Äpfeln ihren kostbaren Saft.
Der Lindenbrunnen wurde in den Ausführungen „Mineralwasser“ (0,25l und 0,7 l ), „Zitrone“ und „Orange“ (0,7l) hergestellt und war in der „Normbrunnenflasche“ mit den charakteristischen Noppen (Perlen) zu haben.

Der Bau des neuen Fabrikgebäudes der Haller Brennerei Wilhelm Kisker vor 1960. Leihgabe: Firmenarchiv Brennerei Kisker.

Bald kam noch „Florida-Boy“ ins Sortiment, ein Fruchtsaftgetränk, das in Lizenz produziert wurde. Allmorgendlich verließen die kleinen Verkaufsfahrzeuge der gelb-grün-orange-farbenen Florida-Flotte den Hof und strebten in alle Richtungen davon.

Mit der Zeit rückte die Wohnbebauung immer dichter an das Betriebsgelände heran. Es hatte Beschwerden über die Zunahme des Fahrzeugverkehrs gegeben und ganz ohne Lärm war das Flaschenleergut auf dem holprigen Hof natürlich auch nicht zu bewegen.
Es wurde klar, dass der Firmenstandort an der Kiskerstraße irgendwann aufgegeben werden müsste.

247 Jahre lang hatte die Familie Kisker in acht Generationen an dem Standort mitten in Halle gehandelt und produziert.
Die unternehmerische Entscheidung, in einen Betriebsneubau nach Künsebeck umzuziehen, kam einer Zäsur gleich. Sie bedeutete nämlich die Aufgabe des „Lindenbrunnen“ und damit des alkoholfreien Geschäftszweiges.

Reklame für Florida Boy Limonade, zeittypische Werbegrafik der 1960er Jahre. Foto: Micky Waue.

Die Spirituosensparte wurde 1979 umgesiedelt, 1981 folgte die Alkoholerzeugung.
Ein Jahr später feierte die Wilhelm Kisker GmbH das 250. Firmenjubiläum unter der Anschrift Kiskerstraße 1 . Denn die Verwaltung verblieb im Bürogebäude gegenüber dem Kiskerhaus, wo Johann Anton Kisker die Firma 1732 gegründet hatte.

Wolfgang Kosubek
April 2021

 

Wir danken der Brennerei Kisker für die freundliche Leihgabe der Fotos aus dem Firmenarchiv.

Das 1960 errichtete Fabrikgebäude an der Langen Straße (mit Mineralwasserabfüllung und moderner Glasbaustein-Fassade) wurde zu Beginn der 1980er Jahre abgerissen, da der Betrieb in die Künsebecker Heide verlegt worden war.. Foto: Firmenarchiv Brennerei Kisker.