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AusstellungZeitRaum 2 Nachkriegsjahre & WirtschaftswunderThemenwand Anfangen & Aufbauen Straßen- und Tiefbau Reckmeyer

Straßen- und Tiefbau Reckmeyer

Foto | um 1967
Leihgabe von Heino Fuhrken

Das große Anbaggern begann in Halle 1953. Durch den Krieg und die mageren Nachkriegsjahre waren zivile Bauprojekte völlig zum Erliegen gekommen. Jetzt stand in Halle der Ausbau der Infrastruktur an erster Stelle: Die Stadt hatte in weiten Teilen noch keine Kanalisation, viele Wege waren unbefestigt. Heino Fuhrken und Johnny Germann gehörten zu den Männern, die mit ihren Maschinen Straßen, Kanäle und Baugruben anlegten. Sie waren Mitarbeiter der 1953 gegründeten Firma Reckmeyer. Deren junge Inhaberin, Margret Zintz, brachte ihnen noch 1970 ihre Lohntüten auf die Baustellen.

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Details und Hintergründe

Das große Anbaggern

Geschichte und Projekte der Firma Reckmeyer - Straßen und Tiefbau in Halle

Haben Sie gewusst, dass es einmal mitten in Halle eine große Straßen- und Tiefbaufirma gab?

Die  „Reckmeyer Straßen- und Tiefbau KG“ hatte ihr Betriebsgelände am Klingenhagen 4, dem Bahnhof gegenüber auf der anderen Seite der Gleise. Wo früher die gelben Bagger kurvten, stehen heute die Häuser der Diakonie und das Begegnungszentrum.

 

Von der Gründung bis zur neuen Firmenchefin

Zu Beginn der Wirtschaftswunderjahre, am 1. April 1953, gründete August Reckmeyer sein Unternehmen. Nach dem Krieg, der alles lahmgelegt hatte, gab es viel zu tun. Aber aller Anfang war auch in Halle schwer. Bei Reckmeyer wurde das Wichtigste zuerst errichtet: eine Garage, die zugleich als Büroraum diente. Sie war viele Jahre lang der Dreh- und Angelpunkt des Betriebes. Erst in den Jahren 1961 bis 1962 kamen ein Werkstattgebäude mit Aufenthaltsraum und eine Lagerhalle hinzu, nachdem ein weiteres Teilgrundstück zugekauft werden konnte.

Nach dem Tod des Firmengründers im Jahre 1970 führte seine Tochter, Margret Zintz geb. Reckmeyer, den Betrieb als persönlich haftende Gesellschafterin weiter. Zur Seite stand ihr der Technische Leiter, Diplom-Ingenieur Theodor Riemen. Er war im Jahre 1963 in die Firma eingetreten und erhielt zehn Jahre später Prokura.

Luftbild - Halle (Westf.) um 1964 mit dem Betriebsgelände der Firma Reckmeyer vorn in der Mitte. Zu sehen sind außerdem Post, Bahnhof und Realschule. Fotoausschnitt: Stadtarchiv Halle (Westf.)

Anspruchsvolle Projekte – Straßennetz und Kanalisation

In den Aufbaujahren nach den Zweiten Weltkrieg stand in Halle der Ausbau der Infrastruktur an erster Stelle: Die Stadt hatte in weiten Teilen noch keine Kanalisation, viele Wege waren unbefestigt, statt eines Bürgersteigs gab es nur einen Grünstreifen am Wegesrand. Die junge Tiefbaufirma erhielt in dieser Zeit überwiegend öffentliche Aufträge, es wurden Straßen– und Wirtschaftswege sowie Kanäle geschaffen. Aufgerissene Straßen und röhrende Bagger prägten das Stadtbild.

Die Straßen wurden in der Anfangsphase mittels der sogenannten „Setzpacklage“ gebaut. Dabei wurden Steine durch entsprechende Werkzeuge angespitzt. Dadurch fielen die Spitzen in die Lücken der anderen Steine. Sodann kam eine schwere Walze zur Verdichtung zum Einsatz und darüber brachten die Mitarbeiter Bitumschichten auf. Später kamen nur noch Steine aus Steinbrüchen zur Verwendung. Der Kalkabbau entlang des Teutoburger Waldes nahm gewaltige Ausmaße an. Wie an einer Perlenschnur reihten sich die Steinbrüche: von Hesseln über Ascheloh nach Künsebeck.

Als größtes und kompliziertestes Projekt im Kanalbau (Stichwort „Wasserhaltung“) sahen Margret Zintz und Theo Riemen die Fertigstellung des Kanals in Richtung Künsebeck an, der die Firmen im dortigen Industriegebiet – wie etwa die Brennerei Kisker – an das System anschloss. Über viele Kilometer musste das nötige Gefälle exakt angelegt werden.

Eine Herausforderung war auch die Großbaustelle Kreisgymnasium Halle (Westf.), mit ihren unterschiedlichen Ebenen der Gebäudetrakte, Schulhöfe und Turnhallen sowie dem tiefen „Bücherkeller“ unter der zukünftigen Hausmeisterwohnung.

Arbeiten der Firma Reckmeyer in der Rosenstraße in Halle. Foto: Heino Fuhrken.

Sie machen den Weg frei

Die Landschaft rund um Halle war kleinteilig: Hügel und Felsen, Kuhlen und Senken oder mäandernde Bächlein erschwerten das Bewirtschaften der Felder und Wiesen. Im Zuge einer „Flurbereinigung“ sollte um 1970 nicht nur zersplitterter Grundbesitz zu großen Flächen zusammengelegt, sondern oft auch eine Melioration durchgeführt werden. Um effizient und maschinell zu bewirtschaftende Felder zu erhalten, wurden ebenmäßige Flächen geschafften.

So war auch die Firma Reckmeyer in den Jahren 1965 bis 1970 in der Landschaftsgestaltung tätig. Für die Landwirtschaft, besonders in den Ortsteilen Hörste und Kölkebeck, etwa im Bereich Barrelpöhle, wurden Hügel abgetragen und großflächige Begradigungen durchgeführt. Lagen größere Hindernisse im Weg, beispielsweise Steine, Felsen oder Baumstümpfe, so wurden sie von Sprengmeister Johann (Johnny) Germann fachmännisch beseitigt.

Für die Holzwirtschaft mussten Waldwege geschoben, mit Schotter gefüllt und gewalzt werden. Danach waren sie befahrbar für den Forstverkehr.

Ein Baugebiet nach dem anderen entstand zu dieser Zeit in und um Halle. Unzählige Keller von Mietshäusern und Eigenheimen schachteten die Mitarbeitern der Firma Reckmeyer aus.

 

Schweres Gerät im Einsatz

Bei vielen dieser Aufgaben kamen große Maschinen zum Einsatz, wie etwa der Schaufellader oder der Gräder, bei dem der vordere Schild drehbar ist und der Fertiger, durch den beim Straßenbau die letzte Schicht (Asphalt) aufgebracht wurde.

Nicht nur in Halle kamen Reckmeyers versierte Maschinenführer und ihr schweres Gerät zum Einsatz. Die Aufträge führten die Beschäftigten der Firma auch bis ins Lippische sowie in die Gegenden um Riemsloh, Bünde und Lübbecke.

Das Kreisgymnasium Halle (Westf.) im Bau. Die Firma Reckmeyer hat eine riesige Grube für den "Bücherkeller" ausgeschachtet. Foto: Heino Fuhrken.

Die Chefin bringt die Lohntüte

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Mitarbeiter der Firma, die ab 1974 die Bezeichnung „Reckmeyer GmbH & Co. KG“ trug, noch per Lohntüte ihre Bezahlung erhielten. Firmenchefin Margret Zintz holte das benötigte Bargeld persönlich von der Sparkasse ab, füllte Scheine und Münzen in die Tüten und brachte diese selbst zu den Kolonnen an ihrem jeweiligen Einsatzort und Arbeitsplatz. Heute erscheint dieses Auszahlungsverfahren abenteuerlich. Vorher gab es jedoch bereits wöchentliche Abschläge, die auch schon einmal von der einen oder anderen Ehefrau eines Beschäftigten mit oder ohne dessen Wissen abgeholt wurden.

Ab 1971 wurde bei Reckmeyer die Elektronische Datenverarbeitung von Finanz- und Betriebsbuchhaltung sowie Baulohn in einem externen Rechenzentrum eingeführt. Nach einer Anpassungszeit von ein paar Monaten war es also mit der Barzahlung vorbei.

In den 1970er Jahren waren bei der Firma Reckmeyer 30 bis 60 Mitarbeiter beschäftigt, in anderen Zeiten sogar 60 bis 100. Bis zum Ende des Betriebes pendelte sich die Zahl bei ca. 30 ein.

 

Erreichbar ohne Handy?

Ein großer Schritt zur Erleichterung der Arbeit war die Anschaffung einer beweglichen Betriebsfunkanlage im Sommer 1964. Über die Frequenz 147,67 Mhz konnten nun Lastwagen, Schaufellader und andere Fahrzeuge mit der Zentrale am Klingenhagen und untereinander in ständiger Verbindung kommunizieren. Die neue Technik, es war die erste im Kreis Halle, brachte einen ungeheuren Zeitvorteil, und ungezählte Kilometer konnten gespart werden, da der Ingenieur Theo Riemen nicht jedes Mal zu den Baustellen im gesamten Kreisgebiet fahren musste oder die Mitarbeiter jeweils zur Zentrale. Da sich mit der Zeit auch andere Firmen auf dieser Frequenz bewegten, konnten die einzelnen Teilnehmer auch Funkgespräche mithören, die eigentlich nicht für ihre Ohren bestimmt waren. Wie viele lustige Begebenheiten mögen sich dabei ereignet haben?

Margret Zintz, Chefin der Firma Reckmeyer um 1970. Foto aus Familienbesitz.

Eiskalte, schneereiche Wintertage

Die Firma Reckmeyer versah über einen langen Zeitraum auch den Straßenwinterdienst. Dazu mussten die Baufahrzeuge zu Streu- und Räumfahrzeugen aufgerüstet werden. Aufträge gab es hier nicht nur von der öffentlichen Hand, wie der Stadt Halle (Westf.), sondern auch von privaten Betrieben, zum Beispiel von der Firma Storck, deren Parkplätze und Betriebszugänge vor dem Hintergrund der wechselnden Schichtdienste schnee- und eisfrei gehalten werden mussten – und das bereits zu sehr früher Stunde. Auch viele Landwirte wandten sich an Frau Zintz oder Herrn Riemen, um die Firma Reckmeyer zu beauftragen, ihre Wirtschaftswege vom Schnee zu befreien und auch frei zu halten. Man sollte hierbei bedenken, dass die Winter damals auch in Halle viel kälter und länger waren und es auch öfter und mehr geschneit hat als heute.

Ganz andere Einsätze gab es hin und wieder in Künsebeck, wenn es auf der Mülldeponie des Kreises Gütersloh brannte. Zu jeder Tages- und Nachtzeit mussten dann Mitarbeiter der Firma Reckmeyer mit schwerem Gerät vor Ort sein, um den brennenden Müll auseinander zu schieben und somit die Flammen zu bekämpfen.

 

Kunstvolle Arbeiten

Die Pflasterarbeiten auf dem Kirchplatz rund um die evangelische Kirche wurden im Jahr 1974 von Pflasterern der Firma Reckmeyer durchgeführt. Hierbei kam der sogenannte Bauspion zum Einsatz, ein Winkelmesser zur Berechnung des Gefälles am Bauplatz. (Hier geht es zum Bauspion -> museum digital owl) Jeder einzelne Stein aus der Lausitz wurde nach den Vorgaben der Künstlerin Ute Yael Niemeyer  mit der Hand gelegt. Das Material wurde eigens aus der damaligen Deutschen Demokratischen Republik herangeschafft. Es ist erstaunlich, wie gut die Zusammenarbeit mit den betreffenden Stellen des anderen deutschen Staates funktioniert hat, bedenkt man die damalige politische Situation in Zeiten des Kalten Krieges. Auf dieses Projekt war die Firmenchefin besonders stolz. Dieselben Pflasterer haben übrigens auch das Mosaik im Forum der Volksbank Halle gelegt, das heute noch nach dem Umbau im Bereich des Brunnens zu bestaunen ist.

Winter 1970 auf dem Haller Kirchplatz. Stadtarchiv Halle (Westf.)

Kurzarbeit und Übernahme

In den Jahren 1974 bis 1975 gab es eine Rezession in der Bauindustrie. Die Auftragslage verschlechterte sich und am 1.4.1978 musste ein Teil des Betriebes verkauft werden. 1980 bis 1981 folgte ein weiterer schwerer Rückgang der Konjunktur, so dass Kurzarbeit gemacht und auch Mitarbeiter entlassen werden mussten. Am 31.12.1985 kam es zur Betriebseinstellung und die Firma Reckmeyer wurde durch die Firma Dieckmann in Versmold übernommen. Margret Zintz und Theo Riemen gelang es, alle zu der Zeit angestellten Reckmeyer-Mitarbeiter bei der Firma Dieckmann unterzubringen. Hier geht es zum Firmenschild -> museum digital owl.

Ältere Haller Bürgerinnen und Bürger mögen sich vielleicht noch an einige Mitarbeiter der Firma erinnern. Namen wie Günter Gebauer (Mambo), Heino Fuhrken, Herbert Flottmann, Johann (Johnny) Germann, Alex Wrona, Walter Farthmann, Georg (Schorsch) Kardolsky, Anton Kaminski, Arno Karsten oder Herbert Neitzel, die als Maschinenführer, Pflasterer oder als Maurer beschäftigt gewesen und bei vielen Menschen in Halle bekannt gewesen sind.

Andreas Germann

 

Heino Fuhrken (dritter von links) und Kollegen. Foto: Privatbesitz.

Am 1. März 2019 gaben Margret Zintz und Theodor Riemen dem Museums Haller ZeitRäume ein Zeitzeugeninterview. Das aufgenommene Tondokument liegt dem Museum vor, Ausschnitte sollen perspektivisch an dieser Stelle veröffentlicht werden.

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