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AusstellungZeitRaum 5 Kaiser & VaterlandThemenwand Kreisstadt im Kaiserreich Erntehaube

Erntehaube

Leinen mit Blaudruck | 1890-1920
Leihgabe von Hermann Bußmeyer

Vor Sonne, Staub und Insektenstichen schützte eine Erntehaube. Sie wurde von den meisten Mädchen und Frauen in Ravensberg getragen, während sie im Sommer auf dem Feld schwere körperliche Arbeit leisteten, wie etwa das Garbenbinden oder Heuaufladen.

Zwischen 1870 und 1900 wandelte sich Deutschland vom Agrar- zum Industriestaat. Menschen zogen vom Land in die Städte und fanden Arbeit in den Fabriken. Die bäuerlichen Familien mussten bald nicht nur sich selbst ernähren, sondern ein ganzes Volk „mit durchziehen“.

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Details und Hintergründe

Landleben in Ravensberg

Von den Menschen, ihrer Arbeit und von der Sehnsucht…

Zwischen 1870 und 1900 entwickelte sich Deutschland vom Agrar- zum Industriestaat. Manch einer, der nicht sein eigenes, sondern das Land des Bauern beackerte und somit zur „unterbäuerlichen Schicht“ gehörte (Landarbeiter, Heuerlinge, Knechte und Mägde) , überlegte sich, vom Land in die Stadt zu ziehen, um Arbeit in einer Fabrik zu finden. Industriestädte wie Bielefeld, mit seinen Spinnereien, Webereien und „Metallbuden“, erlebten in diesen Jahren einen starken Zustrom und ein rasantes Bevölkerungswachstum. Die Landwirtschaft hingegen entwickelte sich von der bäuerlichen Selbstversorgung zur Lebensmittelerzeugung für ein ganzes Volk.

Um 1910 war Deutschland die zweitstärkste Industrienation der Welt. Technik und Fortschritt machten die Deutschen stolz. Aber ihre Sehnsucht galt der alten, ländlichen Welt, die unaufhaltsam entschwand. Die Romane der Haller Schriftstellerin Margarete Windthorst sind dafür ein Beispiel. Das Landleben wurde zu einem verklärten Traumbild: einer „heilen Welt“, die es in der „guten alten Zeit“ einmal gegeben haben soll…
Leben und Entwicklungen auf dem so genannten „platten Lande“ sollen hier dargestellt werden.

Ernte auf dem Hof Wesselmann in Eggeberg 1912

Ernte auf dem Hof Wesselmann in Eggeberg 1912. Leihgabe von Martin Surmann.

1. Die Menschen auf dem Hof

Auf dem Hof lebten in der vorindustriellen Zeit der „Colon“[1], seine Frau und die gemeinsamen Kinder. Viele Kinder zu haben — gesunde Kinder, die auch erwachsen wurden — war ein Zeichen von Wohlstand. Zur Lebensgemeinschaft gehörten daneben die Eltern des Bauern oder der Bäuerin, außerdem jüngere oder unverheiratete Geschwister, sowie Mägde und Knechte.
Zur Arbeitsgemeinschaft des Hofes zählten zudem die Heuerlinge[2], die in den nahegelegenen Kotten wohnten, und beim Bauern „Hand- und Spanndienste“ leisten mussten. Auch in den Heuerlingsfamilien gab es viele Kinder, nicht zuletzt als Arbeitskräfte. Auf dem Hof wurden je nach Saison zudem weitere Landarbeiter bzw. Tagelöhner beschäftigt.

Der Hof diente in erster Linie der Selbstversorgung, er musste also Familie und Gesinde ernähren und mit dem Lebensnotwendigen versorgen: Alle Grundnahrungsmittel wurden selbst hergestellt, den Bedarf an Bau- und Brennholz deckten eigene Wäldchen, und für Kleidung oder Wäsche aus Leinenstoff sorgte der Flachs- oder Hanfanbau.
Überschüsse wurden verkauft. Die wenigen Dinge, die man nicht selbst herstellen konnte, mussten dazugekauft werden. Das waren beispielsweise Salz, Petroleum oder auch Geschirr.

Colon Wesselmann und seine Frau in Eggeberg um 1912

Colon Wesselmann und seine Frau in Eggeberg um 1912. Leihgabe von Martin Surmann.

2. Das neue Leben in der Stadt

Diese alte Ordnung wurde spätestens in den Jahren 1870-1914 aufgebrochen.
Durch die medizinische Forschung sank die Sterblichkeit, besonders bei Kindern.[3] Die Tuberkulose, über 200 Jahre die häufigste Todesursache in Halle, wurde zurückgedrängt.

Es entstand auf dem Land ein Bevölkerungsüberschuss, der in die Städte abwanderte.[4] Viele gingen sogar als Auswanderer nach Übersee. In den Städten entstand so eine neue Gesellschaftsschicht, die der Arbeiterinnen und Arbeiter. Manche konnten im Garten hinter dem Haus eine Ziege, Hühner oder Kaninchen halten und bauten etwas Gemüse an, so wie sie es zuhause auf dem Bauernhof gelernt hatten. Zum Leben reichte dies aber nicht. Andere scheiterten gleich bei ihrer Ankunft an der Wohnungsnot in den Städten. Als so genannte Schlafgänger mussten sie sich stundenweise ein Bett bei Privatleuten mieten. Ob mit oder ohne eigenes Bett — die Stadtbevölkerung musste vom Land ernährt werden.

In den zerrissenen Familien sehnte man sich nacheinander. So entstand das Bedürfnis nach Kommunikation und Mobilität.
Das neue Verkehrsmittel Eisenbahn dampfte ab 1886 auch nach Halle und stillte für die Länge eines Besuchs die Sehnsucht oder das Heimweh. Trost spendete auch ein Brief oder ein Paket: Überall im Kaiserreich wurden in diesen Jahren schmucke Postämter gebaut, so wie das Postamt in Halle 1899.

Das Postamt in Halle um 1930

Das Postamt in Halle um 1930. Leihgabe von Jörg Buck.

3. „Mit durchziehen“ – Nahrung für die Städte

In den Städten — selbst im kleinen Halle — entstand eine neue Lebensform, die so ganz anders war als die bunte bäuerliche Hofgemeinschaft: die Kleinfamilie, bestehend aus dem Paar und seinen Kindern. Auch der Tagesablauf unterschied sich: Wurde der Tag auf dem Hof mehr oder weniger gemeinsam durchlebt, verlief er in der Stadt, getaktet durch den Wechsel zwischen Arbeitsort und Wohnort, weitgehend getrennt von der Familie. Es fiel den ehemaligen Landbewohnern schwer, sich diesem Reglement zu beugen. Das weiß man beispielsweise von den Ravensberger Heuerlingen, die in den Bielefelder Spinnfabriken arbeiteten.[5]

Der wissenschaftliche und technische Fortschritt sorgte auch dafür, dass die Erträge der Bauern stiegen. Noch immer gab es Heide- und Brachflächen, die kultiviert, und Feuchtwiesen, die entwässert werden konnten. Dazu kam der Einsatz von Kunstdünger im Getreideanbau.[6] Erste landwirtschaftliche Maschinen, wie etwa der Heuwender und später der Dampfdrescher, sparten Arbeitskräfte und –zeit. Die Tierzucht machte Fortschritte und zeigte Erfolge. Der Landwirtschaftliche Ortsverein Halle i.W., der schon 1838 ins Leben gerufen wurde, informierte über alle neuen Entwicklungen und bot den Bauern die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen.[7]

Die Kreisstadt Halle Westfalen 1908. Blick vom Teutoburger Wald (Egge) auf die Wertherstraße. Leihgabe von Familie Mickler.

Die Stadt Halle/Westfalen im Sommer 1908. Die ersten Industriebetriebe erkannt man an ihren hohen Schornsteinen. Schenkung von Kurt Mickler.

Auch die berufliche Ausbildung der Jungbauern an Landwirtschaftsschulen zielte auf die Professionalisierung und Ertragssteigerung. Unterrichtsthemen waren u.a. Melioration, Bodenkunde, Düngerlehre, Maschinenkunde, Buchführung.[8]
So hoffte man, die Städter „mitversorgen“ zu können.

Die Kreisstadt Halle war für das Umland ein naheliegender Abnehmer, ebenso die expandierende Arbeiterstadt Bielefeld. Aber vor allem das Ruhrgebiet verschlang Unmengen an Lebensmitteln. Für die Bauern war dies ein riesiger Absatzmarkt.[9] Erschlossen wurde dieser durch die Eisenbahn. Die Haller Landgemeinde Hesseln bekam 1904 einen eigenen Bahnhof. Säckeweise wurden hier Roggen, Weizen und Kartoffeln angeliefert und Thomaskali abgeholt.[10]Trotz der Ertragssteigerung war die deutsche Landwirtschaft aber nie in der Lage, das ganze Volk zu ernähren. Die Industrienation Deutschland war auf die Einfuhr aus dem Ausland angewiesen.

Schüler und Lehrerkollegium der Landwirtschaftsschule des Kreises Halle (Westf.) um 1926. Einer der Lehrer ist Christian Frederking. Foto: Haller ZeitRäume.

4. Die Tiere – Rohstoff der Nahrungsindustrie

Seit etwa 1870 eroberte billiges Getreide aus den USA, Russland oder Großbritannien das deutsche Kaiserreich.[11] Mit solch niedrigen Preisen konnten die westfälischen Bauern nicht mithalten. Sie atmeten auf, als Reichskanzler Otto von Bismarck hohe Einfuhrzölle auf Getreide verhängte. Als Bismarcks Nachfolger Caprivi 1891 die Zölle senkte, zeigte sich, dass der Getreideanbau ein unsicheres Geschäft war. In diesen Jahren trat der Anbau von Kartoffeln und Futterrüben in den Vordergrund. Viele Bauern stiegen auf die Tierzucht um.

Ein großes Vergnügen war ab 1844 jedes Jahr im Sommer das Tierschaufest in Tatenhausen. Von nah und fern kam man nach Halle, um an diesem gesellschaftlichen Ereignis teilzunehmen und sich nebenbei auch für Rinder, Schafe und Geflügel zu interessieren. Gewaschen und gestriegelt warteten die Tiere darauf, vorgeführt zu werden, Bäuerinnen und Bauern sahen hoffnungsvoll der Preisverleihung entgegen, während sich die Kinder eine Fahrt mit dem Karussell oder eine Bratwurst wünschten.

Einmal im Monat fand um 1890 der Viehmarkt in Halle statt. Auf dem Lindenplatz wurden Kühe, Schweine und ganze Wagenladungen von Ferkeln angeboten.[12]

Feldarbeit - Lieschen und Heinrich Prange beim Pflügen mit ihren Pferden in Künsebeck um 1920. Foto von Heinrich Baumann, Leihgabe von Inge Stoppenbrink.

Der Lebensstandard in Deutschland stieg. Fleisch und Butter konnten sich die Familien jetzt öfter leisten. Durch geschickte Züchtung lieferten die Tiere immer mehr Milch und Fleisch.

Besonders die Schweinemast versprach ein gutes Geschäft und expandierte „geradezu atemberaubend“[13]:
Auf einem mittleren Hof in Ravensberg fütterte man traditionell 1-2 Schweine an, die man im Winter selbst schlachtete und zu westfälischem Schinken, zu Rauchenden und Wurstebrei verarbeitete. Damit hatte die Familie ausreichend Schweinefleisch zum Eigenbedarf.

Im Kaiserreich erhöhte sich der Fleischkonsum rapide. Dies bestätigen Viehzählungen, die im Kreis Halle regelmäßig stattfanden: Die Zahl der Schweine verdreifachte sich in den Jahren zwischen 1873 und 1892 und verdoppelte sich bis 1904 noch einmal![14]

Tierschaufest in Tatenhausen 1932. Eine Sau mit Ferkeln und Dackel. Standbild aus dem Film "Tierschaufest 1932", Leihgabe aus Privatbesitz.

Betrieb ein Bauer eine Schweinemast, wurde nicht mehr auf dem eigenen Hof geschlachtet und verarbeitet. Stattdessen kam der Viehhändler und kaufte gleich mehrere schlachtreife Tiere. Diese machten ihre letzte Reise im Viehwaggon der Eisenbahn, zum Beispiel mit dem „Haller Willem“. In Halle angekommen, wurden sie die Bahnhofstraße hinauf durch die Innenstadt getrieben, wo die Fleisch- und Wurstwarenfabrik Rolff auf sie wartete.[15]
Tiere wurden zum Rohstoff einer industriellen Nahrungsmittelproduktion.

Der Eingang zur Fleischfabrik Rolff, Bahnhofstraße/Ecke Gartenstraße in Halle. Stadtarchiv Halle (Westf.)

5. Der Traum von der „guten alten Zeit“…

Ende des 19. Jahrhunderts trugen manche Bäuerinnen noch ihre Trachtenhaube zum Gottesdienst am Sonntag, oder doch zumindest an Feiertagen. Doch schon ab 1906 sind auf Gruppenfotos der evangelischen Gemeinde Halle keine Hauben mehr zu sehen.
Je weiter die alte, ländliche Welt mit ihren Traditionen entschwand, umso größer wurde das Bemühen, sie festzuhalten. Die Romane der Schriftstellerin Margarete Windthorst sind ein Haller Beispiel dafür. Und auch der Amtmann Karl Wolf aus Halle notierte in „Freud und Leid im Kreise Halle i.W. 1800-1905“ für die Nachwelt, was ihm an alten Bräuchen aus der Grafschaft Ravensberg noch bekannt war.

Trachtenhaube (Samt, Seide, Leinen) Ravensberg 1870-1900. Hlle Westfalen. Leihgabe von Heinz Kahmann.

Trachtenhaube einer jungen Frau vom Hof Kahmann in Gartnisch. Leigabe von Heinz Kahmann.

Museen kauften in diesen Jahren komplette „Bauernstuben“ auf, plattdeutsche Wörterbücher wurden verfasst, ein buntillustriertes „Westfälisches Trachtenbuch“ erschien, die Trachtenpuppen des Jungdeutschen Ordens fanden ihre Bewunderer und der Bielefelder Historiker Eduard Schoneweg sprach mit den noch lebenden Zeitzeugen: Wie war das damals mit dem Flachsbau?[16].

Viele Dinge des ländlichen Alltags verloren ihren praktischen Nutzen und gewannen den wehmütigen Zauber des Nostalgischen. Das Landleben der vorindustriellen Zeit wurde zu einem Idealbild verklärt, das mit der damaligen Lebenswirklichkeit oft nicht mehr viel gemein hatte.
Dahinter stand der Wunsch nach einer weniger komplizierten Welt als die der Gegenwart.

Wer sich vom Tempo der neuen Zeit, von der Buntheit der Ideen und von den erstaunlichen Fortschritten überfordert fühlte, suchte nach Einfachheit und klarer Orientierung – nach „ehernen Gesetzen“, nach Tradition. Wer sich als Städter verloren und entwurzelt fühlte, sehnte sich nach etwas, an dem er sich festhalten konnte: Heimat.
Unter diesen Vorzeichen, Tradition und Heimat, entwickelten sich nach 1900 zahlreiche Vereinigungen mit verschiedener Zielsetzung. Darunter waren konservative und rechts-konservative Gruppierungen, die ihre Wurzeln in einem erdachten „Deutschtum“ sahen oder die noch weiter zurückgriffen, auf ein vorzeitliches „Germanentum“. Aus diesem Denken erwuchsen in den 1920er Jahren Organisationen wie der Jungdeutsche Orden, die Thule-Gesellschaft und deren politischer Zweig, die NSDAP. Wie die nationalsozialistische Ideologie von „Blut und Boden“ auch die Bauern in Halle und Umgebung hofierte und instrumentalisierte, ist ein Thema für sich.
Festzuhalten bleibt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Höfe im Kreis Halle als „Vollselbstversorger“ galten. Sie bezogen keine Lebensmittelmarken, da sie noch beides, Ackerbau und Viehzucht, betrieben. Doch die Spezialisierung der Höfe, die nun landwirtschaftliche Betriebe hießen, hatte, wie wir gesehen haben, schon lange begonnen.

Katja Kosubek 2014

Wandbehang aus Trachtenhauben, angefertigt von Margarete Windthorst

Wandbehang aus Trachtenhauben, angefertigt von Margarete Windthorst. Leihgabe von Ursula Blaschke.

Abbildungen:
Fotos Hof Wesselmann um 1912, Leihgabe von Martin Surmann, Eggeberg
Erntehaube um 1900, Leihgabe von Hermann Bußmeyer, Hörste
Foto Post um 1930, Leihgabe von Jörg Buck, Halle
Foto Fleischfabrik Rolff, Stadtarchiv Halle (Westf.)
Foto Halle Stadtpanorama 1908, Schenkung von Kurt Mickler, Halle
Trachtenhaube für Festtage, Leihgabe von Heinz Kahmann, Gartnisch
Wandbehang aus Trachtenhauben, Leihgabe Museum für Kindheits und Jugendwerke bedeutender Künstler, Halle.

[1] Die Bezeichnung „Colon“ stammt aus dem 18. Jahrhundert. Der Begriff geht auf das „kolonisieren“, d.h. Urbarmachen und Besiedeln von Wald- und Heideland zurück. „Colon“ bezeichnete den freien Bauern, der eigenen Grundbesitz bewirtschaftete. Auf dem Alten Friedhof in Halle/Westfalen (Friedhof I, gegenüber dem ehemaligen Postamt) finden sich einige entsprechende Erbbegräbnisse. So ist dort etwa „Colon Dulie“ aus Ascheloh bestattet.
[2] Der Kotten stand unweit des Hofes und wurde an Familien verpachtet, die selbst kein Land hatten. Genannt wurden diese Leute „Heuerlinge“ (jemand, der eine Heuer/Pacht bezahlt) oder „Kötter“ (Bewohner eines Kottens). Die Heuerlinge waren verpflichtet, auf dem Hof des Bauern mitzuarbeiten, in welchem Umfang, war genau festgelegt. Daneben betrieben sie selbst ein wenig Landwirtschaft und besserten im Winter durch das Spinnen von Flachs- oder Hanfgarn ihr Einkommen auf.
[3] Von den schweren Infektionskrankheiten war die Tuberkulose (Schwindsucht) diejenige, an der im Kreis Halle bis in die 1920er Jahre zahlreiche Menschen starben.
[4] Im Jahr 1907 arbeiteten in der Landwirtschaft nur noch 24%, in der Industrie jedoch schon 54% der deutschen Bevölkerung. Im Vergleich dazu: Um 1877 hatte man noch etwa gleichviele Menschen in Landwirtschaft und Industrie gezählt. Gisbert Strotdrees: Höfe, Bauern, Hungerjahre – Aus der Geschichte der westfälischen Landwirtschaft, Münster 1991, S. 14.
[5] Vgl. Historisches Museum Bielefeld, Dauerausstellung, Abt. Ravensberger Spinnerei und Abt. Heuerlingselend.
[6] Die „Dreifelderwirtschaft“, bei der das Land nach zwei Erntejahren ein Jahr brachliegen musste, um neue Nährstoffe zu bilden, wurde durch die Düngung aufgehoben. Nun konnte ein Feld jedes Jahr bestellt werden.
[7] Stadtarchiv Halle/Westfalen, Akte A 591, Landwirtschaftliche Vereine. Um 1880 hatte der Verein 120 Mitglieder aus Halle und den Landgemeinden (mit Brockhagen und Steinhagen).
[8] Ebd. Informationsblatt „Programm der landwirtschaftlichen Lehr-Anstalt Herford“. Für die Ausbildung musste Schulgeld bezahlt werden. Die erste Landwirtschaftsschule in Halle eröffnete 1902 an der Alleestraße.
[9] Vgl. Gisbert Strotdrees: Höfe, Bauern, Hungerjahre – Aus der Geschichte der westfälischen Landwirtschaft, Münster 1991, S. 14f.
[10] Thomaskali (auch Thomasmehl) ist eine Düngermischung aus Phosphor, Kalium, Kalk, Magnesium und Schwefel.
[11] Vgl. Gisbert Strotdrees: Höfe, Bauern, Hungerjahre – Aus der Geschichte der westfälischen Landwirtschaft, Münster 1991, S. 10f.
[12] Vgl. Haller Kreisblatt, 20. Februar 1892, S. x. Markttag war der Freitag. In den warmen Monaten fand ein kombinierter „Vieh- und Krammarkt“ statt. Hier gab es 1892 auch schon ein Karussell. Die nahegelegenen Lokale boten an diesen Tagen „Tanzvergnügen“ an.
[13] Gisbert Strotdrees: Höfe, Bauern, Hungerjahre – Aus der Geschichte der westfälischen Landwirtschaft, Münster 1991, S. 17. Für Westfalen führt Strothdrees folgende Schweinezahlen an: im Jahr 1892 – 640.000 Tiere, 1900 – 885.000, 1914 – 1,7 Millionen.
[14] Karl Wolf, Freud und Leid im Kreise Halle i.W. – 1800-1905, Halle i.W. 1905, S. 54, Tabelle Viehzählung.
[15] Das Fleischgeschäft Rolff war 1838 am Haller Kirchplatz (Bahnhofstraße 13) gegründet worden. Ab 1845 gab es ein separates Produktionsgebäude an der Gartenstraße (heute Marktkaufgelände). Als „Fabrik“ ist der Betrieb jedoch erst ab 1879 zu bezeichnen, als eine Dampfmaschine, Schornstein, Kesselhaus und weitere Gebäudeteile errichtet wurden. Etwas mehr als 60 Arbeiterinnen und Arbeiter waren zwischen 1880 und 1900 hier beschäftigt. Vgl. Uwe Heckert, Halle in Westfalen – Geschichte(n) einer Stadt am Teutoburger Wald, Bielefeld 2005, S. 80ff. Es gab daneben die „Fleischfabrik Eschkötter“ in Halle-Gartnisch, heute Bielefelder Straße/Heckenweg. Die vielen anfallenden Häute waren möglicherweise der Grund dafür, dass es um 1910 im kleinen Halle gleich drei Lederfabriken gab und eine weitere Gerberei in Künsebeck.
[16] Den Ankauf von norddeutschen Bauernstuben betrieb beispielsweise der Direktor des Altonaer Museums, Otto Lehmann, ab 1899.
Das erwähnte Wörterbuch schrieb der 1858 geborene Heinrich Stolte: Wie schreibe ich die Mundart meiner Heimat? – Ein Beitrag zur niederdeutschen Rechtschreibung und Mundartforschung auf der Grundlage der Ravensberger Mundart in Brockhagen und Steinhagen, Leipzig 1925.
Historische Feldforschung betrieb Eduard Schoneweg: Flachsbau und Garnspinnerei in der Sitte, Sprache und Anschauung des Ravensbergers. Münster 1911 (Dissteration).