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Karte des Laibachverlaufs

Papier, Bleistift, Aquarellfarben | um 1780
Landesarchiv NRW Münster

Einmal den Laibach entlang führt diese Karte, angefertigt vom Feldmesser J.H. Siekendiek um 1780. Er lässt das „Haller Herz“ rechts liegen und begleitet den Laibach vom heutigen Beckmanns Hof über Schloss Steinhausen – mit seinen Stauteichen, Mühlen, Wiesen und Gehölzen – bis hin zum Schloss Tatenhausen. Die Karte ist nicht maßstabsgetreu, darum muss eigentlich von einem Plan gesprochen werden.

Vergleichen Sie die heutige Situation mit der von 1780. Können Sie Vertrautes entdecken?

Hier finden Sie die original Karte (PDF 10 MB) und eine überarbeitete Fassung (PDF 10 MB). Mehr zur Karte, was sie zeigt und wie sie entstand, erfahren Sie unter…

 

… alle Details und Hintergründe

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Details und Hintergründe

Wie diese Karte entstand...

Der „Feldmesser in preußischen Diensten“, Johann Hermann Siekendiek, kam viel herum in Ravensberg. Seine kunstvollen Karten und Situationspläne entstanden zum großen Teil im Zuge der sogenannten Markenteilung, die zu dieser Zeit in Halle und ganz Preußen vorbereitet wurde. Markenteilung heißt, dass die Feldmark – von den Hallern allgemein und frei genutzt – aufgeteilt und privatisiert wurde. Bei Grundeigentümern war Siekendieks Arbeit äußerst gefragt. Seine schmucken Karten schrieben den neu erworbenen Privatbesitz fest und waren wichtige Dokumente, falls es zu einem Streit kommen sollte – und dazu kam es oft![1]

In Halle ließ beispielsweise der Leinenkaufmann Abeke 1784 seinen Grundbesitz von Siekendiek kartieren. Ein kleiner Ausschnitt dieser Karte zeigt den Kirchplatz und die Lange Straße. Dies ist der älteste „Stadtplan“ von Halle!

Für einen unbekannten Auftraggeber erstellte Siekendiek die hier gezeigte Karte mit dem Titel „Die Oldendorfer Masch, die Rute- und Altheide“[2] . Oldendorf war eine eigenständige Bauerschaft westlich von Halle und wurde erst wesentlich später zu Halle eingemeindet.[3]

Das Original der Karte liegt im Landesarchiv NRW in Münster. Siekendiek hat es nie fertiggestellt. Es ist zum Teil nur mit Bleistift vorgezeichnet und noch nicht coloriert.

Steinhauser Wald - was ist Steinhausen?

Heute kennen die Älteren das Gebiet in der oberen Mitte der Karte noch als „Steinhauser Wald“, abgeleitet von Schloss Steinhausen, das hier über Jahrhunderte als Adelssitz der Familien von Wendt und von Ledebur stand. Halles großer Gelehrter Hermann Adolph Meinders wurde 1665 hier geboren. Was an Ländereien zum Schloss gehörte, ist auf Siekendieks Karte zu entdecken. Um 1948 erwarb der Süßwarenhersteller Storck aus Werther das Land, um eine „Fabrik im Grünen“ zu bauen, mit Anschluss an das Schienennetz. Bald darauf wurde das Schloss abgebrochen; damals bestand kein Interesse daran, es zu erhalten. Heute entdeckt man im Wald am Steinhauser Weg zwei Reihen erstaunlich hoher Buchen. Das ist die Allee, die einst auf das Schloss zuführte.

Eine „Masch“, also ein Feucht- oder Sumpfgebiet, ist der Steinhauser Wald stellenweise noch immer. Etwas weiter südlich finden sich aber auch die Spuren einer Sanddüne, die sich von Künsebeck über den Westen Halles bis nach Versmold zieht.

 

Ausschnitt Steinhausen der Karte Oldendorfer Masch mit Schloss Steinhausen und Sandhügeln von J.H. Siekendiek um 1780, Landesarchiv NRW, Münster.

Was zeigt die Karte?

Doch zurück zur Karte. Zu sehen sind oben der Haller Kirchplatz und die Lange Straße sowie der Schulzenhof (heute Kita Beckmanns Hof). Von dort aus folgt die Karte dem Laibach. Er fließt nach Steinhausen, das frei in der Landschaft liegt, mit seinen Teichen und Wiesen, bis zum Steinhauser „Gehölz“, Großkamp genannt. Der Bach treibt eine oder zwei Wassermühle an (daunter die Bokemühle), und flutet schließlich den Wassergraben von Schoss Tatenhausen mit seiner Orangerie und seinem „Thiergarten“, einem Gehege, das schon an „Boeckel“  grenzte.

Es sind mache noch bekannte Wege zu erkennen, wie etwa die Arrode und der Paulinenweg, parallel zum Ruthebach. In die überarbeitete Fassung der Karte haben wir in kursiver Schrift Erläuterungen eingefügt, beispielsweise „Sandhügel“ an der heutigen Brandheide so dass die Orientierung nicht ganz so schwer fällt.

Ausschnitt Schloss Tatenhausen der Karte Oldendorfer Masch von J.H. Siekendiek um 1780, Landesarchiv NRW, Münster.

Biographisches zu Johann Hermann Siekendiek[4]

Der Bauernsohn Johann Hermann Kleinebecker wurde am 23. Februar 1731 in Oesterweg bei Versmold geboren. Seine Eltern konnten den Hof Siekendiek in Bockhorst übernehmen, wobei der Hofname blieb und auf die Familie überging.

Johann Hermann heiratete mit 21 Jahren eine junge Frau aus Borgholzhausen. Zugleich übernahm er großen Hof seiner Eltern und führte die dazugehörige Mühle. Eine Begegnung mit dem promovierten Geometer Christian Ludolph Reinhold (1739–1791) brachte die Wende im Leben von Johann Hermann Siekendiek: Er assistierte Reinhold zunächst, wobei seine schöne Handschrift nützlich war, zeichnete und führte selbst komplizierte Berechnungen durch. Wie er zu dieser Bildung gelangte, ist bislang ein Rätsel – selbst für den Historiker Sebastian Schröder, der sich mit Siekendiek und seinem Werk beschäftigt. Auf diese Weise studierte Siekendiek die Arbeitsabläufe und wurde schließlich selbständig als Feldmesser tätig. Doch nicht nur das:  „Siekendiek plante auch ausgeklügelte und technisch bahnbrechend anmutende Entwässerungsanlagen mit Tunneln und ‚Kunstwerken‘.“ Denn schon „Johann Hermann Siekendiek und seine Zeitgenossen planten große Eingriffe in die Natur, etwa bezüglich der Entwässerung der Moore oder der Anlage von Kanälen etc..“[5] Der vielseitige Feldmesser starb am 17. Dezember 1811. Es blieb eine große Zahl an Markenteilungskarten, entstanden ganz im Sinne der Aufklärung, die Welt zu vermessen und zu erklären.

Heute zerschneiden Westumgehung, Autobahn und Stromtrasse die einstige Oldendorfer Masch – eine etwas andere Art der „Markenteilung“.

Katja Kosubek

 

Danksagung

Für die freundliche Unterstützung zur Veröffentlichung und Erläuterung der Karte danken die Haller ZeitRäume

Dr. Rolf Westheider und Sebastian Schröder.

Der Kartenausschnitt "Neue Mühle" zeigt Siekendieks kunstvolle Arbeitsweise.

[1] Nicht selten wurde Siekendiek gerufen, wenn es einen konkreten Streitfall gab. Einmal waren der Colon Meyer und Nachbar Froneman im Kirchspiel Hörste  aneinander geraten, ein anderes Mal beanspruchte die „Amtmännin Schulze“, die einen Fahrweg über den Hof des Nachbarn Berkman (Stadtarchiv Bielefeld, Kartensammlung, 400 08 0855 02).

[2] Die betreffende Karte trägt den Titel: „Vermessung der Oldendorfer Masch, der Rute- und Altheide. Vorderseite von Haus Steinhausen bis Osieks Hof. Rückseite von Halle bis Haus Tatenhausen“. Sie entstand vor 1783. Landesarchiv NRW, Abteilung Münster, Signatur W_Karten_A-08308_r_Oldendorf_Halle_Siekendiek, Größe 61x71cm.

[3] Die Eingemeindung der Bauerschaften Oldendorf und Gartnisch zu dem flächenmäßig kleineren Halle erfolgte 1938.

[4] Er selbst schrieb sich „Johan Herman Sieckendieck“, Vgl. Stadtarchiv Bielefeld, Kartensammlung, 400 08 0855 02.

[5] Sebstian Schröder: Kartograph und Tausendsassa – Johann Hermann Siekendiek aus Versmold-Bockhorst, unveröffentlichtes Manuskript, 2021.

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